Internationales Bischofstreffen zu Nahost

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Vertreter der Bischofskonferenzen unterwegs auf einer Tour in Hebron organisiert von ‘Breaking the Silence’. Foto Catholic Church (England and Wales), Flickr. com. CC BY-NC-SA 2.0
Vertreter der Bischofskonferenzen unterwegs auf einer Tour in Hebron organisiert von ‘Breaking the Silence’. Foto Catholic Church (England and Wales), Flickr. com. CC BY-NC-SA 2.0
Lesezeit: 4 Minuten

Das fünftägige 17. Internationale Bischofstreffen für Solidarität mit der Kirche im Heiligen Land endete am 19. Januar mit einem „Aufruf zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung im Heiligen Land“.

Vertreter von zwölf Bischofskonferenzen aus europäischen und nordamerikanischen Ländern sowie aus Südafrika, darunter Stephan Ackermann aus Trier und Bischof Dr. Felix Gmür aus Basel haben nach Gebeten in Bethlehem und Jerusalem das Gebiet zwischen Bethlehem und Hebron in Augenschein genommen. Tourguide bei dem Ausflug in Hebron war unter anderem Yehuda Shaul, Mitbegründer der umstrittenen NGO ‘Breaking the Silence’. Nach eigenen Angaben stellten sie fest, wie der fortgesetzte israelische Siedlungsbau und der Verlauf der Sicherheitsmauer die Lebensbedingungen der Palästinenser „drastisch verschlechtern“.

„Frieden und Gerechtigkeit“?

Der deutsche Bischof Ackermann behauptet, dass dieser „unhaltbare Zustand“ bei den Palästinensern „Lethargie und Hoffnungslosigkeit“ auslöse, die jederzeit in „unkontrollierbare Gewalt umschlagen“ könne. Hier werden von dem Hirten aus Trier die historischen Fakten mutwillig verdreht. Am Anfang stand nicht Lethargie, sondern blanker Hass: Die Sicherheitsmauer wurde erst ab 2003 errichtet, um die „unkontrollierbare Gewalt“ der Palästinenser, die Selbstmordattentate in Bussen und Restaurants in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa effektiv zu stoppen. Bei einer Fahrt über die Landstrassen von Tel Aviv nach Galiläa hätten die Bischöfe sehen könnten, das grosse arabische Dörfer zwischen jüdischen Ortschaften liegen. Was offenbar keinen Bischof interessiert, ist die Tatsache, dass das bei den Israelis keine „Lethargie und Hoffnungslosigkeit“ auslöst. Im Gegenteil.

Was in Israel als „friedliches Nebeneinander“ gepriesen wird, gilt jenseits der „Grünen Linie“, in den „Palästinensergebieten“, als Potential für Gewalt.

Leiden unter Besatzung

Die Abschlusserklärung zur Bischofsreise beginnt mit den Worten: „Seit fünfzig Jahren leiden das Westjordanland und der Gazastreifen unter einer Besatzung, die die Menschenwürde der Palästinenser und der Israelis verletzt. Das ist ein Skandal, an den wir uns nie gewöhnen dürfen.“ Hier blenden die römisch-katholischen Geistlichen die Geschichte leichtfertig aus. Denn vor den israelischen Besatzern waren Jordanien und Ägypter die „Verwalter“ und davor Briten, Osmanen und viele andere seit biblischer Zeit. Unerwähnt bleibt auch, dass die „israelischen Besatzer“ sich 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen haben, was zum Putsch der radikalislamischen Hamas, dem Abschuss von 12.000 Raketen auf Israel und einer grausamen Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung in dem Küstenstreifen geführt hat.

Vertreter der Bischofskonferenzen auf einer Tour in Hebron mit Tourguide Yehuda Shaul, Mitbegründer der umstrittenen NGO ‘Breaking the Silence’. Foto Catholic Church (England and Wales), Flickr. com. CC BY-NC-SA 2.0
Vertreter der Bischofskonferenzen auf einem Ausflug in Hebron mit Tourguide Yehuda Shaul, Mitbegründer der umstrittenen NGO ‘Breaking the Silence’. Foto Catholic Church (England and Wales), Flickr. com. CC BY-NC-SA 2.0

Ausgeblendete Geschichte

Es ist erschreckend zu sehen, wie Bischöfe sich jenseits von geschichtlichem Wissen derart in den Dienst einer militanten Propaganda stellen und auf der israelischen Seite offenbar nur mit Abraham Burg gesprochen haben. Der war zwar einmal Knesset-Vorsitzender, mutierte aber längst zu einem umstrittenen propalästinensischen Aktivisten.

In der offiziellen Abschlusserklärung gibt es noch einen beachtenswerten Satz: „Diese de facto-Annexion von Gebieten untergräbt nicht nur die Rechte der Palästinenser in Gebieten wie Hebron und Ostjerusalem, sondern gefährdet, wie auch die Vereinten Nationen zuletzt festgestellt haben, jede Friedenschance.“ Eine „de facto-Annexion“ gibt es ebenso wenig wie eine „de facto Schwangerschaft“. Israel hat Ost-Jerusalem annektiert. Ansonsten gibt es die autonome palästinensische Selbstverwaltung und unter israelischer Militärverwaltung stehende besetzte Gebiete.

Hass und Gewalt unter Palästinensern

Der 2006 zuletzt gewählte Präsident Mahmoud Abbas hat das Parlament aufgelöst und herrscht selbstherrlich mit Dekreten. Politisch überleben kann er nur dank der Sicherheitskooperation mit den Israelis, was ihn nicht daran hindert, den Terror zu verherrlichen und die Attentäter finanziell zu unterstützen. Solange die Palästinenser sich untereinander „bis aufs Messer bekämpfen“ und wirtschaftlich nur dank der Finanzhilfe der Geberländer (USA, EU und Japan) überleben, ist an einen Friedensprozess, an die Errichtung eines palästinensischen Staates und so auch eine „Zweistaatenlösung“ nicht zu denken. Heute gibt es niemanden, gewiss nicht der unpopuläre Abbas, der Beschlüsse oder gar Verträge im Namen aller Palästinenser unterschreiben könnte. Palästinenser streiten im persönlichen Gespräch den Wunsch nach einem eigenen Staat „unter den jetzigen Umständen“ ab.

Der Mangel an einer „stabilen Friedensregelung“ – wie die Bischöfe bedauern – liegt weder an der Mauer oder ihrem Verlauf, noch an den Siedlungen. Aber das scheint die Bischöfe genau so wenig zu interessieren, wie die Situation der Christen vor Ort.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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1 Kommentar

  1. Ob es wirklich gleich erschreckend ist, wenn von rund 4.800 Bischöfen weltweit 12 eine politische Stellungnahme abgeben, die ihnen eigentlich gar nicht zusteht, bezweifle ich mal. Lustig an der Sache ist Folgendes: Wenn ein Bischof eine Soutane trägt, gehört dazu ein Kreuz um den Hals, egal, wo er sich befindet. Wenn er in Alltagskleidung (Anzug mit Colar) auf den Straßen spazierengeht, trägt er es nicht. Aber beim Fotoshooting in Hebron baumelt es den Kirchenoberen unter dem geöffneten Anorak um den Hals, was bei einem strammen Marsch recht lästig und außerdem unpassend ist. In der Regel trägt man dann ein kleines Kreuz am Kragen.

    Ich bitte allerdings, diese Bemerkung nicht zum Anlass zu nehmen, gleich wieder kollektiv über die katholische Kirche herzufallen…Es gibt erschreckendere Dinge dieser Tage.

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