Mal ehrlich: Sieht so Apartheid aus?

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Sanaa Mahameed, eine weibliche, arabische und muslimische Freiwillige bei United Hatzalah (eine Rettungsorganisation von Ersthelfern in Israel). Foto United Hatzalah.
Sanaa Mahameed, eine weibliche, arabische und muslimische Freiwillige bei United Hatzalah (eine Rettungsorganisation von Ersthelfern in Israel). Foto United Hatzalah.
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In 2012 bezichtigte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel die israelische Politik im Westjordanland der “Apartheid”. Kurz danach entschuldigte er sich für seine Formulierung. Sie sei ihm nach einem Besuch in Hebron “aus Zorn” entfahren. In Wirklichkeit wäre der Vergleich mit dem alten Apartheidregime in Südafrika “Israel gegenüber mehr als ungerecht und dem alten Südafrika gegenüber verharmlosend.”

 

Gabriels Reue war aber offenbar nur von kurzer Dauer, hat doch der mittlerweile zum deutschen Aussenminister avancierte Politiker seine Anschuldigung bei einer Zusammenkunft mit muslimischen Migranten letzten Dezember erneut hervorgebracht. Anstatt aber, wie ehedem, Kritik zu ernten, erhielt Gabriel diesmal Applaus — und zwar ausgerechnet von links aussen. Alon Liel, seines Zeichens kurzzeitiger, israelischer Botschafter in Südafrika, bezeichnete Gabriel in der Basler Zeitung als “Freund Israels”, der mutig die Wahrheit ausspricht.

Israel, Apartheid vorzuwerfen ist nicht wirklich neu. Seit Jahren versuchen eingefleischte Gegner, den Juden – in einer Art grotesker Umkehr – Rassismus und Herrschaftssucht zu unterstellen. Zumeist werden diese Angriffe als Diffamierung erkannt. Wenn aber ein führender westlicher Politiker, wie der deutsche Aussenminister, Israel Apartheid vorwirft, dann horcht die Welt auf. Und wenn ihm dann noch ein israelischer Diplomat, der als Botschafter in Südafrika stationiert war, Recht gibt, setzt sich in der Öffentlichkeit der gefährliche Eindruck fest, Israel betreibe in der Tat diskriminierende Rassentrennung, wie einst das Regime in Südafrika. Gefährlich ist das auch deshalb, weil dem Vorwurf die faktische Basis fehlt.

Apartheid steht für Diskriminierung bestimmter Völkergruppen

Wer einen derartig diffamierenden Ausdruck wie Apartheid gebraucht, sollte sicherstellen, dass er seine Bedeutung genau versteht. Sigmar Gabriel und Alon Liel sei denn auch ans Herz gelegt, den Begriff im Lexikon nachzuschlagen. Bei Gabler, beispielsweise, fänden die beiden folgende, umfassende Definition: „Apartheid ist eine auf rassistischer Ideologie beruhende Politik der räumlichen Separation bzw. Rassentrennung, die u.a. in der Republik Südafrika zwischen 1948 und Anfang der 1990er-Jahre praktiziert wurde und der weissen gegenüber der nicht weissen Bevölkerung die totale soziale, politische und kulturelle Privilegierung gesetzlich garantierte.“

Wie Apartheid konkret im Alltag aussah, das schildern am besten die Betroffenen (siehe nachstehendes Video). Sie wurden vom eigenen Staat zu Menschen zweiter Klasse degradiert, durften nicht die selben öffentlichen Einrichtung nutzen wie ihre weissen Mitbürger, nicht die selben Spitäler aufsuchen, nicht auf den selben Parkbänken sitzen, nicht von den selben Wasserfontänen trinken, nicht die selben Schulen besuchen und selbstverständlich nicht im Parlament wirken. All das war gesetzlich untermauert.

Israel steht für die gesetzlich-verankerte Gleichberechtigung aller Bürger

In Israel sieht das völlig anders aus. Muslimische Israelis haben volle Bürgerrechte, ebenso wie ihre jüdischen, christlichen und drusischen Pendants. Die öffentlichen Einrichtungen stehen allen gleichermassen zur Verfügung. Araber stellen in Israel Richter am obersten Gerichtshof, Diplomaten, Parlamentsmitglieder und Mandatsträger. Arabisch ist eine offizielle Amtssprache. Kurz, von institutionalisierter Unterdrückung kann keine Rede sein — eine Tatsache, die jeder neutrale Beobachter bestätigen wird. Klar, einen Unterschied zwischen den Bevölkerungsgruppen gibt es tatsächlich: Grundsätzlich sind in Israel Muslime und andere nichtjüdische Minderheiten nicht zum Wehrdienst verpflichtet. Freiwillig steht er ihnen allerdings offen, und viele machen von diesem Angebot aus freien Stücken Gebrauch.

