Palästinensische christliche Theologen gegen Israel

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Der Hauptzugang zur Geburtskirche in Bethlehem, bekannt als
Der Hauptzugang zur Geburtskirche in Bethlehem, bekannt als "Tür der Demut". Foto Dan/Flickr, https://www.flickr.com/photos/twiga_swala/2264905255.(CC BY-SA 2.0)
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Es ist traurig, war aber vielleicht leider zu erwarten, dass viele palästinensische Christen, die nicht getötet oder vertrieben wurden, aber stets unter Bedrohungen leben, sich mit der Sache ihrer muslimischen Mitbürger identifizieren, die sich an oft gewaltsamem „Widerstand“ gegen Israel und die begrenzte israelische „Besatzung“ der West Bank (Judäa und Samaria) beteiligen.

 

von Dr. Denis MacEoin

Christen mögen in Syrien und Palästina eine weit zurückreichende Geschichte haben, doch die frühesten Christen und Christus selbst waren natürlich Juden. Aus einem Beitrag in Christianity Today:

„In der Apostelgeschichte heisst es, dass die ersten Christen in Jerusalem Juden waren, und Historiker glauben, dass das Christentum im Heiligen Land selbst nach dem Fall von Jerusalem im Jahr 70 n. Chr. ein jüdisches Gepräge behielt. Doch der jüdische Bar-Kochba-Aufstand von 135 änderte all dies; Rom zeigte gegenüber den Juden keine Gnade und vernichtete Jerusalem; die Stadt wurde in ‚Aelia Capitolina’ umbenannt, das Land in ‚Palästina’. Durch diesen Schlag verschwand die christlich-jüdische Gemeinschaft weitgehend.“

Mit dem Aufkommen nichtjüdischer Christen ging die Verfolgung im gesamten Römischen Reich weiter, bis Kaiser Konstantin im Jahr 312 konvertierte und später das Christentum als alleinige Religion dekretierte. Unter dem Römischen und dem späteren Byzantinischen Reich genossen die Christen Palästinas die Freiheit, ihr Leben und ihren Glauben nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben. Im Jahr 634 aber, nur zwei Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed, besiegten muslimische Araber die Byzantiner und nahmen Syrien ein, dessen südliche Region Palästina war. Der Name „Palästina“ wurde der Region durch den römischen Kaiser Hadrian aufgezwungen, offenbar im Versuch, das Land als Reaktion auf die Revolte des Jahres 135 von seinen jüdischen Wurzeln zu trennen.

Doch egal, wer es beherrschte, war Palästina nie ein eigenständiger Staat oder eine Provinz. Zwischen 1923 und 1948 war dies der Name des britischen Mandatsgebiets: Während dieser Zeit war jeder, der dort geboren wurde – ob Christ, Moslem oder Jude – offiziell ein Palästinenser, „Palästina“ wurde in alle Pässe gestempelt.

Dann, im Mai 1948, attackierten fünf arabische Armeen den Staat Israel am Tag seiner Geburt, in der offen ausgesprochenen Hoffnung, dem neuen Land noch vor seinem Beginn ein Ende zu bereiten. Die Leute, die heute Palästinenser genannt werden, waren jene Araber, die während des Krieges flohen, nachdem ihre Führer ihnen versprochen hatten, sie würden zurückkehren und ihre Häuser wieder in Besitz nehmen können, sobald der arabische Sieg vollständig wäre.

Daran, dass die Araber diesen Krieg verlieren könnten – wie es dann kam –, war bei diesem Versprechen nicht gedacht worden. Als die Araber, die geflohen waren, nach dem Krieg zurückkehren wollten, erinnerte sie Israel daran, dass sie nicht gerade Verbündete gewesen waren, und weigerte sich, sie aufzunehmen.

