Der Rechtsextremismus und der Islamismus: Eine komplizierte Liebesgeschichte

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Demonstration in Berlin am 17. Juli 2014: Beim Teilnehmer im Vordergrund ist auf dem Unterarm die von Schwingen umrahmte Zahl achtundachtzig eintätowiert, ein Nazi-Zahlencode für den Hitlergruss. Foto Von Boris Niehaus, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34607239
Demonstration in Berlin am 17. Juli 2014: Beim Teilnehmer im Vordergrund ist auf dem Unterarm die von Schwingen umrahmte Zahl achtundachtzig eintätowiert, ein Nazi-Zahlencode für den Hitlergruss. Foto Von Boris Niehaus, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34607239
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Die Europäische Rechte gilt allgemein als Gegner des politischen Islam. Dies gilt sicherlich für die meisten rechtskonservativen und populistischen Parteien. Die Situation bei den Rechtsextremen ist jedoch anders. Während Aktivisten der extremen Rechten regelmässig gewalttätig gegen muslimische Einwanderer auftreten, gibt es gleichzeitig auch eine weit verbreitete, aber wenig bekannte Affinität zum politischen Islam, der als Verbündeter gegen gemeinsame Feinde betrachtet wird.

Zwei kürzliche Ereignisse veranschaulichen dies. Erstens lobte Vona Gábor, der Chef der ungarischen rechtsextremen Partei Jobbik, im Januar 2018 den Islam als Bollwerk gegen die westliche Globalisierung und den Niedergang traditioneller Werte. Er befürwortet auch, dass die ungarische Aussenpolitik sich dem Iran annähern sollte [1. Norbert Pap and Viktor Glied, “Hungary’s Turn to the East: Jobbik and Islam,” Europe-Asia Studies 70, no. 7 (August 9, 2018): 1044–45, doi:10.1080/09668136.2018.1464126.].

Zweitens verurteilte ein deutsches Gericht im Dezember 2017 einen ISIS-Sympathisanten, weil er einen Terroranschlag auf deutsche Soldaten geplant hatte. Interessanterweise war der Möchtegernterrorist nur zwei Jahre zuvor ein Neonazi gewesen. Vor seiner Konversion zum Islam hatte er einen Artikel auf einem rechtsextremen Blog mit dem geschmacklosen Titel “Wer gegen den Islam hetzt, zischt mit der Sprache des Judentums” veröffentlicht [2. “Vom Nazi Zum Jihadisten – Das Krude Weltbild Des Sascha L.,” The German Jihad, February 27, 2017, https://germanjihad.wordpress.com/2017/02/27/vom-nazi-zum-jihadisten/.]. Ähnliche Geschichten über Neonazis, die Dschihadisten werden, gibt es in anderen Ländern.

Dies entspricht einem Muster. Die Liebesgeschichte zwischen dem europäischen Rechtsextremismus und dem Islamismus ist in der Tat kein neues Phänomen, sondern mittlerweile fast ein Jahrhundert alt.

Geschichtlicher Hintergrund 

Einer der ersten westlichen Rechtsextremen, der offen mit dem politischen Islam flirtete, war Robert Gordon-Canning, der aussenpolitische Leiter der Britischen Union der Faschisten. Als Bewunderer des Islam, der vom Westen und dem Christentum enttäuscht war, nahm er sich in den 1930er Jahren der palästinensischen Sache an und versuchte in Grossbritannien als Sprecher des Mufti zu fungieren. Er war der Pionier einer Mischung aus rechtsextremem und islamischem Antisemitismus und stellte den Zionismus als eine Verschwörung jüdischer Bankiers dar, die versuchten die Araber für ihre imperialen Interessen zu unterwerfen oder auszurotten. In einer Sprache, die jener der al-Qaida ähnelt, die ihre Feinde höhnisch “Juden-Kreuzritter-Bündnis” nennt, bezeichnete Gordon-Canning den Zionismus als “zehnten Kreuzzug” [3.Graham Macklin, “A Fascist ‘Jihad’: Captain Robert Gordon-Canning, British Fascist Antisemitism and Islam,” Holocaust Studies 15, no. 1–2 (June 1, 2009): 78–100, doi:10.1080/17504902.2009.11087231.].

