Israel und der Sechs-Tage-Krieg von 1967 – Teil 1

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Verteidigungsminister Moshe Dayan, Chef des Stabes Yitzhak Rabin, General Rehavam Zeevi (R) und General Narkis in der Altstadt von Jerusalem am 07. Juni 1967. Foto Ilan Bruner, GPO. CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons.
Verteidigungsminister Moshe Dayan, Chef des Stabes Yitzhak Rabin, General Rehavam Zeevi (R) und General Narkis in der Altstadt von Jerusalem am 07. Juni 1967. Foto Ilan Bruner, GPO. CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons.
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Der Sechstagekrieg von 1967 jährt sich in diesem Juni zum 50. Mal. Dieser kürzeste aller Kriege im Nahen Osten hat die regionalen Machtverhältnisse wie kein zweiter geprägt. Alle nachfolgenden militärischen Auseinandersetzungen und Krisen, vom Yom-Kippur-Krieg 1973 bis zur Intifada, sind eine unmittelbare Folge dieser sechs intensiven Kriegstage.

Bis heute hält nicht nur die Diskussion über die politischen Auswirkungen des Sechstagekriegs an. Es wird auch heftig über den Charakter des Kriegs gestritten. Für einige Historiker bedeutet der Krieg von 1967 ein Wendepunkt in der israelischen Militärgeschichte. In dieser dreiteiligen Reihe sollen die Ursachen, der Kriegsverlauf sowie die Folgen und politischen Auswirkungen bis heute geschildert werden.

von Jérôme Lombard

„Ha-Hamtana“. „Das Warten“. So nennt die israelische Geschichtswissenschaft die kritischen Wochen von Mitte Mai bis zum Ausbruch des Kriegs am 5. Juni 1967. Am 17. Mai erreichten den israelischen Ministerpräsidenten Levi Eschkol die ersten Geheimdienstberichte über ägyptische Militärbewegungen auf der Sinai-Halbinsel. „Es ist noch völlig unklar, welche diplomatischen Überlegungen oder charakterlichen Schwächen ihn zu dieser verheerenden Entscheidung veranlasst haben“, heisst es in einem Schreiben des israelischen Aussenministeriums vom 17. Mai. Gemeint war damit nicht etwa der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser, der seinen Truppen an diesem Tag den Marschbefehl in Richtung Israels Südgrenze befahl. Das Schreiben und das darin bekundete Unverständnis bezogen sich auf den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, den aus Birma stammenden U Thant. Der hatte am 16. Mai 1967 dem wiederholten Drängen der arabischen Seite nachgegeben und erklärt, die zur Sicherung des Friedens zwischen Israel und Ägypten auf der Sinai-Halbinsel stationierten internationalen Truppen der UNEF (United Nations Emergency Force) abziehen zu lassen. Eine verheerende Entscheidung des Generalsekretärs: Israel verlor damit von dem einen auf den anderen Tag die wichtigste militärpolitische Errungenschaft seit 1956, waren doch die UNO-Truppen nach dem Suez-Krieg auf dem Sinai stationiert worden, um israelischen Schiffen die freie Passage durch die Meerenge von Tiran zu gewährleisten und die Südgrenze des jüdischen Staats dauerhaft zu sichern.

Mit dem Ende der UNEF-Mission ging der friedenssichernde Puffer, der Israel und der Region eine fast zehn Jahre anhaltende Phase relativen Friedens beschert hatte, verloren. Nasser hatte von nun an freie Hand. Und dass der ägyptische Präsident mit seinem zuvor bei den Vereinten Nationen in New York eingereichten Antrag, die Friedensmission der UNO auf seinem Staatsgebiet so schnell wie möglich zu beenden, die Vorbereitung einer militärischen Aggression gegen Israel verband, war für die Zeitgenossen offensichtlich. Der Ägypter hatte sich die Zerstörung des jüdischen Staats seit seinem Machtantritt 1954 auf die Fahnen geschrieben. Seine Rhetorik gegenüber Israel war von Antizionismus und Feindseligkeiten geprägt. Auf dem Gipfel der Arabischen Liga im Januar 1964 in Kairo hatten die arabischen Staaten unter Führung Ägyptens Israel bereits unumwunden den Krieg erklärt. In der Abschlusserklärung wurde an alle arabischen Nationen appelliert, die notwendigen militärischen Vorbereitungen für eine „endgültige Zerstörung Israels zu treffen“. Das war keineswegs blosse Rhetorik: Spätestens seit 1965 verübten von Ägypten und Syrien unterstützte palästinensische Guerillagruppierungen in regelmässigen Abständen terroristische Anschläge auf Grenzsoldaten und militärische und zivile Einrichtungen in Grenznähe. Das syrische Militär nahm immer wieder landwirtschaftliche Siedlungen in Galiläa unter Artilleriebeschuss.

