«Souveränitäts»-Demo in Bern: Ehrengäste mit antisemitischem Einschlag

0
Gedenkkundgebung der rechtsextremen Partei Mi Hazank zum 100. Jahrestag des Nazi-Kollaborateurs Miklos Horthy am 1.3.2020. Foto IMAGO / EST&OST
Gedenkkundgebung der rechtsextremen Partei Mi Hazank zum 100. Jahrestag des Nazi-Kollaborateurs Miklos Horthy am 1.3.2020. Foto IMAGO / EST&OST
Lesezeit: 7 Minuten

An eine vom Initiativkomitee «Grundrechte Ja» für Samstag, 27. April geplante Demo auf dem Bundesplatz in Bern sind zwei ausländische Organisationen aus dem rechtsextremen, antisemitischen Spektrum als «Ehrengäste» eingeladen. «Grundrechte Ja» wird angeführt von Nicolas A. Rimoldi, Präsident der Bewegung «MASS-VOLL!» und Roland Bühlmann, Präsident der «Verfassungsfreunde».

Als «Ehrengäste» wurden laut der Website «Grundrechte Ja» und online verbreiteten Flyern die rechtsradikale Partei «Mi Hazánk Mozgalom» aus Ungarn und die bulgarische rechtsextreme, pro-russische Partei «Vazrazhdane» eingeladen.

«Mi Hazánk» (Unsere Heimat) ist eine rechtsextreme politische Partei in Ungarn. Sie wurde im Jahr 2018 von László Toroczkai gegründet. Gründer und Anführer Toroczkai ist ein ehemaliger stellvertretender Jobbik-Vorsitzender, den die Partei nach einer gescheiterten Anfechtung der Parteiführung ausschloss. Bei der Gründung der neuen Bewegung nahm er kein Blatt vor den Mund und forderte ein “weisses Ungarn”.

2018 war ein Vertreter von «Mi Hazànk» gemeinsam mit anderen ultra-rechten Organisationen auf Einladung der ehemaligen rechtsextremen «Partei National Orientierter Schweizer» (PNOS) an einer Versammlung in Oensingen.

Flyer zum PNOS Anlass. Quelle Internet Archive.

Toroczkai, der unter anderem auch Journalist war, behauptete laut dem Online Magazin «Szombat» in einem Artikel für «Magyar Jelen», dass ein Mord aus dem Jahr 1998 nicht von dem dafür verurteilten Mann, sondern von jüdischen Geschäftsleuten zu rituellen Zwecken begangen worden sei, was eine antisemitische Ritualmordlegende darstellt.

Als Reaktion auf die weltweite Verurteilung der Bemühungen des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, den Vorwurf der Mitschuld am Holocaust zu kriminalisieren, sagte Toroczkai: «Es ist verdammt eintönig zu hören, dass alle schuldig sind, nur nicht die Juden.»

Die Führung von «Mi Hazank» hat eine lange Geschichte von rassistischen und antisemitischen Verhaltensweisen und Rhetorik und einige Personen hatten in der Vergangenheit Verbindungen zu Gruppen wie der inzwischen aufgelösten neonazistischen Bewegung «Pax Hungarica». Die Partei hat auch offiziell an Veranstaltungen und Demonstrationen zusammen mit Gruppen wie der ultranationalistischen «Betyarsereg» teilgenommen – einer gefährlichen militanten Organisation, die sich hauptsächlich aus ehemaligen Polizei- und Militärangehörigen zusammensetzt.

In einem Interview sagte Toroczkai, dass der jüdische Staat für die Destabilisierung von Ländern im Nahen Osten und in Nordafrika verantwortlich sei, die zuvor in der Lage waren, illegale Einwanderung nach Europa zu verhindern.

«Mi Hazánk» Anführer László Toroczkai mit Mitgliedern der ultranationalistischen «Betyarsereg» Gruppe. Foto Screenshot Youtube.

