Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel ist zwar ein Grund zum Feiern, man sollte jedoch nicht erwarten, dass die Beziehungen wieder in den Zustand der Flitterwochen zurückkehren wie in den 1990er Jahren.
von Professor Efraim Inbar
Ankara hat stets das Ausmass der Annäherung zwischen den beiden Ländern bestimmt. Israel hingegen hat als Regionalmacht stets seine Bereitschaft gezeigt, gute Beziehungen zur Türkei zu unterhalten.
Die Türkei ist eines der drei grössten Länder im Nahen Osten, liegt auf einer strategischen Brücke zwischen Europa und Asien und verfügt – nach den Vereinigten Staaten – über die zweitgrösste NATO-Militärmacht, die mit den besten US-Waffen ausgestattet ist.
Die türkische Wirtschaft gehört zu den 20 grössten der Welt und das Land verfügt über eine beeindruckende industrielle Leistungskraft. Ankara strebt eine Führungsrolle in der muslimischen Welt an, und Jerusalem möchte gute Beziehungen zu ihr unterhalten, um den religiösen Aspekt des Konflikts mit der arabischen Welt zu mildern.
Die Erneuerung der Beziehungen fällt in eine Zeit wirtschaftlicher und politischer Schwierigkeiten in der Türkei. Die Währungspolitik von Präsident Recep Tayyip Erdogan und die durch die Coronavirus-Pandemie verursachte Tourismuskrise haben eine Wirtschaftskrise ausgelöst. Ankara sah die Chance, durch eine von Israel ausgehende Gaspipeline zu einer Energiebrücke nach Europa zu werden. Die Versöhnung mit Israel, Jerusalem und die Anerkennung des Abraham-Abkommens trugen ebenfalls dazu bei, die wohlhabenden Golfstaaten zufrieden zu stellen und von ihnen finanzielle Unterstützung zu erhalten.
Darüber hinaus verringert diese neue Haltung gegenüber Israel auch die Spannungen mit den USA, die das Abraham-Abkommen vermittelt haben und unterstützen. Ausserdem steht die Regierung Biden der Türkei kritischer gegenüber als ihre Vorgängerin, und Israel – ein enger Verbündeter der USA – könnte einen Teil dieser Kritik abmildern.
Durch die Verbesserung der Beziehungen zu Israel versucht die Türkei auch, ihre Zusammenarbeit mit den Rivalen Griechenland und Zypern zu schmälern, mit denen Ankara ständige Streitigkeiten und Sicherheitsprobleme hat. Ausserdem nutzt die Türkei seit dem Bürgerkrieg und der Instabilität im Irak den Hafen von Haifa und die Passage nach Jordanien, um Waren in die arabische Welt zu exportieren.
Doch trotz der wirtschaftlichen Abhängigkeit und des Kurswechsels Ankaras dürfen wir nicht vergessen, dass die Türkei, solange der Islamist Erdogan an der Macht ist, Israel weiterhin feindselig gegenübersteht und die Terrororganisation Hamas unterstützt. Es wird auch für Israel schwierig sein, die islamistische Türkei mit ihren osmanischen Impulsen im Mittelmeerraum und im Nahen Osten zu dulden.
Efraim Inbar ist der Präsident des Jerusalem Institute for Strategy and Security (JISS). Übersetzung Audiatur-Online.
Dazu ein serbisches Sprichwort: Der Wolf ändert sein Fell, seine Seele aber nicht.
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