Während des Zweiten Weltkriegs richtete sich die deutsche Nazi-Propaganda mit einem ständigen Strom antisemitischer und antiwestlicher Botschaften, die oft islamische Themen aufgriffen, an die islamische Welt. Einer der führenden Propagandisten, Johann von Leers, argumentierte, dass Judentum und Islam polare Gegensätze darstellten, während Islam und Nationalsozialismus durch ihren gemeinsamen Hass auf die Juden verbunden waren [4.Jeffrey Herf, Nazi Propaganda for the Arab World (New Haven, Conn.: Yale University Press, 2009), 261.].

Die europäischen Rechtsextremen der Nachkriegszeit setzten diese Tradition fort. Einer der führenden Befürworter eines Bündnisses zwischen Rechtsextremismus und dem politischen Islam war der Schweizer Holocaust-Leugner Ahmed Huber, der sowohl Neonazis als auch Islamisten ansprach. Der ursprünglich als Journalist tätige Sozialist Huber, konvertierte 1961 aus Sympathie für den arabischen Nationalismus in der Genfer Moschee der Muslimbrüder zum Islam und erkannte dabei nicht, dass das ägyptische Regime unter Nasser hart gegen die Islamisten kämpfte.

Unter der Anleitung von Johann von Leers, der Ende der 1950er Jahre zum Islam übergetreten und nach Ägypten geflohen war, übernahm Huber Leers’ Synthese von Islam und Nationalsozialismus. Huber war fasziniert vom Erfolg der islamischen Revolution im Iran 1979, welche das Versprechen bot, die drei Satane zu besiegen: Zionismus, Marxismus und “die amerikanische Lebensweise”, wie er schrieb, “die von vielen Muslimen als spezifisch “new-yorkish” und damit im Wesentlichen jüdisch wahrgenommen wird” [5.Huber, A.: Islam: Ur-Gesetz, Ur-botschaft und Ur-religion, in: Jäger, A./ Wildermuth, A.: Der unbekannte Islam, Zürich 1982].

Huber kollaborierte sowohl mit dem iranischen Regime als auch mit der Muslimbruderschaft und landete nach dem 11. September 2001 wegen Terrorsmusmusfinanzierung auf einer US-Terrorliste.

Gemeinsame Überzeugungen

Die Idee eines Bündnisses zwischen politischem Islam und der extremen Rechten wird durch gemeinsame Überzeugungen untermauert.

Um nur einige wenige zu nennen, ist zunächst einmal ein tiefgreifender und virulenter Antisemitismus von grundlegender Bedeutung für die islamistische und die rechtsextreme Weltanschauung und hilft, viele ihrer anderen Überzeugungen zu erklären.

Zweitens glauben beide Bewegungen, dass die Welt heimlich durch Verschwörungen zu ihrem Nachteil manipuliert wird.

Drittens stehen beide Bewegungen ideologisch und geopolitisch im Widerspruch zum Westen. Die deutschen Rechtsextremen zum Beispiel glaubten, dass Deutschland eher ein Opfer als ein Teil des Westens sei. Die Islamisten glauben gleichermassen, dass ihre Gesellschaften Opfer des Westens sind, der einen Krieg zur Zerstörung des Islams führt.

Darüber hinaus teilen beide Bewegungen eine ähnliche wirtschaftliche Vision. Sie lehnen sowohl den Kommunismus im sowjetischen Stil als auch das westliche Modell des Kapitalismus ab, das sie oft als jüdisch ansehen. Stattdessen plädieren sie für ein vorkapitalistisches mittelalterliches Wirtschaftsmodell, das sie als Garantie für eine gerechte oder natürliche Gesellschaftsordnung ansehen, das vermeintlich untergeordnete Minderheiten wie die Juden oder die Armenier davon ausschliesst, eine höhere Position in der Gesellschaft einzunehmen.

Zusammenfassend stellen sie zwei Modelle einer Auflehnung gegen die Moderne dar, die von ihrem religiösen und kulturellen Umfeld geprägt sind.

Die Ähnlichkeit zwischen dem westlichen Rechtsextremismus und dem Islamismus ist seit langem anerkannt. Als beispielsweise der Führer der Muslimbruderschaft Said Ramadan 1953 in die Vereinigten Staaten eingeladen wurde, beschrieb ihn ein CIA-Beobachter als “politischen Reaktionär” und “faschistischen Typ” [6.Martyn Frampton, The Muslim Brotherhood and the West: A History of Enmity and Engagement(Cambridge, Massachusetts: Belknap Press: An Imprint of Harvard University Press, 2018), 279.].

Aufkleber von der “III. Weg”, eine rechtsextreme neonazistische Partei in Deutschland. Quelle Website III. Weg

Allerdings finden wir in unserer Zeit selten Medien und Wissenschaftler, die den Islamismus als eine rechtsextreme Bewegung charakterisieren. In diesem Zusammenhang hat der israelische Wissenschaftler Seth Frantzman von einer “bewussten Bemühung gesprochen, die Politik dieser [Nahost-]Länder zu beschönigen”, um rechtsextreme nationalistische und islamistische Parteien für die Öffentlichkeit weisszuwaschen [7.Seth J. Frantzman, “Whitewashing Far-Right Parties in the Middle East,” Middle East Forum, accessed August 1, 2018, https://www.meforum.org/articles/2018/whitewashing-far-right-parties-in-the-middle-east.]. Ziemlich erfolgreich, da viele auf Seiten der politischen Linken den Islamismus nicht ausgrenzen, sondern ihn vielmehr als Verbündeten gegen eine angeblich vom Westen geführte Weltordnung – oder wie sie es nennen “Imperialismus” -umgarnen.

Fazit

Der Aufstieg des politischen Islam, des dschihadistischen Terrorismus und der Masseneinwanderung aus der islamischen Welt hat die europäische politische Landschaft in den letzten Jahren verändert. Die politische Rechte vertritt heute das Konzept eines “jüdisch-christlichen Europas”. Als Folge davonsympathisiert sie zunehmend mit Israel und lehnt Antisemitismus ab. Selbst einige ehemalige rechtsextreme Parteien, wie z.B. die schwedischen Demokraten, haben diese neue Position eingenommen, nicht zuletzt, um sich politisch durchzusetzen. Infolge dieser Entwicklung ist die Sympathie für den Islamismus heute in der politischen Linken stärker ausgeprägt als in der Rechten.

Dennoch ist die rechtsextreme Sympathie für den Islamismus noch lange nicht tot: Sie ist in Wirklichkeit voller Leben in Osteuropa, wo die alten politischen Konfigurationen intakter sind als in der westlichen Hälfte des Kontinents.

Doch trotz der gegenseitigen Anziehungskraft war der politische Islam immer eine Herausforderung für die Rechtsextremen. Während die Rechtsextremen den politischen Islam als positive Kraft betrachten, lehnen sie die Einwanderung von Muslimen nach Europa aus fremdenfeindlichen Gründen entschieden ab.

Die Unterstützung der schiitischen Version des Islamismus und damit des Iran hat immer eine elegante Lösung für dieses Problem angeboten. Schiiten stellen nur eine kleine Minderheit muslimischer Einwanderer in Europa dar und werden daher als geringere Bedrohung für die europäische Identität wahrgenommen als ihre sunnitischen Glaubensgenossen, während sich der Iran als zuverlässiger Verbündeter in ihrer Auflehnung gegen den Westen erwiesen hat.

Auf Englisch zuerst erschienen bei European Eye on Radicalization. Übersetzung Audiatur-Online.

Über Daniel Rickenbacher

Dr. Daniel Rickenbacher ist Kreitman Postdoctoral Fellow an der Ben Gurion Universität in Israel, wo er zur Geschichte des Pan-Islam während der Mandatsperiode forscht. Zuvor arbeitete er als Research Associate am Concordia Institute for Canadian Jewish Studies in Montreal und als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Strategische Studien an der Schweizer Militärakademie (MILAK) der ETH Zürich.

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1 Kommentar

  1. Da ist noch mehr: als das NSU-Trio aus Jena flüchten musste, fand es Unterschlupf beim V-Mann des Verfassungsschutzes Thomas Starke in Chemnitz. Ausgerechnet dieser wurde dann Hauptzeuge im Mykonos-Prozess, bei dem es um den Mord der Hisbollah an vier Kurden ging. Wie das? So abwegig ist das alles nicht. Für den Hisbollah-Mann ist der deutsche Nazi eine Vertrauensperson. Der Kampf gegen Israel, das verbindet. Und dies eben, so der Verdacht, mit Wissen und Duldung des Verfassungsschutzes:

    https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Das-NSU-Trio-und-die-seltsamen-Spuren-eines-V-Mannes/Ueberschneidung-zwischen-Islamismus-und-Rechtsextremen-am-Beispiel-Starke/thread-5411794/#posting_31240409

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