Der «Mi Hazánk» Parlamentsabgeordnete Elod Novak hat laut der NGO «Human Rights First» unter anderem den Holocaust verharmlost, die Oscar-Verleihung als den «grössten Feiertag der Juden» bezeichnet und einen Feiertag zu Ehren der ungarischen «Märtyrerhelden» gefordert, die während des Zweiten Weltkriegs an der Seite der Nazis gekämpft haben. In einem Interview mit der Times of Israel, sagte Novak: «Mi Hazank glaubt nicht, dass die Parteibewegung sich durch die Gefühle der lokalen oder der internationalen Juden beeinflussen lassen sollte. Wir sagen zwar nicht, dass wir die Juden hassen, aber ihre Gefühle sind für unser Handeln nicht wichtig.»

Der zweite vom Initiativkomitee «Grundrechte Ja» eingeladene «Ehrengast» ist die nationalistische, rechtsextreme, pro-russische Partei «Vazrazhdane» (Wiedergeburt) aus Bulgarien. Die Partei erhielt bei den letzten Parlamentswahlen 14,16 % der Stimmen und ist damit die drittgrösste Partei im bulgarischen Parlament.

Im Juli 2023 hat die Staatsanwaltschaft den Staatssicherheitsdienst und die Polizei angewiesen, eine Untersuchung wegen eines Beitrags im Telegrammkanal von «Vazrazhdane» durchzuführen. Es handelte sich dabei um eine Fotocollage, die den ehemaligen Aussenminister Salomon Passy zeigt. Er wird von Soldaten in Uniformen abgeführt, die denen von Nazideutschland ähneln. Der Text der Collage lautete: «Wenn ihr kein russisches Gas wollt, dann lasst uns euch unseres geben.»

Ende Juli 2023 hat das bulgarische Helsinki-Komitee einen offenen Brief an die Staatsanwaltschaft gesandt, in dem es den amtierenden Generalstaatsanwalt Borislav Sarafov auffordert, Massnahmen zur Auflösung der Partei «Vazrazhdane»  zu ergreifen. In dem Dokument weist das Komitee darauf hin, dass die Aktivitäten der «Vazrazhdane» Partei und ihres Anführers Kostadin Kostadinov darauf abzielen, die demokratische Rechtsordnung in Bulgarien zu zerstören.

«In zunehmendem Masse ruft «Vazrazhdane» offen zur Gewalt auf und setzt illegale Mittel ein, um seine politischen Ziele zu erreichen. Wir listen eine Reihe konkreter Fälle auf, in denen die Partei in eklatanter Weise gegen das Gesetz über politische Parteien und die Verfassung verstossen hat und «Vazrazhdane»-Aktivisten, einschliesslich ihres Führers, haben häufig Gewalt angewendet oder dazu aufgerufen», so das bulgarische Helsinki-Komitee. Die Staatsanwaltschaft lehnte allerdings im November 2023 die Auflösung der Partei ab und berief sich in ihrer Entscheidung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg.

Nicolas A. Rimoldi mit einer Fahne der bulgariischen Partei «Vazrazhdane» während einer Kundgebung in Zug am 20. April 2024. Foto Screenshot Youtube

Am 11. April 2024 erklärte der «Vazrazhdane» Parlamentarier Ivaylo Chorbov zum Krieg Israels gegen die Hamas: «Am 7. Oktober 2023 schlug die Hamas unerwartet und überraschend in Israel zu, tötete 1.160 Menschen und entführte 250. Eine Überraschung war es vor allem für westliche Diplomaten, die in ihren eigenen Stereotypen leben… Leider wurde dies (das Massaker) von den Palästinensern, die seit Jahren unterdrückt werden, als ein Akt der Vergeltung empfunden und als ein Zeichen dafür, dass es dringend notwendig ist, Israel zu kritisieren», sagte Ivaylo Chorbov in seiner Erklärung vor der Nationalversammlung.

Am 13. Oktober 2023 boykottierte «Vazrazhdane» die Abstimmung im Parlament über eine Erklärung, in welcher der «grausame, beispiellose und hinterhältige Terroranschlag der Hamas gegen unschuldige Bürger am 7. Oktober» von Bulgarien verurteilt und die sofortige Freilassung der Geiseln gefordert wurde.

