Der “schlimmste Zoo der Welt” ist Geschichte

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Foto VIER PFOTEN
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Bei den Bemühungen der österreichischen Organisation „Vier Pfoten“, den „schlimmsten Zoo der Welt“ in Khan Younis im Gazastreifen aufzulösen und die Tiere zu retten, wäre in letzter Minute vieles fast schiefgegangen.

Kurzfristig mussten die Pläne geändert werden wegen dem plötzlichen Schlagabtausch zwischen der Hamas in Gaza und Israel. Eine radikale Organisation aus dem Gazastreifen hatte mit einer Rakete ein Wohnhaus in der israelischen Kleinstadt Sderot getroffen. Israel reagierte mit Angriffen durch Artillerie und Kampfflugzeugen auf Stellungen der Hamas. Dabei gab es fünf leicht Verletzte.

Wegen dieser Zwischenfälle teilten die Israelis den Mitarbeitern von „Vier Pfoten“ mit, dass ihr Lastwagen mit den Tieren am Mittwoch um Punkt 6 Uhr in der Früh am Grenzübergang eintreffen müsse, um nach Israel einreisen zu können. „Ohne Strom und Licht hätten wir die Tiere in der Nacht in Käfige sperren und auf den Lastwagen laden müssen“, berichtete Teamleiterin Indra Kley per Handy aus dem Gazastreifen. „Wir mussten also diese Arbeit bei Tageslicht am Dienstag tun und dann bei den Tieren mit entsprechender Überwachung in einem Hotel übernachten.“

Die Evakuierung des Tigers Laziz gestaltete sich kompliziert. Die Grosskatze sollte betäubt werden und sofort zur Grenze fahren. Nun musste sie wegen der zusätzlichen Übernachtung im Käfig auf dem Lastwagen ohne Betäubung die Reise antreten. Auf seiner Homepage berichtete „Vier Pfoten“ über Laziz:

„Den Anfang machte Laziz, der Tiger. Es war die grösste Aufregung, denn wir können Laziz nicht narkotisieren. Er muss nämlich in Israel vor seinem langen Flug nach Südafrika medizinisch gecheckt werden und in eine neue Transportbox umziehen. Dafür ist eine Narkose-Spritze notwendig. Da es aus tiermedizinischer Sicht nicht zu empfehlen ist, ein Tier innerhalb von 48 Stunden zwei Mal zu narkotisieren, da eine Narkose für den Körper eine enorme Stressbelastung bedeutet, haben wir das Risiko genommen und uns dazu entschieden, dass Laziz selbst in seine Transportbox gehen muss. Normalerweise ist dafür monatelanges Training mit einem speziell geschulten Wildtiertrainer möglich. Bei unserem letzten Tiger-Transfer im April 2015 haben wir den ältesten Tiger monatelang im Voraus darauf vorbereitet, selbstständig in die Transportbox zu gehen. Cromwell hat dieses Kunststück nach unzähligen Trainingseinheiten am Tag X dann bravurös gemeistert. Bei Tiger Laziz war die Ausgangslage eine andere, denn Training hatte er keines absolviert. Wir waren natürlich sehr angespannt, aber ohne Grund. Als wäre es das Natürlichste auf der ganzen Welt spazierte Laziz seelenruhig in seine Transportbox und legte sich gelassen hin. Wir hatten fast den Eindruck als wüsste er, dass diese Box endlich den Ausweg aus seiner aussichtlosen Lage bedeute.“

Am Mittwoch früh telefonierte Kley erneut. Sie hätten den Grenzübergang „mit den üblichen Reibungen“ problemlos überwunden. Der Lastwagen mit den Tierkäfigen und das Team reisten zunächst zum Affen Park in Kfar Daniel nahe Modiin. Dort gibt es ein „Primate Sanctuary“, eine Zufluchtstelle für Affen. „Wir bemerkten, dass eine Äffin froher Hoffnung ist“ berichtete Kley. In dem Affenzoo sollen die fünf palästinensischen Affen aus Khan Younis, darunter das trächtige Tier bleiben. Die Fahrt geht dann weiter nach Rischon Lizion südlich von Tel Aviv. Dort wird der Tiger Laziz in einer Tierklinik ausgeladen. Er soll medizinisch versorgt und dann fachgerecht in einen Spezialkäfig gesperrt werden, um vom Ben Gurion Flugplatz aus mit einer EL AL Maschine die Reise nach Südafrika zu einem Spezialgehege für Grosskatzen anzutreten. Dann erst kann der Lastwagen nach Jordanien weiterfahren, dem Bestimmungsort der übrigen palästinensischen Tiere.

Im Gazastreifen mangelte es an Fachkräften zur Pflege der Tiere und an geeignetem Futter, sodass viele Tiere zuvor schon verdurstet, verhungert oder – nach palästinensischen Angaben – wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen verendet waren.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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