Die tägliche Provokation – Martin Schulz (SPD) bei Anne Will

2
Martin Schulz auf dem SPD Bundesparteitag am 25. Juni 2017 in Dortmund. Foto Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61426459
Martin Schulz auf dem SPD Bundesparteitag am 25. Juni 2017 in Dortmund. Foto Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61426459
Lesezeit: 5 Minuten

In der ARD-Talkshow „Anne Will“ vom 16. September war auch Martin Schulz (SPD, Mitglied des Bundestages) zu Gast.

 

von Gerd Buurmann

Zum Thema Antisemitismus erklärte der ehemalige Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz am 16. September 2018 bei „Anne Will„:

„Wir müssen konsequenter werden im Alltag. Ich will Ihnen eine Erfahrung, die ich auf europäischer Ebene gemacht habe, nochmal schildern, weil ich glaube, dass man daraus für Deutschland Konsequenzen ziehen kann. Eine Strategie der extremen Rechten auch der Antisemiten ist die tägliche Provokation, jeden Tag eine. Und jeden Tag austesten, wie kann ich die rote Linien einen kleinen Schritt weiter nach vorne schieben. Das erleben wir im deutschen Bundestag jeden Tag. Und ein Stück der Strategie besteht darin, einen Verschleissprozess herzustellen. Bei der ersten Provokation reagieren noch alle, bei der zweiten Provokation auch noch, bei der dritten geht schon die Debatte los, wir können nicht jedes Mal reagieren. Bei der vierten Provokation verschleisst es sich. Bei der fünften ist die rote Linie nach vorne geschoben. Deshalb glaube ich, dass man im Bundestag, am Arbeitsplatz, im Bus, auf der Strasse, im Fussballstadion, egal wo, viel energischer werden muss, also im Alltag, als wir es sind.“

Mit diesen Worten hat Martin Schulz sich selber überführt, denn wenn es um das Verschieben der roten Linie in Sachen Antisemitismus geht, hat er eifrig auf europäischer Ebene mitgeschoben.

Am 23. Juni 2016 war Mahmud Abbas zu Gast im Parlament der Europäischen Union. Er nutzte seine Rede, um zu schauen, wie sehr er die rote Linie nach vorne verschieben konnte. Er verbreitete offen im Parlament die aus dem Mittelalter bekannte Lüge vom brunnenvergiftenden Juden. Er behauptete, es gäbe gewisse Rabbiner, die beauftragt hätten, Brunnen zu vergiften.

All das war gelogen. Es gab diese Rabbiner nicht. Juden vergiften heute so wenig die Brunnen wie im Mittelalter. Am Ende der Rede gab es dennoch stehenden Applaus vom Parlament. Am 23. Juni 2016 applaudierte sich die Europäische Union zurück ins Mittelalter.


Der Brunnenvergiftervorwurf von Abbas war eine derart offensichtliche Lüge, dass selbst Abbas sie nicht lange aufrecht erhalten konnte. Nur zwei Tage später, am 25. Juni 2016, veröffentlichte die Presseabteilung von Mahmud Abbas ein Statement, in dem eingeräumt wurde, dass es die Brunnenvergiftung nie gegeben hatte. Martin Schulz hatte die Rede vom brunnenvergiftenden Juden jedoch bereits öffentlich als inspirierend“ gelobt.

img 3940
Screenshot Twitter / Martin Schulz

So gelang es Abbas im Jahr 2016, die rote Linie erfolgreich nach vorne zu verschieben. Martin Schulz stellte sich damals nicht gegen diese Provokation, nicht am Arbeitsplatz, nicht im Bus, nicht auf der Strasse, nicht im Fussballstadion, im Gegenteil: Er lobte die antisemitische Provokation sogar als inspirierend.