Das stets präsente diplomatische Säbelrasseln hatte mit Beginn des Jahres 1967 zugenommen. Anfang Mai 1967 hatte Nasser in einer Rundfunkansprache bei Radio Kairo erklärt: „Unser grundlegendes Ziel ist die Vernichtung Israels. Das arabische Volk will kämpfen.“ In dieser Situation der omnipräsenten Vernichtungsdrohungen war mit dem Abzug der UNO-Truppen für Israel klar: Die arabische Seite bereitet einen Krieg vor, der als Vernichtungskrieg geführt werden soll. Daran wollten die arabischen Vertreter selber keinen Zweifel lassen. „Ich, als Militärmann, glaube, dass die Zeit gekommen ist, um in einen Vernichtungskampf einzutreten“, brachte es Hafez Al-Assad, der damalige Verteidigungsminister Syriens, im Mai 1967 auf den Punkt.

„Die Frage Mitte Mai 1967 war nicht ob, sondern wann ein Angriff erfolgen würde.“ 

Umzingelt von Ägypten, Syrien und Jordanien, drei hochgerüsteten Feindesstaaten in unmittelbarer Nachbarschaft, sah sich das kleine Israel im Mai einer wahrhaftig existenzbedrohenden Lage gegenüber. Auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft konnte die israelische Führung nicht hoffen. Das war mit der Entscheidung des UNO-Generalsekretärs deutlich geworden. Die Frage Mitte Mai 1967 war also nicht ob, sondern wann ein Angriff erfolgen würde. Konkret stellten sich die Israelis die Frage: Was würde Nasser als wortgewaltigster und dank der überaus guten Kontakte zur Sowjetunion militärisch stärkster arabischer Anführer als nächstes tun? Er blieb nicht lange eine Antwort schuldig. Noch am 17. Mai drangen zwei ägyptische MiG-17 Militärjets entgegen allen internationalen Rechts in den israelischen Luftraum ein. Ihr Ziel: Der Atomreaktor Dimona im Süden Israels. Der überraschende Überflug, der sehr wahrscheinlich „Aufklärungszwecken“ dienen sollte, dauerte nur wenige Sekunden. So schnell konnte die israelische Luftwaffe gar nicht reagieren. Sinn und Zweck der Aktion lagen für die israelischen Armeegeneräle auf der Hand: Nasser hatte immer wieder betont, dass die Möglichkeit einer israelischen Atombombe ein Grund für einen Angriff sein könnte. Wollte Nasser also jetzt zuschlagen, da er davon ausging, dass Dimona noch kein nuklearwaffenfähiges Material produzieren konnte?

Die Situation vom 5. - 7. Juni 1967. Foto Department of History, U.S. Military Academy
Die Situation vom 5. – 7. Juni 1967. Foto Department of History, U.S. Military Academy

Die berechtigte, israelische Angst vor einem für den Süden des Landes verheerenden ägyptischen Angriff auf Dimona war ein entscheidender Katalysator für die Zuspitzung der Situation im Verlauf des Monats Mai 1967. Die Lage verschärfte sich endgültig mit der von Nasser angeordneten Sperrung der Meerstrasse von Tiran. Eilat, Israels einziger Hafen am Roten Meer mit vitaler Bedeutung für die israelische Wirtschaft, wurde von allen Seehandelsrouten abgeschnitten. Die Aktion stellten einen klaren Bruch internationalen Rechts dar, nachdem eine Seeblockade einen kriegerischen Akt darstellt. Die UNO hatte Israel 1956 die freie Passage der Meerstrasse versichert.

„Dem Staat Israel steht wie jedem anderen Staat der Welt das Recht auf Selbstverteidigung zu“

In Zürich gingen am 2. Juni rund 2’000 Menschen auf die Strasse, um „für das Lebensrecht des Staats Israel“ zu demonstrieren“, wie es das Basler Volksblatt schrieb. Die am Ende der Demonstration gefasste Resolution verurteilte die gegen Israel gerichtete Kriegshetze und forderte die Vereinten Nationen auf, die 1956 übernommene Verpflichtung umzusetzen, die für Israel lebenswichtige freie Schifffahrt durch die Strasse von Tiran zu garantieren. In einer Rede forderte der Rechtswissenschaftler Dr. Werner Kägi, dass der Drohung der totalen Vernichtung das Lebensrecht des Staats Israel entgegengestellt werden müsse, dies sei die Pflicht der ganzen Menschheit. Dem Staat Israel stehe wie jedem anderen Staat der Welt das Recht auf Selbstverteidigung zu.


Generalsekretär U Thant verurteilte Ägyptens Aggression, ebenso wie die Regierungsvertreter westlicher Staaten, unter ihnen US-Präsident Lyndon B Johnson. Praktische Unterstützung hatten diese Solidaritätserklärungen freilich nicht zur Folge. Die US-Armee war in Vietnam gebunden, Johnson wollte sich nicht in einen weiteren militärischen Konflikt hineinziehen lassen. Israel blieb von den wichtigen Öllieferungen aus dem Iran abgeschnitten. Anfang Juni standen circa 3’000 Panzer und 810 Kampfflugzeuge zum Angriff auf den jüdischen Staat an den Grenzen des Landes bereit. Die arabischen Nachbarn hatten Israel den Krieg erklärt. Israel musste handeln.