Israelische Araber sind mehrheitlich zufrieden

Dass es der schwarzen Bevölkerung in Südafrika unter dem Apartheid-Regime nicht sonderlich gut ging, dass sie unterdrückt war und sich gesellschaftlich nicht integrieren konnte, all das muss man wohl nicht extra betonen. Wie aber ergeht es der arabischen Bevölkerung in Israel? Dieser Frage geht das unabhängige „Israel Democracy Institut“ (IDI) mittels diverser Studien regelmässig nach. In der Umfrage vom April 2017 bezeichneten 66% der israelischen Araber Israels generelle Situation als “gut” oder “sehr gut”, 57% stuften ihre persönliche Situation als „sehr gut“ oder “gut” ein, über 51% zeigten sich stolz auf ihre israelische Staatsbürgerschaft, und 58% fühlten sich dem Staat zugehörig.

Ungleichgewicht in Hebron

Wie aber sieht die Lage in Hebron aus? Zunächst ein kurzer Rückblick auf die jüdischen Wurzeln dieser Stadt im Westjordanland, die erklären, warum sie für Israel eine so tiefe Bedeutung innehat. Hebron war der Sitz der ältesten jüdischen Gemeinde der Welt. Dort erstand Abraham die Höhle Machpela als letzte Ruhestätte für seine Familie. Dort liegen, nach biblischer Überlieferung, drei Erzväter und -mütter begraben. Dort wurde David einst zum König Israels gesalbt. Zwar wurde die Stadt im Laufe der Jahrhunderte von Byzantinern, Arabern, Mameluken und Ottomanen erobert und regiert, aber Juden blieben ihr allzeit treu. Lange lebten sie denn auch friedlich mit ihren Nachbarn, bis ein von Arabern-durchgeführtes Massaker in 1929 der jüdischen Präsenz vor Ort ein gewaltsames Ende setze. Erst nach dem Sechs-Tage-Krieg in 1967 kehrten einige, wenige Juden nach Hebron zurück. Das aber wollten die ansässigen Muslime nicht tolerieren, und so kam es immer wieder zu brutalen Terroranschlägen. Die ständigen Gewaltakte zwangen in 1997 zu einer Teilung von Hebron in die palästinensische H1 Zone, die  80% der Stadt beträgt, und die H2 Zone, die die restlichen 20% abdeckt, und in der mittlerweile auch knapp 1000 Juden wohnen. H1 wird komplett von der palästinensischen Autonomiebehörde und Hamas verwaltet. H2 unterliegt der israelischen Militärkontrolle, wird aber administrativ ebenfalls von der palästinensischen Autonomiebehörde und Hamas überwacht.

In der Apartheid-Diskussion, die zumeist schwammig geführt wird und sich auf ganz Israel ausstreckt, ist H2 der springende Punkt. Israel-Gegner werfen der Regierung vor, die palästinensischen Einwohner Hebrons könnten sich nicht frei bewegen, müssten Sicherheitskontrollen vom ihrem militärischen Feind über sich ergehen lassen und wären damit der jüdischen Minderheit ausgeliefert. Dabei wird Folgendes nicht beachtet: die palästinensischen Einwohner der H2-Zone sind keine israelischen Staatangehörigen und unterliegen der Jurisdiktion der palästinensischen Autonomiebehörde und Hamas. Apartheid-Bezichtigungen an Israel sind hier also schon mal a-priori untragbar.  Zugegeben, es gibt  militärisch-gesicherte Checkpoints, die den Übergang von H1 in H2 und zurück überwachen. Allerdings können sich Palästinenser in beiden Zonen aufhalten. Juden, hingegen, haben keinen Zugang zu H1 und sind auch in H2 in ihrer Bewegungsfreiheit arg eingeschränkt. Anders ausgedrückt: Palästinenser haben Zugang zu 97% der Stadt, Juden gerade Mal zu 3%.

Der heilige Zorn gegen Checkpoints

Immer wieder wird Israel die Errichtung von Checkpoints und anderen Sicherheitsvorkehrungen vorgeworfen, obschon sie angesichts der virulenten Terroranschläge unabdingbaren Schutz bieten. Auch in Hebron sind Checkpoints den Gabriels und Alons dieser Welt ein Dorn im Auge. Mich wundert das immer, weil doch niemand sich in den Flughäfen über die routinemässig-durchgeführten Sicherheitsuntersuchungen aufregt.  Schliesslich handelt es sich auch hier um eine zuweilen erniedrigende Einmischung in die Privatsphäre, speziell wenn Körperuntersuchungen erforderlich sind. Trotzdem akzeptieren alle Passagiere die Massnahmen als notwendiges Übel. Geflissentlich wird bei dieser spezifischen Israel-Kritik auch übersehen, dass sich Einwohner aus dem Westjordanland nach dem erfolgreichen Passieren der Sicherheitskontrollen im ganzen israelischen Landesgebiet frei bewegen können; umgekehrt haben Juden dieses Privileg nicht. Gelangen sie doch irrtümlich in ein palästinensisches Gebiet, so sind sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Dieses eklatante Ungleichgewicht scheint aber weder Sigmar Gabriel noch Alon Liel zu stören. Jedenfalls äussern sie sich nicht dazu.