Als Minderheit von „Ungläubigen“ unter muslimischer Herrschaft

Während des Kriegs von 1947-48 besetzte Jordanien illegal einen grossen Teil Jerusalems und annektierte ihn später. Die Juden, die in diesen Gebieten lebten, flohen. Übernacht wurden die Christen, die in Gaza und der West Bank verblieben waren, zu Bürgern zweiter Klasse, Geduldeten, Dhimmis mit wenigen Rechten, die als Minderheit von „Ungläubigen“ unter muslimischer Herrschaft leben mussten. Als solche konnten sie keine Rechtsansprüche geltend machen und lebten unter ständiger Bedrohung ihres Besitzes und ihres Lebens.

Bis dahin hatten palästinensische Christen Jahrhunderte lang unter wechselnden islamischen Reichen gelebt und hatten wenig Grund gehabt, ihre Herrscher zu lieben. Durch die Massaker und die Vertreibung der Armenier und der Pontosgriechen durch muslimische Türken in der Zeit von 1915 bis 1923 wurden die Christen in der Region, die einst Bürger des prächtigen Byzantinischen Reichs gewesen waren, in dem Land, das ihre Vorfahren beherrscht hatten, zu einer winzigen Minderheit. Das letzte dieser Reiche war das ausgedehnte türkisch-osmanische Reich, das die europäischen Alliierten 1918 aus dem Weg räumten.

Was wir heute Palästinenser nennen, sind einfach die Araber, die den Krieg verloren haben, wie der PLO-Führer Zuheir Mohsen im März 1977 in einem Interview mit der niederländischen Zeitung Trouw erklärte:

„Das palästinensische Volk existiert nicht. Die Schaffung eines palästinensischen Staates ist nur ein Mittel dafür, unseren Kampf gegen den Staat Israel und für unsere arabische Einheit fortzusetzen. In Wirklichkeit gibt es heutzutage keinen Unterschied zwischen Jordaniern, Palästinensern, Syrern und Libanesen.“

Christen kommen heute nur auf 1,3 Prozent der Zahl der muslimischen Araber (35.000 leben unter der Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde in der West Bank, 3.000 unter der der Hamas im Gazastreifen). Es ist kaum überraschend, dass die Zahl in Israel höher ist:

Christen machen 2,1 Prozent von Israels Gesamtbevölkerung aus. Rund 83 Prozent der Christen sind Araber, womit sie eine bedeutende Minderheit von 9,6 Prozent der palästinensisch-arabischen Minderheit im Staat ausmachen, die 18 Prozent der Gesamtbevölkerung Israels bildet. Im Verhältnis sind die Christen in Israel also eine der grössten christlichen Minderheiten innerhalb einer arabischen Population im Nahen Osten.

Die christliche Gemeinschaft in Israel ist die einzige im Nahen Osten, die seit dem Ende des Osmanischen Reichs gewachsen ist. Überall sonst gehen die Zahlen zurück; Gründe dafür sind Auswanderung, eine fallende Geburtenrate und Verfolgung durch die muslimischen Mehrheiten.

In Gaza und der West Bank werden die Christen regelmässig schikaniert, verfolgt oder sogar von ihren muslimischen Nachbarn umgebracht. Hier ist kein Platz für einen vollständigen Bericht über die vielen Schmähungen, die die Christen vonseiten der Palästinensischen Autonomiebehörde erleiden mussten, doch David Raab hat eine Übersicht zusammengestellt.

Die alte islamische Abneigung gegen Christen und andere Nichtmuslime infiziert weiterhin die moderne palästinensische Gesellschaft. In einer Predigt, die im Jahr 2000 von Gaza aus über das Fernsehen der PA ausgestrahlt wurde, verkündete der Gelehrte Dr. Ahmad Abu Halabiyya begleitet von vielen Aufrufen zur Gewalt:

„Dies ist die Wahrheit, o Brüder im Glauben. Von hier hat Allah, der Allmächtige, uns aufgerufen, uns nicht mit den Juden oder den Christen zu verbünden, sie nicht zu mögen, nicht ihre Partner zu werden, sie nicht zu unterstützen, und kein Abkommen mit ihnen zu unterzeichnen. Und wer das trotzdem tut, ist einer von ihnen, wie Allah gesagt hat: ‚O ihr, die ihr glaubt, nehmt nicht die Juden und die Christen als Verbündete, denn sie sind miteinander verbündet. Wer von euch sie als Verbündete nimmt, wird tatsächlich einer von ihnen sein’…“