Im Jahr 2021 behauptete Elena Guncheva, eine ehemalige Parlamentarierin von «Vazrazhdane», dass bulgarische Politiker jüdischer Abstammung keine Bulgaren seien und sie «Gäste auf bulgarischem Boden» seien.

Rimoldi und die neuen Führer Europas

Warum und durch wen diese zwei Parteien in die Schweiz an die «Souveränitäts»-Demo als «Ehrengäste» eingeladen wurden ist unklar. Auf mehrmalige Anfragen beim Komitee-Präsidium antwortete Nicolas A. Rimoldi, Präsident der Bewegung «MASS-VOLL!» ausweichend und ging konkret auf keine Fragen ein. Es scheint jedoch naheliegend, dass Herr Rimoldi die beiden Parteien eingeladen hat. Reiste er doch Anfang April nach Bulgarien zum sogenannten «Sofia Summit», einem Treffen europäischer nationalistischer und grösstenteils prorussischer Parteien. «Vazrazhdane» war Gastgeberin der Konferenz in Sofia, die unter dem Titel «Die neuen Führer Europas» stand.

An der Veranstaltung nahmen teil: Evangelos Tsiombanidis – Präsident AKKEL (Griechenland), Natalia Paraska – Präsidentin von Vazrazhdane (Moldawien), Ralf Dekker – Vertreter von Forum für Demokratie (Niederlande), Milan Uhrik – Leiter der Partei Republika (Slowakei), Goran Igic – Vertreter von Zavetnitsi (Serbien), János Argyelan – Vertreter von Mi Hazánk (Ungarn), Gustav Kasselstrand – Leiter von Alternative für Schweden und Nicolas Rimoldi aus der Schweiz.

Laut Rimoldi habe man sich in Bulgarien mit «vielen interessanten und erfolgreichen Persönlichkeiten» vernetzt. So traf er laut einem Eintrag auf X auch Victor Petrov. Petrov ist Mitglied der Volksversammlung von Gagausien, einer autonomen Region in Moldawien. Victor Petrov ist auch ein umtriebiger «Geschäftsmann» und unter anderem auf einer Sanktionsliste der EU.

Schweizer Parlamentarier mit Bezug zu Israel

Im Initiativkomitee von «Grundrechte Ja» sind auch einige Nationalräte die einen Bezug zu Israel oder/und der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz haben. So zum Beispiel Andreas Gafner (EDU), Lukas Reimann (SVP) oder auch Andreas Glarner (SVP). Alle drei sind Mitglieder in der Parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz – Israel. Einer distanzierte sich ganz klar vom Anlass in dieser Form und zwei gaben an, im Vorfeld nicht über die Teilnahme der ausländischen Parteien informiert oder angefragt worden zu sein. Andreas Glarner betonte, dass er sich «als aktives Mitglied der Gruppe Schweiz-Israel und grosser Freund Israels niemals für so etwas hergeben werde!».

(Update 26. April 2024, 16:00 Uhr: In einer ersten Fassung war von 3 Nationalräten die sich distanzierten die Rede. Diese Aussage war inkorrekt. Herr Andreas Gafner (EDU) hat sich nicht distanziert sondern mitgeteilt, er sein nicht in die Organisation involviert, werde auch nicht an der Kundgebung teilnehmen und beantworte auch keine Fragen zu diesem Thema. Wir entschuldigen uns für das Missverständnis.)

Die Einladung von ausländischen Organisationen aus einem rechtsextremen, antisemitischen Spektrum zu einer Demonstration in der Schweiz ist genau so besorgniserregend wie es das bei linksextremen, terrornahen Personen oder Gruppierungen ist. Es ist wichtig, dass Schweizer Politiker und die Öffentlichkeit sich von solchen Gruppen deutlich distanzieren und klare Grenzen gegenüber antisemitischen und extremistischen Ideologien setzen. Dem Anliegen der sogenannten «Souveränitäts-Initiative» erweisen die Organisatoren dieser Demo wahrscheinlich einen Bärendienst.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.