Christen – die vergessenen Opfer des arabischen Frühlings

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Katharinenkloster im Sinai. Foto Berthold Werner. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
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Mit zunehmendem Masse erkennt die Welt, dass der arabische Frühling auch seine Schattenseiten hat. Die Volksaufstände in der MENA (Middle East, Europa and North Afrika) Region führten nicht nur zu aufkommenden und fragilen Demokratien, sondern sie haben auch zuvor unterdrückte reaktionäre Kräfte entfesselt. Das Ergebnis lautet mehr jihadistische Einschüchterung, konfessionelle Konflikte und interne politische Machtkämpfe. Auch führte die Entwicklung zu einer systematischen Verfolgung einer der ältesten Minderheiten in der Region.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren 20 Prozent des Nahen Ostens christlich. Heute liegt diese Zahl bei ungefähr 5 Prozent und schwindet rasant. Der stetige Anstieg des Islamismus und reaktionärer Kräfte im Allgemeinen hat das Leben von Christen schwerer gemacht; viele haben sich entschlossen, in Länder mit einer christlichen Mehrheit zu ziehen. Der arabische Frühling hat diesen Prozess jedoch dramatisch beschleunigt und das Leben für gewöhnliche arabische Christen wird in den Ländern, die von den jüngsten Aufständen beeinflusst werden, immer schlimmer.

Der umsichtige Beobachter sollte davon nicht überrascht sein. Der Irak war insofern ein Vorläufer, als dass er aufzeigte, was im Nahen Osten geschieht, wenn ein tyrannischer Diktator gestürzt und ein Machtvakuum geschaffen wird. Im Irak waren das Aufkommen des Jihadismus, konfessionelle Konflikte und interne politische Machtkämpfe zu beobachten: drei Probleme, die oftmals miteinander verbunden sind und sich gegenseitig nähren.

Was die Christen des Landes anbelangt, war das Ergebnis eine Zunahme von Entführungen, Folter, Bombenanschlägen, Ermordungen und Zwangskonversionen. Etliche hochrangige Priester wurden entführt und enthauptet. Seit dem Sturz von Saddam Hussein sind mehr als 300‘000 irakische Christen aus dem Irak geflohen, viele ins benachbarte Syrien.

Doch die Christen in Syrien, sowie jene in Ägypten, erleiden heute ein ähnliches Schicksal.

Der britische Journalist Terry Waite, einst in Geiselhaft, reiste kürzlich in den Libanon und stellte fest, dass dies der einzige Ort im Nahen Osten sei mit einer beachtlichen christlichen Präsenz und vielleicht der einzige Ort, an dem sie sich sicher fühlen können. Viele libanesische Städte wie al-Qaa beherbergen nun syrische Christen, die der Verfolgung durch jihadistische Elemente und Assads Kräften in diesem erbitterten Bürgerkrieg entflohen sind.

Die Lage in Ägypten sieht nicht besser aus. Zu Jahresbeginn veröffentlichte Al-Qaeda eine offene Kriegserklärung gegen die ägyptischen Kopten und nun, mit einem von der Muslimbruderschaft dominierten Regime, fürchten sich die ägyptischen Kopten mehr als je zuvor. In den vergangenen zwei Jahren gab es einen stetigen Anstieg gewalttätiger Angriffe gegen Kopten und Brandanschläge auf koptische Kirchen.

Es will erscheinen, dass der arabische Ba’athismus besser für einen sozialen Zusammenhalt und die Minderheiten in der Region war, als der gegenwärtige mächtige Cocktail aus Islamismus und reaktionärem Nationalismus. Ja, Saddam Hussein war brutal, so wie Assad brutal ist; zumindest haben sie Minderheiten einen bestimmten Grad an Schutz geboten und relative Freiheit gewährt, ihre Religion auszuüben.

Die Verfolgung von arabischen Christen ist ein Phänomen, das niemand priorisieren möchte. Es passt einfach nicht fein säuberlich in den politischen Narrativ von irgendwem. Während sich die Aussenwelt auf Bewegungen von al-Qaeda nahe stehende Gruppen und das Gedränge um die ausführende politische Macht zwischen Islamisten, Nationalisten und Liberalen konzentriert, wird die Notlage der Christen im Nahen Osten weiter ignoriert.

Ghaffar Hussain ist Experte für Counter-Terrorismus und Redaktor bei The Commentator. Folge ihm bei Twitter @GhaffarH

Originalversion: Christians – The forgotten victims of the Arab Spring by Ghaffar Hussein © The Commentator. December 12, 2012.

Anmerkung von Audiatur-Online: Da der Fokus von Hussain auf der christlichen Minderheit liegt, wird der Status der Kurden in seinen Ausführungen ausgespart. Kurden, im Gegensatz zu Christen wie von Hussain beschrieben, gehör(t)en nie zu einer geschützten Minderheit, weder im Irak noch in Syrien. Von staatlicher Seite wurde versucht, gezielt die Einheit der kurdischen Gemeinde aufzubrechen (siehe dazu Kurden in Syrien: Die vergessene Minderheit von Jonathan Spyer).