„Die Juden sind die Verbündeten der Christen, und die Christen sind die Verbündeten der Juden, ungeachtet der Feindschaft, die zwischen ihnen ist. Die Feindschaft zwischen den Juden und den Christen sitzt tief, doch sie alle stimmen darin überein, dass sie gegen die Monotheisten sind – gegen diejenigen, die sagen: ‚Es gibt keinen Gott ausser Allah und Mohammed ist sein Gesandter’ –, sie sind also gegen euch, ihr Muslime.“

Ein Bericht der israelischen Regierung mit dem Titel „Die Behandlung der Christen durch die Palästinensische Autonomiebehörde in den Autonomiegebieten“, der schon 1997 erschien, führt eine Reihe von Fällen auf, in denen die PA Christen schikaniert hat, insbesondere jene, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind und darum als Apostaten betrachtet werden, die die Todesstrafe verdienen. Pastoren und andere wurden verhaftet, eingesperrt und als potenzielle israelische Spione bedroht. Ein Beispiel:

Ein Palästinenser, der zum Christentum übergetreten ist und in einem Dorf bei Nablus lebt, wurde kürzlich von der palästinensischen Polizei verhaftet. Die Polizei liess einen muslimischen Prediger kommen, der versuchte, den Konvertiten zur Rückkehr zum Islam zu bewegen. Als dieser das ablehnte, wurde er vor ein palästinensisches Gericht gestellt und zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er den religiösen Führer beleidigt habe. Derzeit teilt er sich eine Gefängniszelle mit 30 Leuten, von denen die meisten lebenslängliche Haftstrafen wegen Mordes verbüssen.

Die Misshandlung durch Muslime beschränkt sich indessen nicht auf Individuen und Familien. Raab schreibt:

„Die PA zeigt Verachtung für christliche heilige Stätten, und es ist zu beträchtlichen Schändungen gekommen. So entschied etwa Jassir Arafat ohne vorherige Rücksprache mit der Kirche, das griechisch-orthodoxe Kloster in der Nähe der Geburtskirche in Bethlehem während seiner Besuche in der Stadt zu seinem Domizil zu machen. Am 5. Juli 1997 beschlagnahmte die PLO das russisch-orthodoxe Eiche-Abrahams-Heilige-Dreifaltigkeits-Kloster in Hebron und setzte die Mönche und Nonnen gewaltsam vor die Tür.”

Zu den bekanntesten Vorfällen gehört die Übernahme von Bethlehems Geburtskirche im Jahr 2002, als Dutzende palästinensischer Terroristen die heilige Stätte der Geburt Jesu fünf Wochen lang besetzt hielten, sie schändeten, alles Wertvolle raubten und Bibeln zerrissen, um sie als Klopapier zu benutzen. Die gesamte Aktion wurde von der Palästinensischen Autonomiebehörde selbst, unter Jassir Arafat, befehligt.

Zieht man in Betracht, wie sie von den muslimischen Behörden misshandelt wurden und immer noch werden, stellt sich die Frage, warum so viele palästinensische Christen dem „Widerstand“ – ein Euphemismus für bewaffneten Kampf – gegen Israel durch terroristische Organisationen, von denen viele von dschihadistischen Ideen inspiriert sind, ihre Unterstützung bekunden? Dieser „Widerstand“ ist beseelt von der Vorstellung, dass jegliches Territorium, das einmal für den Islam erobert wurde (und in diesem Fall den Christen gestohlen wurde), auf ewig unter islamischer Herrschaft bleiben müsse:

„Sowohl Rumänien als auch Bulgarien seien legitime Ziele für Anschläge, sagte der syrische Scheich Omar Bakri in einem Interview, da sie ‚islamisches Land’ seien …“

„Sobald der Islam ein Land betritt, wird das Land islamisch und die Muslime haben die Pflicht, es eines Tages zu befreien. Spanien beispielsweise ist islamisches Land, ebenso Osteuropa: Rumänien, Albanien, Mazedonien, Serbien, Kosovo und Bosnien.“

Diese Vorstellung ist doch wohl sehr weit von christlichen Grundsätzen entfernt?

