Es ist der Ritterschlag schlechthin: Die israelische Serie „Shtisel“ soll für ein amerikanisches Publikum adaptiert werden. Aber die Fans freuen sich erst einmal auf die neue Staffel.
von Christiane Laudage (KNA)
Das Streaming-Portal Netflix stellt am Donnerstag die dritte Staffel der israelischen Serie Shtisel online – pünktlich zum jüdischen Pessach-Fest, das an diesem Samstagabend beginnt. Die Fans haben lange darauf gewartet, denn die Serie über die streng orthodoxe Familie Shtisel aus dem Jerusalemer Vorort Geula zählt zu den heimlichen Hits auf Netflix.
Was macht den Erfolg dieser Serie aus, in der Jiddisch und Hebräisch gesprochen wird, Männer schwarz-weiss und Frauen züchtig bekleidet sind sowie Perücke tragen? Zsolt Balla, Landesrabbiner von Sachsen und Mitglied im Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), glaubt, die Serie gebe den Zuschauern die Möglichkeit, in eine Gesellschaft, die geschlossen aussieht, einzutauchen und Vorurteile zu überprüfen.
Der Dresdner Rabbiner Akiva Weingarten meint: „Der Erfolg von ‚Shtisel‘ liegt wohl daran, dass eine normale Geschichte erzählt wird. Man sieht die alltäglichen Emotionen einer Familie, und diese lebt nun mal in der orthodoxen jüdischen Welt, aber diese religiöse Welt ist nicht der Hauptfokus der Geschichte, anders als zum Beispiel bei ‚Unorthodox‘.“
Weingarten hat an der ersten Staffel von „Shtisel“ als Berater mitgewirkt. Damals gehörte er noch der streng orthodoxen Gemeinschaft an, deren Art zu leben, sprechen oder sich zu verhalten er den nicht orthodoxen Schauspielern am Filmset beibrachte. Sein Vorname Akiva, der in der Regel nur noch in streng orthodoxen Familien vergeben wird, ging dann auf die Hauptperson Akiva Shtisel über.
Die Serie „Shtisel“, bislang zwei Staffeln mit zusammen 24 Episoden, wurde erstmals 2013 in Israel ausgestrahlt und war ein sofortiger Erfolg. Das, was die von Ori Elon und Yehonatan Indursky entwickelte Serie als innovativ auswies, war, dass sie auf die üblichen Vorurteile verzichtete und sich auf das Leben in der Gemeinschaft konzentrierte.
Im Mittelpunkt steht die Familie Shtisel, dessen Oberhaupt Rabbi Shulem Shtisel seine Lieben mit harter Hand führt. Sein jüngster Sohn Akiva macht ihm Probleme, denn der Heiratsvermittler hat immer noch nicht die geeignete Frau gefunden und, statt dass er dem Beispiel dem Vater folgt und Lehrer in einer Jeschiwa wird, will er seine eigenen Begabungen verfolgen.
Akiva Shtisel ist ein sehr begabter Künstler, der seine Fähigkeiten in einer Gemeinschaft verwirklichen möchte, die sie nicht zu schätzen weiss. Der Freiraum für Individualität ist klein, man muss die Freiheiten suchen und alles immer wieder neu justieren. Für Akiva kommt es nicht in Frage, die Gemeinschaft zu verlassen. Sein Schwager Lippe Weiss hat es probiert, aus Frustration über die eng gesetzten Grenzen – doch er kommt bald wieder, weil er seine Familie vermisst.
In der ebenfalls sehr erfolgreichen Netflix-Serie „Unorthodox“ wählte die junge Etsy Shapiro den anderen Weg und verlässt die streng orthodoxe Gemeinschaft der New Yorker Satmarer, um einen Neuanfang in Berlin zu wagen. Diesen Weg ist – im wirklichen Leben – auch Weingarten gegangen, der die Satmarer verlassen hat und heute in Dresden als Rabbiner wirkt.
Rabbiner Balla warnt davor, diese Erlebnisse, wie sie in der Serie „Unorthodox“ dargestellt wurden, zu verallgemeinern. Die jüdische Welt sei in den meisten Fällen normaler und offener, als man das als Aussenstehender annehme. Er selbst sieht sich als Gegenentwurf zu „Unorthodox“, weil er, aus einer Budapester säkularen Familie stammend, heute als orthodoxer Rabbiner in Leipzig lebt.
„Unorthodox“ war in Deutschland auf Netflix ein grosser Erfolg, „Shtisel“ ist weltweit mehr ein Geheimtipp, der in den Sozialen Medien weitergegeben wird. Als es im vergangenen Dezember hiess, die Serie würde die Streaming-Plattform verlassen, brach grosser Protest aus. Netflix gab nach und veröffentlicht jetzt die dritte Staffel, die in Israel bereits im Dezember zu sehen war. Sie umfasst neun Episoden und setzt vier Jahre nach dem Ende der zweiten Staffel ein.
In Israel hat die Serie gerade rekordverdächtige 16 Nominierungen für den israelischen Fernsehpreis erhalten. Sehr gut aufgepasst hat man auch in den USA, denn nachdem erste Pläne für eine amerikanische Adaption von „Shtisel“ gescheitert sind, will nun das CBS Studio in Los Angeles dieses Projekt ernsthaft verfolgen. Fans der Serie sind gespannt.
KNA/lau/lwi
Warum war „Unorthodox“ denn ein „großer Erfolg“ in Deutschland? Na, ganz einfach: Weil diese grauenvoll schlechte Serie bestehende anti-jüdische Klischees und Stereotype verstärkt und „bestätigt“.
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