Palästinenser: Rettet uns vor den gütigen Abendländern

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Was soll man nur mit diesen Amerikanern und Europäern machen? Sie scheinen sich stets nach einem Dialog zwischen den Israelis und Palästinensern zu sehnen, der zu einem Friedensabkommen führt – doch merkwürdigerweise scheinen sie sich auch alle darüber im Klaren zu sein, dass die Palästinenser, ganz ehrlich gesagt, nicht einmal die minimalsten Anforderungen Israels erfüllen: die Beendigung der Aufhetzung und die Anerkennung Israels als jüdischen Staat. Weltweit betrachten viele Israel noch als potenziell nächsten – und 22. – arabischen Staat.

von Bassam Tawil

So schwer es auch zuzugeben ist: Die Juden haben nicht ganz Unrecht. Es gibt die berechtigte Sorge, dass es ohne eine solche Vereinbarung zwei palästinensische Staaten geben wird: das Westjordanland und Israel – eigentlich sogar drei, wenn man Gaza mitzählt.

Die Amerikaner und Europäer scheinen nicht zu merken, dass der Wunsch nach einem Staat für das jüdische Volk aufgrund seiner Geschichte auch die Voraussetzung für jede Diskussion über Jerusalem ist. Vor 1967, als halb Jerusalem von Jordanien kontrolliert wurde – eine Situation, zu der die internationale Gemeinschaft Israel zurückführen will – entfernten arabische Bewohner um die 38.000 historische jüdische Grabsteine vom Friedhof auf dem Ölberg und pflasterten damit Latrinen. [1. Auf dem Ölberg entfernten jordanische Araber 38.000 Grabsteine vom antiken Friedhof und nutzten diese als Pflastersteine für Strassen und als Baumaterial in jordanischen Heerlagern, darunter auch in Latrinen. Als Israel das Gebiet 1967 zurückgewann, wurden geöffnete Gräber gefunden, aus denen die Knochen herausgenommen und verstreut waren. Teile des Friedhofs wurden zu Parkplätzen und einer Tankstelle umgebaut, und eine asphaltierte Strasse wurde hindurch gebaut.]

Dennoch zwingen diese gütigen Amerikaner und andere Abendländer Israel dazu, sich wie ein „verantwortungsbewusster Erwachsener“ zu verhalten und einseitige Zeichen guten Willens zu geben. Sie bitten die Israelis, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen und die jüdischen Bewohner des Westjordanlands mitzunehmen. Sie scheinen schon vergessen zu haben, was vor gerade mal zehn Jahren im Gazastreifen passierte, als die Israelis schon einmal einseitigen guten Willen demonstrierten. 2005 evakuierten die Israelis einseitig jeden Meter des Gazastreifens, damit sich die Palästinenser ein eigenes Singapur errichten konnten – und das ohne Bedingungen! Im Gegenzug trafen sie auf die Hamas und einen neunjährigen Raketenkrieg. Falls irgendjemand denkt, dass sich die Israelis noch einmal darauf einlassen, dann muss er sich auf eine Überraschung einstellen.

Als Palästinenser heisse ich den humanistischen Ansatz willkommen, dass sich der Starke dem Schwachen ergeben muss; doch wenn ich die Lage ernsthaft betrachte frage ich mich, ob die Abendländer den Nahen Osten überhaupt verstehen. Während sie versuchen, eine Lösung zu finden, machen sie jeden denkbaren Fehler. Zuerst fordern sie immer neue Zugeständnisse von den Israelis, die die Sicherheit des Landes beeinträchtigen würden – und von den Palästinensern fordern sie nichts anderes als eine Stellungnahme wie „Israel hat das Recht zu existieren“.

Die Abendländer wollen Israel scheinbar einschüchtern und sie so zu Zugeständnissen bewegen. Was sie dabei offenbar vergessen ist, dass die Gebiete gemäss der Resolution 242 des UN-Sicherheitsrats unter Besatzung stehen würden, bis der Konflikt beigelegt wird. Das hört sich doch nach einem netten Boxkampf an: Du beendest den Konflikt nie, damit das Gebiet besetzt bleibt, und dann beschuldigst du die andere Seite, weil sie es besetzt! Sogar wir merken das.