Trotzdem ist Anti-Israel-Aktivismus unter palästinensischen Christen, die in Frage stellen, dass Israel Jerusalem von der illegalen Einnahme und Besatzung durch Jordanien befreit hat, nicht schwer zu finden. Es gibt unter Christen offenbar eine berechtigte Sorge um ihre Sicherheit und die Sicherheit christlichen Eigentums, der sie begegnen wollen, indem sie sich mit der muslimischen Mehrheit verbünden, unter der sie leben. Im Juni 2017 unterzeichneten 30 christliche Organisationen – katholische, assyrische, orthodoxe und Protestanten in Jerusalem, Bethlehem und Gaza – einen „Brief palästinensischer Christen an den Weltkirchenrat (WCC) und die ökumenische Bewegung“. Er beginnt mit den Worten:

„Wir, die wir uns diesen Monat in Bethlehem im besetzten Palästina treffen, leiden immer noch unter hundert Jahren Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die, beginnend mit der ungerechten und ungesetzlichen Balfour-Deklaration, über das palästinensische Volk gebracht wurden.“

Im selben Stil geht es weiter. Die siebte der neun Forderungen an den WCC und die ökumenische Bewegung lautet:

„Dass ihr unser Recht und unsere Pflicht unterstützt, kreativ und gewaltfrei Widerstand gegen die Besatzung zu leisten. Wir fordern, dass ihr euch für wirtschaftliche Massnahmen aussprecht, die Druck auf Israel ausüben, die Besatzung zu beenden, und dass ihr sport-, kultur- und universitätspolitische Massnahmen gegen Israel unterstützt, bis dieses sich internationalem Recht und UN-Resolutionen beugt, die dazu drängen, die Besatzung, Apartheid und Diskriminierung zu beenden und den Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat zu gestatten. Dies ist unser letzter friedlicher Ausweg [Hervorh. d. Verfassers]. … Als Antwort auf Israels Krieg gegen BDS fordern wir, dass ihr diese Massnahme intensiviert [„auf das Ende der Besatzung, Apartheid und Diskriminierung und die Rückkehr der Flüchtlinge in ihr Heimatland drängt“].

Der palästinensische „Widerstand“ war immer extrem gewalttätig (nur als Beispiel hier und hier); eine Form davon kreist um Proteste, die die A-Aksa-Moschee in Jerusalem betreffen. Als während einer Welle dieser Proteste im Juli 2017 Christen mit Muslimen beteten, drängte einer der Demonstranten die Christen, mehr zu tun: „Die Kirchen in Bethlehem werden morgen, Sonntag, ihre Türen schliessen und die Christen auffordern, zu den Moscheen zu gehen. … #Here_Is_Palestine.”

Und tatsächlich „stiess am Donnerstag eine Delegation des Weltkirchenrates zu den palästinensischen Gläubigen, die in der Nähe von Al-Aksa protestierten und stand in Solidarität an der Seite der muslimischen Gemeinschaft“.

Der antiisraelische orthodoxe Erzbischof von Sebastia, Theodosios (Atallah Hanna), drückte in klaren Worten die Solidarität der Christen mit den Muslimen aus:

„Ich unterstütze die Palästinenser und teile ihre Sache und ihre Anliegen…“

„Wir palästinensische Christen leiden zusammen mit den anderen Palästinensern an der Besatzung und der Härte unserer wirtschaftlichen Lage. Muslime und Christen leiden gleichermassen, denn es gibt im Leiden keinen Unterschied zwischen uns. Wir leben alle unter denselben komplizierten Umständen und haben dieselben Schwierigkeiten zu bewältigen.“