Alon Liel: Der Angreifer von links aussen

Über den Background von Sigmar Gabriel, seine politische Einstellung und die Motive für seine Kritik wurde ausreichend berichtet. Über Alon Liel weiss die Öffentlichkeit weniger. Er selbst sucht seinen Applaus für Gabriels Apartheid-Vorwurf mit seiner Expertise als Botschafter in Südafrika zu legimitieren. Er setzt sich damit als gesottener Apartheid-Experte und ebenso landestreuer, wie Harmonie-suchender Diplomat wirkungsgerecht in Szene. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Alon sucht die Nähe zu Israel-feindlichen Organisationen, wie Breaking the Silence, unterstützt den wirtschaftlichen und kulturellen Boykott gegen Israel und ruft UN-Mitglieder auf, einen palästinensischen Staat unilateral anzuerkennen. Dass die unilaterale Ausrufung eines solchen Staates die palästinensische Autonomiebehörde von jeglichen Konzessionen entbinden und damit klar auf Kosten Israels gehen würde, kann ihm dabei wohl nicht entgangen sein. Die Zeitschrift Jewish Press nennt Alon Liel denn auch einen der „linken Aktivisten“, der seine “ zahlreichen Attacken gegen Israel“, gerne auf „fremdem Boden“ loslässt.

Klar, sowohl Gabriel als auch Liel können Behauptungen gegen Israel aufstellen. Nur wundern sollten sie sich nicht, wenn man diese als Verleumdung entlarvt oder wenn man den einen oder anderen unter ihnen, einfach nicht ernst nimmt. „Er [Alon Liel] wird von Aussendienst-Veteranen als Leichtgewicht betrachtet“, so ein Mitarbeiter des israelischen Aussenministeriums gegenüber der Times of Israel. „Er war der Generaldirektor des Aussenministeriums, das stimmt, aber nur ein paar Monate lang. Er hinterliess kein echtes Vermächtnis, und entsprechend [irrelevant] sollte seine Meinung auch eingeschätzt werden.“

Yvette Schwerdt

Über Yvette Schwerdt

Yvette Schwerdt ist internationale Marketingexpertin und Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt und referiert regelmäßig über neue Trends und Entwicklung in ihrem Fachbereich. Besonders am Herzen liegen ihr auch die Themen Israel, jüdische Geschichte und jüdische Kultur. Yvette ist, aufgrund ihrer mehrsprachigen, multikulturellen Ausbildung und ihrer internationalen Laufbahn, in Israel, Amerika und im deutschsprachigen Raum gleichermaßen zu Hause.

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1 Kommentar

  1. Hat Alon Liel sich während seiner kurzen Zeit als Botschafter in Pretoria nur auf Partys herumgetrieben, dass er nicht in der Lage ist, Apartheid und Schutzmaßnahmen zu trennen?

    Die Umsetzung von Liels Vorstellungen würde faktisch bedeuten, dass Israelis in Hebron zum Abschuss freigegeben werden. Eine traurige und gleichzeitig erbärmliche Vorstellung, die hier ein sog. „Linker“ gibt. Aber auf der anderen Seite auch wiederum nicht weiter erstaunlich. Die reaktionäre Linke bleibt sich treu: vom Ex-Diplomaten Alon Liel über meinen Landsmann, den deutschen sozialdemokratischen Rassismusverniedlicher Sigmar Gabriel, bis zum britischen Sozialdemokraten und Faschistenfreund Jeremy Corbyn.

    Zweifelsohne gibt es auch einige dunkle Stellen auf Israels Weste während des Apartheidregimes in Südafrika, die einer näheren Untersuchung wert wären (audiatur-Red. ?!). Die genauen Ursachen dieser höchst kritikwürdigen Zusammenarbeit in einigen Bereichen sind mir nämlich immer noch ein Rätsel.

    Parallel dazu könnte man allerdings auch Nelson Mandela – dessen persönliche Verdienste um den südafrikanischen Weg zu einer Demokratie völlig unbestritten und bleibend sind – einer kritischen Würdigung unterziehen, wenn man sich z.B. seine freundschaftliche Beziehung zum Terroristenchef Arafat und ähnlichen „Größen“ vor Augen hält.

    Ein Danke an Yvette Schwerdt für die vielen erhellenden Anmerkungen zu den Hintergründen.

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