Die neuste gütige Tat der Abendländer – verheerend für die Arbeitssituation der Palästinenser – ist die Kennzeichnung von Waren aus den besetzten Gebieten. Diese Anforderung wird an keine andere Besatzungsnation gestellt: nicht an Russland auf der Krim und in der Ukraine, an die Türkei auf Zypern, an Pakistan in Kaschmir oder an China in Tibet. Es ist im Grunde eine Form des BDS (Boycott, Divestment, Sanctions – Boykott, Kapitalabzug, Sanktionen), vermutlich um Israel wirtschaftlich zu zerschlagen.

Diese Abendländer bemerken nicht, dass ihre Drohungen nur Israels Wahrnehmung der Gefahr stärken und letztendlich das Gegenteil von dem bewirken, was die Europäer vorhaben. Anstatt die Israelis und Palästinenser an einen Verhandlungstisch zu bringen, stärkt dieser Schritt verständlicherweise nur Israels Entschlossenheit, sich selbst zu schützen. Doch Druck auf die Israelis auszuüben wird sie nicht dazu bewegen, kollektiven Selbstmord zu begehen. Es lässt die Israelis und Palästinenser nur noch weniger kompromissbereit werden.

Die Drohung  der Amerikaner, Israel zu einem binationalen Staat zu machen, soll Israel einschüchtern und das Land dazu führen, seine wesentlichen Interessen aufzugeben, ohne im Gegenzug etwas von den Palästinensern zu erhalten. In der Realität bestärkt dieser Entschluss nur die Entschlossenheit der Palästinenser und hält unsere Führer davon ab, auch nur den geringsten Forderungen Israels nachzugeben. Die Drohung der Amerikaner ist ein Hindernis für den Frieden.

Was die Abendländer erstaunlicherweise überhaupt nicht zu verstehen scheinen ist, dass das Ziel der aktuellen Aufhetzungen und Anschläge der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) dem Wunsch entspringt, Israel durch einen palästinensischen Staat zu ersetzen.

Sehen wir uns für eine Minute die Palästinensische Autonomiebehörde an. Im Nahen Osten kollabiert über kurz oder lang alles, was kollabieren kann – egal, wie sehr es gestützt wird. Die Israelis, die nun wirklich sehr erfahren in diesen Dingen sind, setzen dabei verständlicherweise nicht gerade auf den aktuellen Führer der PA, Mahmud Abbas. Das Todesröcheln seines Regimes wird jede Woche lauter, wie wohl selbst Abendländer sehen können. Wenn die PA nun also jederzeit ihr Verfallsdatum erreicht haben kann, wie kann man dann auch nur darüber nachdenken, die Israelis zu bitten, ihre Zukunft in Abbas‘ zitternde Hände zu legen? Wollen die Abendländer wirklich, dass die Israelis ihre Sicherheit aufgeben und dafür nur leere Versprechungen eines Regimes erhalten, das nur wenige Schritte vor dem Implodieren steht?

Leider wissen die Israelis bereits – wieder aus ihrer Geschichte – dass die Versprechen der Palästinenser zumindest bislang nichts wert sind. Ein Beispiel aus dem Abkommen von Oslo: Die Palästinenser unterzeichneten eine Vereinbarung darüber, keinen Terrorismus mehr zu nutzen, um politische Ziele voranzutreiben.

Mahmud Abbas mag der Präsident von Palästina sein, aber wen repräsentiert er? Er repräsentiert ganz sicher nicht die Palästinenser im Gazastreifen, in Israel, Jordanien, Libanon, Syrien und an jedem anderen Ort, an dem Palästinenser leben. Er repräsentiert nicht einmal die Palästinenser in seinem eigenen Westjordanland. Weite Teile der Palästinenser im Westjordanland sehen Abbas nicht mehr als ihren rechtlichen Repräsentanten an. Seine Amtszeit endete schon vor Jahren; er befindet sich nun im elften Jahr seiner vierjährigen Amtszeit. Ich kann Ihnen versprechen, Ihnen diesen Ölbaum dort zu verkaufen – aber was mache ich, wenn ich diesen Baum gar nicht verkaufen darf? Er kann niemandem etwas wahrheitsgemäss versprechen.