Hanna war einer der Autoren des antisemitischen „Kairos-Dokuments palästinensischer Christen“, über das ich hier geschrieben habe. Kairos Palästina wurde 2009 verfasst und von 13 christlichen Führern in Jerusalem unterzeichnet, die die griechisch-orthodoxen, lateinischen, armenisch-orthodoxen, koptischen, syrisch-orthodoxen, maronitischen, äthiopischen, griechisch-katholischen, syrisch-katholischen, lutherischen, anglikanischen und armenisch-katholischen Kirchen repräsentieren – alle von ihnen traditionalistische Konfessionen. Einer der ersten Absätze lautet:

„In diesem historischen Dokument erklären wir palästinensischen Christen, dass die militärische Besatzung unseres Landes eine Sünde gegen Gott und unsere Menschlichkeit ist, und dass jede Theologie, die die Besatzung legitimiert, weit entfernt von christlicher Lehre ist, weil die wahre christliche Theologie eine Theologie der Liebe und Solidarität mit den Unterdrückten ist, ein Ruf nach Gerechtigkeit und Gleichheit unter den Völkern.“

Diese Erhöhung politischer, juristischer und militärischer Anliegen in die Sphäre der Theologie ahmt in ihrem Stil die Befreiungstheologie nach, eine radikale Form christlichen Glaubens und Handelns, die sich in der katholischen Kirche Lateinamerikas entwickelte und auf der Sorge um die Armen und Unterdrückten basierte. Solche Sorge liegt sehr wohl innerhalb der christlichen Tradition, doch Kairos propagiert eine andere Form der Ersatztheologie. Es behandelt die Juden, die Jesus nicht als ihren Erlöser angenommen haben, als ein Volk, das nicht mehr länger Gottes Volk sei. Das erlaubt es den Autoren, ihre Sorge gegenüber Palästinensern, Muslime wie Christen, zu zeigen, aber keine solche Sorge gegenüber den Juden zu hegen, die Kriegen, Terrorismus und internationalem Hass ausgesetzt sind – und die, wie die Christen wohl wissen, ohne den Schutz durch Israels Sicherheitskräfte derselben zärtlichen Gnade extremistischer Muslime ausgeliefert wären wie die Christen im Nahen Osten.

Ein wirklich ökumenisches amerikanisches Zentrum, das sich christlich-jüdischen Beziehungen widmet, hat ein Dokument herausgegeben, in dem es auf schwere Fehler in der Argumentation der Kairos-Autoren hinweist:

Christians for Fair Witness sah sich genötigt, eine Replik zu schreiben: Warnung an US-Kirchen, das Kairos-Palästina-Dokument betreffend. Sie wurde vom Institute for Jewish-Catholic Relations der St. Paul University gebilligt und von Dialogika (wie auf der Website von Christians for Fair Witness zu sehen ist). Sie behandelt das Kairos-Dokument mit Respekt, doch die ausgesprochenen Warnungen sind weitreichend und bedeutsam …“

„Das natürliche Recht der Juden wird kein einziges Mal angesprochen. … Nur Rechte und Forderungen von Palästinensern werden als für Christen relevant betrachtet.“

In dem Warnungs-Dokument heisst es zudem: „Das Kairos-Palästina-Dokument behauptet, dass ‚ein Ende der israelischen Besatzung … Sicherheit und Frieden für alle garantieren wird’. Aber stimmt das? Es gab keine Sicherheit und keinen Frieden vor der Besatzung.“ Die Analyse führt eine Liste arabischer Gewalttaten gegen Juden auf, das 1964 von der PLO erklärte Ziel der Vernichtung Israels und knüpft daran die klare Äusserung: „Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die Beendigung der Besatzung allein Sicherheit und Frieden für Israel und Palästina bringen wird.“

Es ist nicht überraschend, dass Kairos in vielen Ländern eine breite Bewegung von Anti-Israel-Aktivismus inspiriert hat. Das Kairos-Dokument und Literatur darüber findet man in westlichen Kirchen, wie etwa in Schweden, bei pro-palästinensischen Lesungen und Ausstellungen. Das Kairos-Dokument ist so ungeheuerlich diskriminierend, dass die Zentralkonferenz der amerikanischen Rabbis (CCAR) es 2010 als „supersessionistisch“ [“ersetzungstheologisch” – die theologische Vorstellung, dass die Christen das jüdische Volk als Gottes Volk ersetzt hätten, weil die Juden Christus ermordet hätten] und „antisemitisch“ bezeichnet hat.

