Die Spuren von Irans tödlichen Diplomaten in Europa

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Mohammad Ali Dschafari Kommandant der Revolutionsgarden während einer Konferenz im Februar 2018. Foto Mostafameraji, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66358353
Mohammad Ali Dschafari Kommandant der Revolutionsgarden während einer Konferenz im Februar 2018. Foto Mostafameraji, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66358353
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Seit fast 40 Jahren trachtet das iranische Regime politischen Gegnern nach dem Leben – nicht nur im Land selbst, sondern weltweit. Dieser Staatsterrorismus ist nicht zuletzt ein Ausdruck des globalen Herrschaftsanspruchs, den Teheran erhebt. Dass Europa dennoch weiterhin auf Kooperation setzt und Konsequenzen unterlässt, ist eine fortgesetzte Bankrotterklärung.

 

Jedes Jahr kommen in Villepinte bei Paris Tausende von in Exil lebenden Iranern zusammen, um gegen das iranische Regime zu demonstrieren. Auch Ende Juni dieses Jahres war das so. Rund 25.000 Menschen nahmen an der Kundgebung teil, auch der Rechtsberater von US-Präsident Donald Trump und ehemalige Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, sowie der frühere Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, machten der Veranstaltung des oppositionellen Nationalen Widerstandsrates des Iran ihre Aufwartung. Sie ist den Mächtigen in Teheran seit jeher ein Dorn im Auge – und vieles spricht dafür, dass der vereitelte Versuch, unter den Demonstranten ein Blutbad anzurichten, von ihnen initiiert wurde. Denn die Festnahmen, zu denen es im Vorfeld gekommen war, deuten genau darauf hin. Zunächst wurden in einem Vorort von Brüssel eine 33-jährige Frau und ihr 38 Jahre alter Mann iranischer Herkunft verhaftet, in deren Auto die Polizei einen Kulturbeutel mit 500 Gramm Sprengstoff und einer Zündvorrichtung fand. Diese Bombe sollte nach Angaben der Ermittler auf der Demonstration in Villepinte eingesetzt werden.

Festgenommen wurde zudem aufgrund eines europäischen Haftbefehls der belgischen Strafverfolgungsbehörden an einer bayerischen Autobahnraststätte ein Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Wien, nämlich Assadollah Assadi. Ihm wirft der deutsche Generalbundesanwalt unter anderem geheimdienstliche Agententätigkeit und Verabredung zum Mord vor. Assadi sei dringend verdächtig, das in Belgien festgenommene Paar mit dem Zünden der Bombe auf der Kundgebung der iranischen Regimekritiker beauftragt zu haben. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft ist er in der Botschaft in Österreich für das iranische Nachrichtenministerium tätig, zu dessen Aufgaben in erster Linie die intensive Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und ausserhalb des Iran gehören. Mit anderen Worten: Hier wurde ein Terroranschlag verhindert, der von einer diplomatischen Vertretung des Iran aus geplant und gelenkt worden war.

Dass das Regime nicht nur im Iran selbst, sondern auch ausserhalb des Landes Oppositionellen nach dem Leben trachtet, dass es Anschläge und Attentate plant und durchführt, ist nicht neu, aber deshalb nicht weniger ungeheuerlich. Im Juni haben die Niederlande zwei iranische Diplomaten des Landes verwiesen, nachdem einige Monate zuvor ein iranischer Aktivist in Den Haag vor seiner Haustür erschossen worden war. Im Januar gab es in Deutschland polizeiliche Hausdurchsuchungen bei zehn mutmasslichen iranischen Spionen, gegen die Haftbefehle vorlagen. Sie sollen die Botschaft des Staates Israel in Berlin und verschiedene jüdische Gemeindeeinrichtungen ausgespäht haben, darunter auch Kindergärten. Die Verdächtigen waren zuvor nach Behördenangaben zwei Monate lang observiert worden und sollen Angehörige der Quds-Eliteeinheit sein, die zu den terroristischen iranischen Revolutionsgarden gehören. Bereits im Jahr 2017 war ein Pakistaner vom Berliner Kammergericht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Er hatte den SPD-Politiker Reinhold Robbe bespitzelt, der fünf Jahre lang Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) war.

Wie der Iran politische Gegner ermorden lässt

Für die Zeitschrift des amerikanischen Combating Terrorism Center hat Matthew Levitt in einem Übersichtsbeitrag mit dem Titel «Irans tödliche Diplomaten» an die Vielzahl von versuchten und vollendeten mörderischen Aktivitäten des iranischen Regimes im Ausland erinnert. Dazu gehört beispielsweise die Ermordung des Generalsekretärs der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (PDKI), Abdulrahman Ghassemlou, des Europavertreters der PDKI, Abdullah Ghaderi-Azar, und des Vermittlers Fadil Rasoul am 13. Juli 1989 in Wien. Die drei waren von der Teheraner Führung zu Gesprächen über die Situation der Kurden im Iran in die österreichische Hauptstadt geladen worden und wurden während der Unterredung von einem iranischen Killerkommando, das den Ort des Treffens stürmte, erschossen. Die Tatverdächtigen konnten in der iranischen Botschaft untertauchen und auf Druck des iranischen Regimes schliesslich unbehelligt ausreisen. Einer von ihnen, ein hoher Funktionär der Revolutionsgarden, wurde sogar unter Polizeischutz zum Wiener Flughafen geleitet.

Levitt erwähnt auch das tödliche Attentat auf vier kurdisch-iranische Exilpolitiker – darunter Ghassemlous Nachfolger als PDKI-Generalsekretär, Sadegh Sharafkandi – am 17. September 1992 im Berliner Restaurant Mykonos. Es waren Morde, die auf das Konto des iranischen Geheimdienstes Vevak gingen. Unmittelbarer Drahtzieher dieses Verbrechens war Kazem Darabi, ein in Deutschland lebender Iraner, der die Berliner Dependance der Terrororganisation Hisbollah leitete und in Teherans Auftrag politische Gegner des Regimes in der Bundesrepublik ausspähte. Ali Fallahian, der seinerzeitige Minister für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten der Islamischen Republik Iran, hatte einen Monat vor dem Attentat in einem Fernsehinterview gesagt, man sei in der Lage, «entscheidende Schläge» gegen politische Gegner auch im Ausland durchzuführen. Er war es, der mit der Umsetzung der Morde betraut worden war, und zwar auf Geheiss des obersten Rechtsgelehrte Ali Khamenei und des damaligen Staatspräsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani.

Anders als in Wien wurden die unmittelbaren Täter vor Gericht gestellt und nach einem dreieinhalb Jahre dauernden Prozess zu teilweise lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. In den Urteilen des Berliner Kammergerichts wurde ausserdem ausdrücklich klargestellt, dass der Auftrag zu den Morden von staatlichen iranischen Stellen erteilt worden war. Durch das Ergebnis der Beweiserhebungen sei offenbar geworden, so hiess es, «dass iranische Machthaber terroristische Anschläge im Ausland nicht nur billigen und ihren Tätern unverständlicherweise Ehrungen zukommen lassen, sondern dass sie selbst solche Anschläge gegen Menschen ins Werk setzen, die ihnen allein wegen der politischen Einstellung missliebig geworden sind. Ihre politischen Gegner lassen sie um der reinen Machterhaltung willen liquidieren.» Die iranische Führung habe sich entlarvt. «In dem Mitteilungsblatt, das in seiner Diktion die abschätzige und aggressive Haltung des Iran gegenüber der kurdischen Opposition deutlich werden lässt, bekennt sie sich grundsätzlich zu terroristischen Anschlägen; sie macht deren Ausführung nur von den jeweiligen politischen Bedingungen abhängig.»

Die moralische Bankrotterklärung Europas

Dass das Regime in einzelnen Fällen seine Urheberschaft bestreitet – wie etwa nach dem vereitelten Anschlag auf die oppositionelle Demonstration in Villepinte –, steht dem nicht entgegen. Bereits im Mai 1979 verkündete Khomeinis Gefolgsmann Ayatollah Khalkhali als «religiöser Richter und Präsident des Revolutionstribunals» seine Absicht, «die Verderber auf Erden zu vernichten». Dazu zählten die «Ungläubigen» und die «Heuchler» ebenso wie die geflüchteten Regimekritiker, die dem Absolutheitsanspruch des Gottesstaates namens «Islamische Republik» ihren Widerstand entgegensetzten. Khomeini, dessen Worte im Iran bis heute als unumstösslich und unhinterfragbar angesehen werden, sagte: «Wir werden unsere Revolution in die ganze Welt hinaustragen, denn unsere Revolution ist islamisch-universal! Der Kampf wird so lange anhalten, bis der Ruf ‹Es gibt keinen Gott ausser Allah, und Mohammad ist der Prophet Gottes› in der ganzen Welt erschallt.» Dieser globale Herrschaftsanspruch des Iran ist es, der das Regime überall auf der Welt morden lässt – nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch in Argentinien, wo es 1992 und 1994 tödliche Bombenanschläge auf die israelische Botschaft respektive die jüdische Gemeinde in Buenos Aires ins Werk setzte.

Matthew Levitt berichtet von intensiven gemeinsamen Bemühungen der USA, europäischer Regierungen, Europol und Interpol, terroristischen Aktivitäten des Iran und seines Proxys, der Hisbollah, rechtlich und polizeilich zu begegnen. Dabei dürfe man jedoch nicht stehen bleiben, so Levitt. Vielmehr müsse es auch politische Massnahmen geben, etwa ein europäisches Verbot der gesamten Hisbollah als Terrororganisation und nicht nur, wie bisher, ihres militärischen Flügels. Europäische Staaten sollten ausserdem «in Erwägung ziehen, den Iran auf diplomatischer Ebene zu isolieren, solange Teheran weiterhin seine diplomatischen Privilegien missbraucht und seine Repräsentanten dafür einsetzt, Menschen auf ausländischem Boden zu ermorden». Doch trotz der staatsterroristischen Aktivitäten des Iran seit Jahrzehnten geschieht das genaue Gegenteil: Das Regime wird verharmlost, ja, umworben und muss keinerlei Konsequenzen befürchten, wie zuletzt die europäischen Reaktionen auf die Ankündigung der amerikanischen Regierung, aus dem Atomdeal von Wien auszusteigen, gezeigt haben.

Und so kann Teheran ungestört von den Europäern damit fortfahren, im Inneren politische Gegner und Homosexuelle zu ermorden, während es sich ökonomisch dank der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Europa konsolidiert und nach aussen seinen aggressiven Hegemonialkurs verschärft, weiterhin auf die atomare Vernichtung Israels setzt – und Oppositionelle zu töten versucht. Mit einem solchen Regime zu kooperieren, statt dessen Gegner zu stärken, ist eine fortgesetzte Bankrotterklärung.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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