Als im Mittelalter die Pest wütete und viele Christen daran starben, erhoben sie den Vorwurf der Brunnenvergiftung gegen Juden. Der Vorwurf fiel nicht zufällig auf Juden, denn lange zuvor waren in ganz Europa sogenannte Judenbilder verbreitet worden, die den sozial ausgegrenzten Juden Heimtücke, Schadenzauber und Verschwörungen gegen die Christenheit zugeschrieben hatten. Ausserdem wurden Juden aufgrund ihrer religiös verankerten Hygienevorschriften oft weniger von Epidemien getroffen als die übrige Stadtbevölkerung. Statt aber die Schuld bei sich selbst zu suchen und dem Versäumnis, sauberes Wasser zu erschliessen, verfolgten Christen Juden.

Das war das Mittelalter. Heute ist es nicht viel anders!

In Israel haben Juden ab der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eine Vielzahl moderner Wasseranlagen gebaut. Statt das zu bewundern, wird Israel heute dafür kritisiert, weil Araber keine modernen Wasseranlagen gebaut haben, ganz so als sei es die Schuld der Juden, wenn Araber heute kein sauberes Wasser erschliessen wie Christen im Mittelalter. Am 12. Februar 2014 sprach der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, vor dem israelischen Parlament diese Worte:

„Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?“

Die Zahlen von Martin Schulz waren ein Gerücht, wie er später zugeben musste. Sie entsprangen wie im Mittelalter einer langen Tradition der Verbreitung von Judenbildern, die heute Israelbilder genannt werden müssen. Alex Feuerherdt zeigt in seinem Aufsatz „Israel, die Palästinenser und das Wasser“, dass Martin Schulz‘ Ausführungen reine Lügen und Gerüchte über Juden und Israel sind und beweist zudem, dass Israel nicht nur kein Wasser gestohlen hat, sondern vielmehr Wasser verschenkt hat und zwar an Feinde, die die Vernichtung aller Juden weltweit fordern, wie die Hamas in ihrer Gründungscharta (Artikel 7).

Wenn es um Antisemitismus geht, hat Martin Schulz die rote Linie bereits selbst mehrmals nach vorne verschoben.

Die rote Linie wird immer dann nach vorne verschoben, wenn Israel für etwas kritisiert wird, dass bei allen anderen Ländern nicht kritisiert wird. Sie wird bei Lügen und Gerüchten über Israel nach vorne verschoben, jedes Mal, wenn Israel ein Apartheidsstaat genannt oder mit dem Nationalsozialismus verglichen wird. Mit jeder Aufforderung, Israel zu boykottieren, wird die Linie so sicher nach vorne verschoben wie mit der Aussage, Israel sei die grösste Gefahr für den Weltfrieden.

Für diese Verschiebungen der roten Linie braucht es aber keine Rechtsextremen. Diese Arbeit leisten leider teilweise auch Sozialdemokraten wie Martin Schulz und Sigmar Gabriel. Letzterer warf Israel sogar schon Apartheid vor und nannte einen Judenhasser stolz „meinen Freund“, wie man in dem Artikel „Sigmar Gabriel, die Apartheid und ein Lob von der Hamas“ nachlesen kann. Er war mal Aussenminister. Martin Schulz hat somit Recht, wenn er sagt: „Das erleben wir im deutschen Bundestag jeden Tag.“

Gerd Buurmann ist ein deutscher Autor, Schauspieler, Moderator und Regisseur. Zuerst erschienen bei Tapfer im Nirgendwo.

2 Kommentare

  1. Martin Schulz ist ein SPD-Politiker, der anklagend auf rechtsextreme AfD-Vertreter zeigt, dabei den rechtschaffenen Demokraten mimt, sich auf die Schulter klopft und über die Tatsache hinwegtäuscht, dass gerade er es ist, der seit Jahren ohne Hemmungen die rote Linie beständig hinausschiebt. Er erzeugt durch sein Verhalten in Bezug auf Antisemitismus und Israelhass gesellschaftlich verheerendere Auswirkungen, als die gezeigten Rechtspopulisten dies zu tun in der Lage sind (zumindest bislang). Er betätigt sich als Zündler, der andere als Brandstifter bezeichnet. Und kommt damit seit Jahren durch, begünstigt durch ein Klima, das ein solches Verhalten als „kritisch“ verharmlost.

Kommentarfunktion ist geschlossen.