Eine führende Figur unter den Autoren von Kairos Palästina ist Pastor Mitri Raheb, der eine internationale Karriere als selbsternannte “öffentliche Person, Pastor und Theologe, Autor und Sozialunternehmer“ durchläuft. Mitris Lebenslauf ist wahrhaft erstaunlich, von den Preisen, die er bekommen und den Universitäten, an denen er gelehrt hat bis zu den Institutionen, die er gegründet hat. Er hat eine breite Medienpräsenz:

„Das Werk von Dr. Raheb hat breite Beachtung durch grosse internationale Medienorgane gefunden, wie etwa CNN, ABC, CBS, 60 Minutes, BBC, ARD, ZDF, DW, BR, Premiere, Raiuno, Stern, The Economist, Newsweek, Al-Jazeera, al-Mayadin, Vanity Fair und andere“.

Wie viele Kleriker jedweder Art kommen schon im Vanity Fair-Magazin vor, das auf den Luxusmarkt zielt? Dies sind Leistungen, auf die viele andere Theologen und Kirchenführer neidisch sein können.

Geboren 1962 in Bethlehem, studierte Raheb an zwei deutschen Universitäten: am Missionsseminar Hermannsburg (1980-19894) und an der Universität Marburg (1984-1988), wo er den Doktor in Theologie erhielt. 1988 kehrte er nach Bethlehem zurück.

Raheb ist ein ordinierter Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land, eine Ausprägung des Lutherismus, die Mitte des 19. Jahrhunderts von deutschen und englischen Missionaren in Palästina gegründet wurde. Die Evangelisch-Lutherische Kirche gründet auf dem Glauben an die Dreifaltigkeit und ist in ihrer Doktrin fundamentalisisch:

„Der wahre Weg der Erlösung wird nur durch Gottes Wort offenbart, und alle Behauptungen, es gäbe einen Weg der Erlösung durch andere Mittel, müssen zurückgewiesen werden. Der Hauptzweck der Heiligen Schrift ist es, uns zu offenbaren, dass Jesus Christus unser einziger Erlöser ist.“

Gegen moderne rationalistische Theologie ist sie immun und sagt etwa:

„Wir bezeugen, dass Gott alle Dinge in sechs Tagen durch die Kraft Seines Wortes geschaffen hat, genau so, wie es in Genesis Kapitel 1 und 2 und anderswo in der Schrift ausgeführt ist. Wir weisen darum die Theorien der ‚Evolution’, darunter die der ‚theistischen Evolution’, zurück, nicht nur, weil sie keine einwandfreie Grundlage in wissenschaftlicher Erkenntnis haben, sondern insbesondere, weil sie dem von Gott inspirierten Schöpfungsbericht widersprechen, wie er von Moses im Alten Testament gegeben und von Christus im Neuen Testament bestätigt wird.“

Es geht hier nicht darum, die Kirche wegen ihres Glaubens zu verurteilen. Diese Glaubenssätze machen es jedoch schwer, zu verstehen, wie die Führer einer Kirche sich für enge Beziehungen zu Muslimen aussprechen können, für die alles, was Christen glauben, reine Blasphemie ist. Noch seltsamer ist, dass die Christen nicht einmal vorhaben, diese Muslime zu bekehren.