Die Palästinenser lehnen zudem die Rechtmässigkeit von Abbas Herrschaft ab. Sie unterstützen die Hamas. Nicht nur die, doch im Westjordanland machen die Unterstützer der Hamas ungefähr die Hälfte der Bevölkerung aus. Ihr Ziel ist es, die Palästinensische Autonomiebehörde zu zerstören – und damit auch Mahmud Abbas.

Die Israelis betrachten den palästinensischen Präsidenten daher als unheilbar krank, nur künstlich am Leben gehalten – durch die israelischen Sicherheitskräfte, Israels wirtschaftliche Unterstützung und westliche Almosen.

Obwohl er sich vollkommen auf diese Unterstützung verlässt, ist Abbas‘ Position so schwach, dass er seine Kontrahenten – die „Widerstandsfront“ und die islamistischen Terrororganisationen im Lager der Palästinenser – hofieren muss, um an der Macht zu bleiben. Daher behauptet er, ein Friedensabkommen mit Israel erreichen zu wollen und dass die „Hände der Palästinenser friedlich ausgebreitet sind“; doch gleichzeitig attackiert er Israel international bei den UN-Agenturen und beim Internationalen Gerichtshof. Inzwischen hetzen er und seine Handlanger die Palästinenser dazu auf, Israelis zu erstechen, zu überfahren oder zu erschiessen, während er die terroristischen „shaheeds“ [Märtyrer] und ihre Familien idealisiert, glorifiziert und finanziert – mit den Geldern, die er aus dem Westen erhält.

Die Hamas und der IS sagen wenigstens die Wahrheit. Sie verkünden öffentlich und wiederholt ihre Intention, „ungläubige“ Orte wie Israel oder Rom zerstören zu wollen – so wie der Islam auch den früheren Sitz des Christentums, Konstantinopel, erobert hat. Mahmud Abbas hingegen ist nur ein ängstlicher Heuchler, der die Welt erfolgreich düpiert, indem er über Frieden redet und dabei Terror anzettelt.

Falls eine islamistische Terrororganisation die Kontrolle über die Palästinensische Autonomiebehörde übernehmen sollte, wird dies das Leben für Israel immens vereinfachen. Israel wird der Welt seine Sicherheitslage erklären und den Terrorismus in den besetzten Gebieten bekämpfen können – ohne verhandeln, Zugeständnisse machen oder die Palästinenser um Anerkennung bitten zu müssen.

Es gibt einige Israelis, die sich um den möglichen Fall Mahmud Abbas‘ und eine radikalislamistische Übernahme des Westjordanlandes sorgen. Doch kein westlicher Staat wird die Gründung eines islamistischen Emirates im Westjordanland unterstützen. Die Islamisten werden die Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde töten, so wie es die Hamas 2006-2007 in Gaza machte. Und wie üblich werden nur die Palästinenser leiden. Die einzigen Personen, die sich vor dem Gedanken einer Machtübernahme der Hamas oder des IS im Westjordanland fürchten, sind Mahmud Abbas und seine Fatah-Loyalisten. Die palästinensische Führung wird kurzerhand exekutiert und ihre unrechtmässig erworbenen Gewinne konfisziert werden.

Auf der anderen Seite steht das palästinensische Volk – schon jetzt fast vollständig radikalisiert und scheinbar nicht im Geringsten darüber besorgt, unter einem islamistischen Regime der Hamas oder des IS leben zu müssen. Sie sind Moslems: Viele von ihnen denken, dass sie dadurch reiner werden.

Die Weigerung Palästinas, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, ist nicht nur eine semantische Angelegenheit, die sich mit der Zeit verändern könnte. Sie ist eine tiefsitzende Ideologie, die sich nie ändern wird; sie ist ein wesentlicher Bestandteil der militanten palästinensisch-islamistischen Ansicht, dass Juden eine religiöse Sekte sind – und kein Volk – und daher keine Souveränität, Heimat oder Nationalität verdienen.

