Seit Jahren warnen Vertreter der Armee vor Angriffen durch Terrorgruppen in Syrien. Das Grenzscharmützel am Sonntag, bei dem vier Kämpfer des IS getötet wurden, war kurz und „produktiv“ – und es ist unwahrscheinlich, dass es ein neues Zeitalter einläuten wird.
von Judah Ari Gross
Ein kurzer Schusswechsel am Sonntagmorgen zwischen einer mit dem sogenannten Islamischen Staat verbundenen terroristischen Gruppe und israelischen Truppen endete mit einem Luftangriff der IDF, bei dem vier IS-Kämpfer getötet wurden. Es war das erste beachtenswerte Aufeinandertreffen der beiden Gruppen.
Experten sehen darin jedoch kein Zeichen dafür, dass sich die Dynamik in der Region grundlegend verschieben wird.
Am Sonntagmorgen gegen 8:30 Uhr überquerten Soldaten der Aufklärungseinheit der Golani-Brigade den Sicherheitszaun mit Syrien, um eine „Hinterhalt“ – Übung auszuführen. Laut eines Armeesprechers befanden sich die Soldaten auf israelischem Staatsgebiet, als sie unter Beschuss der Khalid-ibn-al-Walid-Armee gerieten, ehemals bekannt als Yarmouk-Märtyrer-Brigade.
Die Soldaten reagierten darauf mit Beschuss aus Kleinwaffen, sahen sich jedoch schnell einem Angriff mit Mörsergranaten ausgesetzt. Der Vorfall endete mit dem Beschuss eines Lastwagens, der „mit einer Art Maschinengewehr darauf“ ausgerüstet war, durch die israelische Luftwaffe. Dabei wurden die darin befindlichen vier Terroristen getötet.
„Es war ein kurzer aber produktiver Schusswechsel“, schloss IDF-Sprecher Lt. Col. Peter Lerner.
In einer Ansprache bei einem wöchentlichen Regierungstreffen kurz nach dem Vorfall versprach Premierminister Benjamin Netanyahu, dass Israel „dem IS oder anderen feindlichen Akteuren nicht erlauben wird, sich unter dem Deckmantel des Krieges in Syrien an unseren Grenzen niederzulassen“.
Doch sowohl die mit dem IS verbundene Khalid-ibn-al-Walid-Armee als auch die al-Qaida zugehörige Jabhat-Fateh-al-Sham, ehemals Al-Nusra-Front, haben sich schon vor Jahren an Israels Grenzen eingerichtet.
Trotz einer relativ lang andauernden Beziehung zu diesen Gruppen unter dem Motto „leben und leben lassen“ haben die IDF vor einem potenziellen – einige sagen unvermeidlichen – Konflikt mit ihnen gewarnt und eine Antwort auf grenzüberschreitende Angriffe vorbereitet.
Am Sonntag wurden israelische Truppen zum ersten Mal gezielt von IS-Anhängern in Israel angegriffen. Zuvor waren bereits zahlreiche Mörsergranaten in Israel eingeschlagen, von denen manche möglicherweise auch von diesen terroristischen Gruppen abgefeuert wurden. Doch die meisten von ihnen waren vermutlich keine direkten Angriffe, sondern schwappten vielmehr von den Kämpfen in Syrien herüber.
„Ich glaube, dass die Botschaft deutlich und verständlich war: Legt euch nicht mit uns an.“
Der Vorfall endete relativ schnell und ohne Verwundete auf Seiten der israelischen Streitkräfte – ein Erfolg laut Brig. Gen. (res.) Nitzan Nuriel, der im Zuge einer von The Israel Project organisierten Pressekonferenz zu Journalisten sprach.
„Ich bin froh, dass sie unmittelbar dafür bezahlt haben. Ich glaube, dass die Botschaft deutlich und verständlich war: Legt euch nicht mit uns an. Wir überschreiten die Grenze nicht. Wir handeln auf der israelischen Seite, und daher dürft ihr nicht das Feuer auf uns eröffnen. Wenn ihr es doch tut, dann werdet ihr dafür bezahlen“, so Nuriel.
Laut Nuriel, der zuvor als Einsatzoffizier im Nordkommando und als Vorsitzender des Büros für Terrorismusbekämpfung im Amt des Premierministers tätig war, dienten Einsätze wie der am Sonntag dazu, feindliche Streitkräfte davon abzuhalten, sich zu nah an der israelischen Grenze niederzulassen.
„Die israelischen Spezialeinheiten und andere Streitkräfte ergreifen von Zeit zu Zeit Massnahmen in dem Bereich, den wir „Grauzone“ nennen: dem Kessel zwischen dem Zaun und der offiziellen Grenze mit [Syrien]“, so Nuriel.
Im Allgemeinen bleiben diese Aktionen der israelischen Truppen in der Nähe der Grenze ungestört von den zahlreichen Gruppierungen, die im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, da sich diese von den IDF fernhalten und sich auf ihren eigenen Konflikt konzentrieren.
„Ich glaube nicht, dass sich jemand dazu entscheiden wird, eine neue Front gegen uns zu eröffnen. Das ist das letzte, was ISIS braucht“, fügte er hinzu und verwendete dabei eines der vielen Akronyme der Terrorgruppe.
Laut Maj. Gen. (res.) Amos Yadlin, ein ehemaliger Leiter des Militärgeheimdienstes, könnte diese Kampfhandlung auf eine Veränderung des Islamischen Staats und seiner Verbündeten hindeuten, die möglicherweise darauf aus sind, ihre Verluste auf dem Schlachtfeld mit einem Gewinn in Sachen PR wettzumachen – z. B. durch einen Angriff auf Israel.
„Wir wissen noch nicht, ob dies ein Zeichen für eine veränderte Politik von Daesh ist oder nur ein vereinzelter, ungeplanter Schusswechsel“, sagte er und verwendete dabei den arabischen Namen für den Islamischen Staat.
„Wie wir wissen, stehen sie überall unter Druck”, sagte er und bezog sich dabei auf die Offensiven gegen die Terrorgruppe in Syrien und dem Irak. „Vielleicht wollen sie also damit sagen: ‚Wir kämpfen gegen Israel, macht mit‘.“
Sowohl Yadlin als auch Nuriel betrachteten diese Erklärung jedoch als unwahrscheinlicher als die Alternative – nämlich dass es nur eine spontane Entscheidung eines rangniedrigen Befehlshabers war.
„Ich denke, dass das heute keine durchdachte Strategie war. Aber wir müssen abwarten“, sagte Yadlin, Direktor des Think Tanks „Institute for National Security Studies“.
„Ich glaube, dass die Entscheidung, das Feuer auf uns zu eröffnen, direkt vor Ort getroffen wurde. Das war nichts, was aus der höheren Führungsebene kam“, fügte Nuriel hinzu.
Yadlins Analyse basierte unter anderem auf der Art des Anschlags, der an der Grenze verübt wurde: ein kleiner Schusswechsel mit Kleinwaffen und Mörsergranaten – weit entfernt von dem Katastrophenszenario, in dem der jüdische Staat dem islamischen Staat gegenübersteht.
„Dies ist kein Worst-Case[-Szenario]. Bei Anschlägen von Daesh haben wir es normalerweise mit einem Lastwagen zu tun, der mit Sprengstoff oder Selbstmordattentätern beladen ist – und das haben wir heute Morgen nicht gesehen“, sagte er.
Auf Englisch zuerst erschienen bei The Times of Israel. Judah Ari Gross ist Militär-Korrespondent der Times of Israel.
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