Im Koran ist der christliche Glaube, wonach Gott drei Personen sei, Gotteslästerung, da Gott nur Einer sei. Ebenso wird Jesus nicht als Sohn Gottes angesehen, sondern als ein Prophet, der unter Mohammed steht. Der Koran betont, dass Jesus nicht gekreuzigt worden sei, sondern dass jemand anders an seine Stelle getreten sei. Darum sei Christus nicht gestorben, um die Menschheit zu retten; diese Erlösung ist denen vorbehalten, die an den von Mohammed offenbarten Gott glauben. Für Muslime ist die Bibel eine Verfälschung des Islam durch christliche Priester und Mönche, eine Verzerrung, die tahrif genannt wird.

Raheb und seine Unterstützer aus verschiedenen Konfessionen sind eindeutig willens, diese grobe Leugnung ihres Glaubens in allen ihren Aspekten zu ignorieren, eine Leugnung, die das wesentliche Bestreben, durch das Opfer Jesu das Leben nach dem Tod zu erreichen, für nichtig erklärt. Es ist üblich, dass religiöse Leute sich vor allen anderen Loyalitäten als Mitglieder ihres Glaubens identifizieren, was so weit geht, dass sie lieber den Tod in Kauf nehmen als ihren Glauben zu verleugnen. Den Bahai im Iran wird ihr Leben geboten, wenn sie nur zum Islam konvertieren, doch sie weigern sich und gehen lieber an den Galgen. Christliche Märtyrer, alte und moderne, werden weithin als die idealen Vertreter ihres Glaubens gepriesen. Viel Christen wurden in Ägypten und anderswo von Muslimen getötet, wie im Nag-Hammadi-Massaker von 2010.

Niemand rät dazu, dass palästinensische Christen ihren eigenen Tod herausfordern sollten, indem sie sich direkt mit der muslimischen Mehrheit anlegen. Es ist jedoch unerklärlich, warum sich diese Christen lieber dem islamischen „Widerstand“ anschliessen, als zu schweigen, den ihnen zugewiesenen niederen Status zu akzeptieren und davon abzusehen, überschwänglich zu begrüssen, was Muslime als richtig ansehen.

Raheb geht so weit, dass er es nicht einmal ertragen kann, Jesus als Juden zu bezeichnen. Auf einer Konferenz mit dem Titel „Christus am Checkpoint“ im Jahr 2010 erklärte er:

„Ich bin mir sicher, dass wenn wir bei David, der aus Bethlehem kam, Jesus, der in Bethlehem geboren wurde, und Mitri, der auf der anderen Strassenseite des Ortes von Jesu Geburt geboren wurde, einen DNA-Test durchführen würden, dieser zeigen würde, dass es eine Verbindung gibt. Würde man hingegen König David, Jesus und Netanjahu vergleichen, würde das zu nichts führen, weil Netanjahu aus einem osteuropäischen Stamm kommt, der im Mittelalter zum Judaismus konvertiert ist.“

Die Annahme, dass aschkenasische Juden Nachfahren von konvertierten Osteuropäern seien, ist seit vielen Jahren durch DNA-Tests als wissenschaftlicher Trugschluss widerlegt. (Siehe auch hier.)

“Einige Leute in der Kirche glauben an den bewaffneten Widerstand, und wir widersprechen nicht. “

Raheb geht sogar noch weiter. Er hat nichts gegen die Gewalt, die genozidalen Drohungen und den islamischen Radikalismus der Hamas. Im März 2016 pries er in einem Interview mit der populären ägyptischen Tageszeitung al-Masri al-Yawm (Ägypten heute) die Terrorgruppe, die hauptverantwortlich ist für das Leiden des palästinensischen Volkes, mit den Worten:

„Die Hamas ist eine palästinensische politische Bewegung, die eine wichtige Rolle spielt. Niemand kann das bestreiten. Die Kirche ist über viele Kirchendelegationen in ständigem Gespräch mit der Hamas in der West Bank. Einige Leute in der Kirche glauben an den bewaffneten Widerstand, und wir widersprechen nicht. Sobald es Besatzung gibt, gibt es Widerstand.“