Die Palästinenser glauben – wie andere Moslems auf der ganzen Welt – dass jedes Land, das einst vom Islam erobert wurde, Teil der waqf ist, der religiösen Stiftung des Islams, auf ewig dem Islam gehörend. Dazu gehören auch die Gebiete Palästinas und Israels, und das bedeutet, dass die Juden kein Recht haben, auch nur auf einem kleinen Flecken dieses Landes zu existieren.

Unsere Führer wissen, dass die Anerkennung des jüdischen Staates den Verzicht auf das „Recht der Rückkehr“ der palästinensischen Flüchtlinge in den Staat Israel bedeuten und sie stattdessen nur im zukünftigen palästinensischen Staat siedeln lassen würde. Dem können sie einfach nicht zustimmen.

Jeder Palästinenser weiss tief in seinem Herzen, dass wir keinen eigenen Staat neben Israel wollen, sondern lieber statt Israel. Die Palästinenser haben nicht auf das Recht auf Rückkehr verzichtet und werden dies auch nicht tun; tief in ihrem Inneren hoffen sie, dass dies zu Israels demografischem Aussterben und der Errichtung des Staates Palästina auf seinen Ruinen führen wird.

Die Juden im Nahen Osten verstehen die Dynamik der Region und die Herausforderung, einen unabhängigen, demokratischen Staat in einer Region zu erhalten, die von Chaos und vernichtenden Konflikten heimgesucht wird. Sie wissen, dass jeder, der zuerst blinzelt, als schwach angesehen wird, und dass jedes Blinzeln von den Feinden als Einladung gesehen wird.

Trotz der Drohungen des Westens scheinen die Israelis nicht besonders erschüttert zu sein. Israel hat neue grosse Märkte in Fernost erschlossen und scheint sich dort hervorragend zu schlagen. Demografisch gesehen nimmt die Zahl der Juden zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer zu.

Was unsere Führer mit dem abgelaufenen Verfallsdatum übersehen haben ist, dass uns die Israelis eine Falle gestellt haben: Sie bauen ihre Pläne auf dem Fundament unserer Unnachgiebigkeit. Unsere Führer werden nur von den falschen Hoffnungen und unrealistischen Erwartungen ermutigt, die sie durch die gütigen Abendländer erhalten.

Ihre Intentionen mögen sogar gut sein, doch sie weigern sich konsequent dagegen, einzusehen, dass unsere Führer einfach nicht den Willen, den Mut oder die Fähigkeit haben, etwas zu bewirken. Mahmud Abbas und die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde wollen die Dinge lieber so lassen, wie sie sind, anstatt von ihrem Volk dafür als Verräter denunziert zu werden, mit den Israelis am Verhandlungstisch zu sitzen.

Abbas weiss – scheinbar anders als viele europäische Führer – dass die Hamas und der Islamische Staat ihn ohne Israels Präsenz im Westjordanland zusammen mit seinen Helfern schon morgen öffentlich hinrichten würden.

Abbas will nicht zu Verhandlungen mit den Israelis zurückkehren, weil er weiss, dass er ihnen überhaupt nichts anbieten kann. Sein Hauptziel ist es nun, Israel mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft eine Lösung anzubieten. Seine favorisierte Lösung – eine Rückkehr zu den Grenzen von 1967 – wäre eine existenzielle Bedrohung für Israel. Dann wäre es zudem nur eine Frage der Zeit, bis Palästina von der Hamas oder dem Islamischen Staat übernommen werden würde.

Wir danken diesen gütigen Abendländern für all ihre guten Absichten. Doch damit verursachen sie Leid für alle und erreichen nichts. Wir wünschen uns für dieses neue Jahr, dass diese gütigen Abendländer, bitte, gütigerweise wieder damit aufhören.

Bassam Tawil via Gatestone Institute. Bassam Tawil lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten.