Pessach: das Fest der Befreiung von Fronarbeit

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Pessach, das achttägige jüdische Fest der Freiheit und Erlösung, beginnt am Freitag Abend. Es wird des Auszugs aus Ägypten unter Moses gedacht, dem Ende der Fronarbeit unter Pharao.

Pessach lieferte die Steilvorlage für das christliche Osterfest, mitsamt dem „letzten Abendmahl“. Das war vielleicht der Pessach-Sederabend im Jahr 33, der das Fest der „Erlösung“ eröffnet.

Die Christen haben es gut. Denen wurden pauschal alle Sünden vergeben, sodass sie ihre neue Freiheit richtig geniessen können mit Ostereiern und Lammbraten. Bei den Juden hingegen bedeutet das Fest reine Fronarbeit. Um nicht gegen das  achttägige „Fest der ungesäuerten Brote“ zu sündigen, muss geputzt, geschrubbt werden.

Acht Tage lang darf ein frommer Jude nichts „Gesäuertes“ sehen oder geniessen. Konkret bedeutet das Frühlingsputz im Haus, um auch den letzten Brotkrumen zu tilgen. In den Supermärkten werden die Regale für Mehl, Bier, Brot und getrocknete Hülsenfrüchte mit Plastikplanen abgedeckt. Dann müssen alle Teller, alles Besteck und Kochpötte ausgetauscht oder in riesigen Kesseln mit kochendem Wasser gekoschert werden.

Am Vorabend des Seder-Abends, muss die ganze Wohnung nach vergessenen Brotkrümeln durchsucht werden. Das geschieht symbolisch, in totaler Finsternis, damit man möglichst nichts findet. Eine israelische Firma vertrieb einen „Set für die Suche nach Ungesäuertem“. Neben einer hebräischen Gebrauchsanweisung, enthält das Plastikpaket eine Bienenwachskerze, einen hölzernen Kochlöffel und eine weisse Hühnerfeder. In der Gebrauchsanweisung steht, dass man erst im Hause zehn Brotkrümel verteilen sollte, aber so, dass man sie auch wiederfindet. Nun muss man ein Gebet sprechen: „Hiermit bin ich bereit und gerufen, ein Gebot den Tuns und des Nicht-Tuns zu erfüllen, Ungesäuertes zu prüfen, damit der Herrgott sich mit seinem (heiligen) Geist vereinen möge, jener Grossartige und dem Volk Israel Verborgene.“

Danach soll man beim Schein der Kerze die vorher ausgelegten Krümel „suchen“ und sie mit der Hühnerfeder auf den Kochlöffel fegen. Diese Sitte stamme aus Osteuropa und sei bei den Hassiden üblich. Auf Anfrage erzählte „nicht zur Veröffentlichung“ der Hersteller Eli: „Es gibt noch eine Erklärung für den Kochlöffel. Wenn man doch Brotkrümel findet, dient der Löffel dazu, damit die Hausfrau zu verprügeln, weil sie nicht ordentlich geputzt habe.“ Die wohl etwas absurde Sitte, nur mit einer einzelnen Kerze die Krümel zu suchen, könnte der Ursprung für das „Osterlicht“ sein, wenn die noch finstere Kirche am Sonntag Morgen nur mit einer einzigen Kerze beleuchtet wird.

Am nächsten Tag, bei Licht, am Ende der „fünften Stunde“, muss alles Brot und Ungesäuerte verbrannt werden. Das geschieht öffentlich auf der Strasse mit kleinen Feuerchen. Ob die Christen daraus die Inspiration für ihr „Osterfeuer“ erhielten? Nachdem die Wände frisch getüncht und der Fussboden geschrubbt sind, ist die Frau des Hauses gefordert, das Festessen für Tanten und Enkel, Schwiegersöhne und Kinder vorzubereiten. Am Seder-Abend wird dann die „Hagada“ (eine Legendsammlung rund um den Auszug aus Ägypten) im Familienkreis gelesen. Darin sind die Speisen vorgeschrieben: Vor dem „Zeremoniemeister“, dem Herrn des Hauses, liegen drei Platten ungesäuertes Brot (Matzes), ein knochentrocknes, geschmackloses Knäckebrot aus Mehl und Wasser. Dazu gibt es „Maror“ (Bitteres) zur Erinnerung an die „bitteren Zeiten“. Sellerie, Endivien, Meerrettich, Koriander oder Petersilie erfüllen diese Vorschrift. Es folgt das Beste: „Harosset“. In jeder jüdischen Gemeinde anders hergestellt, symbolisiert das den uralten in Ägypten verwendeten „Zement“, also die Mischung aus Lehm, Stroh und Kuhmist. Zum Pessachfest wird der Zement aus Datteln, Früchten, Zimt, Nüssen, Mandeln, Ingwer und Wein gestampft und dann löffelweise in einem frischen zusammengefalteten Salatblatt gereicht.

Dieser Köstlichkeit folgen ein „Arm“ und ein „Freudenfest“, wie es die Juden im Tempel dargebracht haben. Der „Arm“ (Zroa) ist ein Lammknochen „mit wenig Fleisch dran“, und symbolisiert das Opferlamm, wurde aber später interpretiert als der „Arm Gottes“. Das „Freudenfest“ besteht aus einem hart gekochten Ei und gilt auch als Symbol der Trauer über die zweifache Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Wer weiss, ob daraus das christliche „Osterei“ wurde. Der Brauch, bunte Eier zu verstecken und Kinder sie suchen zu lassen, erinnert an die jüdische Sitte, eine „Matza“ (ungesäuertes Brot) zu verstecken und ebenfalls von den Kindern suchen zu lassen. Der glückliche Finder erhält einen kleinen Preis und Applaus.

Nun folgt Karpas, wobei Sellerie, Petersilie, Radieschen oder auch Kartoffelscheiben in Salzwasser getunkt und gegessen werden. Während des Abendmahls müssen immer wieder die Hände gewaschen und insgesamt vier Gläser Wein getrunken werden, jeweils mit einem Segen. Ein fünftes Glas Wein wird auf den Tisch gestellt, aber nicht getrunken. Das steht für den Propheten Elias bereit, auf den auch ein leerer Stuhl wartet.

Elias ist bekanntlich in den Himmel gefahren. Um ihn einzulassen, wird die Haustür geöffnet. Diese Einladung hängt zusammen mit dem jüdischen Glauben an die Ankunft des Messias, wobei Elias als Vorbote und Verkünder des Messias gilt. Gemäss anderen Erklärungen diente das auch dazu, Ausschau nach bösen Nachbarn zu halten. Denn das Pessachfest war immer schon Anlass für blutige Pogrome gegen Juden und antisemitische Auswüchse. Hartnäckig hält sich die üble Legende, wonach Juden zum Backen ihrer Matzebrote das Blut eines ermordeten Christenkindes benötigen. Heute wird dieses böse Gerücht in der arabischen Welt verbreitet.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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