Wir haben es hier mit einem christlichen Führer zu tun, der eine notorisch bösartige Entität feiert und verkündet: „Einige Leute in der Kirche glauben an den bewaffneten Widerstand, und wir widersprechen nicht.“

Sekunden später versuchte Raheb, seine Unterstützung zu relativieren, indem er auf seine Privatmeinung zu sprechen kam:

„Auf einer persönlichen Ebene aber glaube ich nicht an bewaffneten Widerstand. Wie soll man gegen einen Feind mit Waffen kämpfen, die von ihm und seinen Verbündeten gemacht wurden? Wenn dein Feind ein Ringer ist, ist es klüger, ihn nicht zu einem Ringkampf aufzufordern, sondern zum Schach.“

Der christliche Autor Dexter Van Zile sagt dazu: „Es ist schlimm, dass Raheb, ein christlicher Pastor, sich von der dschihadistischen Gewalt der Hamas nicht distanziert, weil er sie für falsch, sondern weil er sie für ineffektiv hält.“

Ein fundamentaler Aspekt eines grossen Teils der modernen Theologie in den christlichen Kirchen ist der Glaube an die zentrale Rolle der Versöhnung und des Friedensschlusses durch die Gläubigen, seien es Kleriker oder Laien. Auch der Weltkirchenrat, mit dem Raheb und seine Anhänger verbunden sind, betont die Rolle von Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung. Unterstützung für die Hamas und andere Kräfte des palästinensischen „Widerstands“ steht in völligem Widerspruch zu diesen christlichen Werten. Kaum irgendwo sonst findet man ein solches Mass an Heuchelei und absichtlichem Selbstwiderspruch. In Kirchen fast überall auf der Welt kann man die Literatur, die Filme und die Vertreter dieser christlichen Selbsttäuschung finden, Monat für Monat, in einer Stadt nach der anderen.

Ich möchte mit einem Gegenstand der jüngsten Berichterstattung schliessen. Am 3. März hat Grossbritanniens oberster katholischer Geistlicher, Kardinal Vincent Nichols zu engeren Beziehungen zum Islam aufgerufen, mit der Begründung, die beiden Religionen hätten „mehr gemeinsam, als die Leute glauben“. Was um Himmels willen denkt dieser Prälat, was Muslime glauben? Nach 1.400 Jahren von Rivalität und Krieg machen eine gewisse Naivität und verschwommenes Denken die Christen zu den Helfern ihrer eigenen Zerstörung. Traurigerweise sind die Christen in der West Bank im Zentrum dieses wachsenden Bedürfnisses danach, vor denjenigen niederzuknien, die sie grösstenteils verachten und verfolgen.

Dr. Denis MacEoin hat Vorträge in Islamwissenschaften an einer Fakultät für religiöse Studien und christliche Theologie in Grossbritannien gehalten. Er ist ein Distinguished Senior Fellow des Gatestone Institute. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute.

1 Kommentar

  1. Bei allem Respekt, der Beitrag ist mir zu ausführlich für ein Forum. Vorausgesetzt, man legt Wert auf Lesermeinungen.

    Ich greife mir den zitierten Appell vom
    “Gelehrten” Dr. Ahmad Abu Halabiyya heraus, der Muslime warnt, mit Christen und Juden gemeinsame Sache zu machen. Er verkennt völlig, dass sowohl Christen als auch Muslime quasi reformierte Juden sind.
    Das allgemeine völkisch-rassistische Element wird auch gerne in die Diskussion hineingerührt als Merkmal besonderer Zusammengehörigkeiten.

    Mit Blick auf die Erfahrungen Deutschlands in den letzten 500 Jahren sollten “Gelehrte” jeder Herkunft aber in der Lage sein, konfessionelle und ethnische von nationalstaatlichen “Völkern” zu trennen. Die blutigen Kriege zwischen Katholiken und Protestanten dürfen ebenso wenig vergessen werden wie die Grausamkeiten der “zivilisierten Europäer” in den Kolonien.
    Es gilt nach wie vor, daraus die Lehren zu ziehen und Wiederholungen zu vermeiden.

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