Neutralität der Schweizer Regierung im Nahostkonflikt?

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Foto Adrian Michael, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7370184
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Die Schweizer Regierung gibt vor, im als «Konflikt» verharmlosten Krieg der Hamas gegen Israel neutral zu sein. Wäre schon das höchst kritikwürdig, so sieht die Wirklichkeit sogar noch schlimmer aus.

 

Weit verbreitet ist die Ansicht, man müsse sich im «Nahostkonflikt» neutral und ausgewogen verhalten, müsse beide Seiten, also die israelische wie die palästinensische, gleichermassen kritisieren oder verurteilen. Eine solche Sichtweise geht zwangsläufig davon aus, dass sich hier zwei Kontrahenten gegenüberstehen, die gleichermassen berechtigte Interessen und Ziele haben, ähnlich verfasst sind und ihrem Gegenüber auf vergleichbar kritikwürdige Weise entgegentreten. Doch das ist falsch, denn unterschiedlicher könnten die Gegebenheiten nicht sein: Hier das demokratische Israel, ein Rechtsstaat mit verbrieften Grund- und Freiheitsrechten für die Bevölkerung, selbstverständlich auch für den 20-prozentigen Anteil arabischer Bürger. Ein Land, das seit seiner Gründung vor 70 Jahren den Kriegen und Vernichtungsdrohungen seiner Nachbarn ausgesetzt ist. Dort die islamistische, terroristische Hamas und die korrupte, längst nicht mehr demokratisch legitimierte Autonomiebehörde. Sie lehnen nicht nur den jüdischen Staat, sondern auch jegliche jüdische Präsenz in ihrem jeweiligen Gebiet radikal ab und enthalten der Bevölkerung elementare Rechte vor. Wer beide Seiten trotzdem gleichsetzt, ignoriert diese elementaren Unterschiede.

Einen eigenen Staat hätten die Palästinenser in der Geschichte dennoch mehrmals haben können, nach dem UN-Teilungsbeschluss von 1947 beispielsweise, am Ende der Verhandlungen in Camp David und Taba im Jahr 2000 oder im Zuge der Gespräche des israelischen Premierministers Ehud Olmert mit Mahmud Abbas im September 2008. Doch ihr Ziel war nie die Gründung eines palästinensischen Staates neben Israel, sondern ein Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer, also eine Kein-Staat-Israel-Lösung. Bis heute hält vor allem die Hamas daran fest. Ihr Ziel versucht sie durch Angriffe auf den jüdischen Staat zu erreichen, vor allem mit Raketen und Selbstmordattentaten. Gleichzeitig führt sie einen Propagandakrieg, in dem sie die Palästinenser als unschuldige Opfer israelischer Aggression darstellt – sei es, indem sie Reaktionen durch terroristische Akte gezielt provoziert und dann medial ausschlachtet, sei es, indem sie angebliche Vorfälle frei erfindet. Aber auch das Beharren auf dem angeblichen «Rückkehrrecht» der palästinensischen «Flüchtlinge» seitens sämtlicher palästinensischer Fraktionen dient dem Zweck, Israel den Garaus zu machen. Denn hätte das Land über fünf Millionen Palästinenser aufzunehmen, dann würden Juden im jüdischen Staat zur Minderheit. Keine israelische Regierung, gleich welcher Couleur, könnte und würde sich darauf einlassen.

Kein Protest, sondern der kriegerische Akt von Terroristen

Wenn nun, wie es seit Wochen immer wieder geschieht, Tausende Palästinenser zu einem «grossen Rückkehrmarsch» strömen, um an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel die Sperranlagen anzugreifen, Autoreifen zu verbrennen und neben palästinensischen auch Hakenkreuzfahnen zu zeigen, und wenn die israelische Armee daraufhin Massnahmen ergreift, um einen Sturm der Menschenmenge auf israelisches Territorium zu verhindern, dann handelt es sich keineswegs bloss um «Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Teilnehmern/innen des ‹Great Return March› und israelischen Sicherheitskräften», wie das Aussendepartement der Schweizer Regierung (EDA) in einer Stellungnahme glaubt. Dieser Marsch ist keine legitime Demonstration protestierender palästinensischer Bürger, gegen die Israel zu hart vorginge, sondern der kriegerische Akt eines Terrorkommandos unter Beteiligung der Hamas, das die militärische Konfrontation sucht. Deshalb geht der äquidistante Appell des EDA an «beide Seiten», zu «einer Deeskalation beizutragen», auch völlig an der Sache vorbei.

Gleiches gilt für die eindeutig und ausschliesslich an Israel gerichtete Forderung, die Menschenrechte einzuhalten, «insbesondere das Recht auf Leben», und «auf unverhältnismässigen Einsatz tödlicher Gewalt» zu verzichten. Denn diese Forderung enthält nicht nur die Unterstellung, dass die israelischen Verteidigungsstreitkräfte unrechtmässig und überzogen gehandelt haben, und damit eine Vorverurteilung; sie blendet auch vollkommen aus, worum es den vermeintlichen Demonstranten in Wahrheit geht und wer hinter ihnen steht.

Das EDA schafft es tatsächlich, in seiner Erklärung die Hamas nicht ein einziges Mal zu erwähnen, stattdessen werden die «Revitalisierung von Friedensverhandlungen», ein «gerechter und dauerhafter Frieden auf Basis einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung» und «eine inner-palästinensische Versöhnung» beschworen. Das alles, nachdem gewalttätige Palästinenser anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung Israels versucht haben, die Grenze niederzurennen und ihr angebliches Rückkehrrecht schon einmal auf eigene Faust zu exerzieren. An Frieden ist diesen Menschen gewiss nicht gelegen, sondern nur an der Zerstörung des jüdischen Staates. Wer in einem solchen Moment ernsthaft eine palästinensische Staatsgründung ins Gespräch bringt, dementiert de facto Israels Recht auf Selbstverteidigung.

Und so, wie das Aussendepartement von der Hamas nicht sprechen will, vermeidet es in der Erklärung auch das Wort «Terror». Das ist natürlich kein Zufall, sondern Absicht, schliesslich betrachtet die Schweiz die Hamas nicht als Terrororganisation, weshalb deren Handlungen grundsätzlich nicht als Terrorismus angesehen werden. Der Mitte März verabschiedete Parlamentsbeschluss, mit dem eine anders lautende Eingabe des Abgeordneten Christian Imark abgelehnt wurde, hat das noch einmal bekräftigt.

Eine Terrororganisation deren ganze Existenz auf das Ziel ausgerichtet ist den jüdischen Staat zu vernichten.

Ignazio Cassis, der Vorsteher des EDA, hatte in der Debatte gesagt: «Die Schweiz ist weltweit bekannt dafür, offene Kanäle für politische Diskussionen zu haben. Es handelt sich auch hier um einen kritischen Dialog. Die Schweiz nutzt die Kontakte mit der Hamas, um diese beispielsweise zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte aufzufordern.» Dass der besagte Dialogpartner sich um solche Bitten nicht schert, steht allerdings immer schon vor den Gesprächen fest, denn andernfalls wäre er ja nicht das, was die Schweizer Regierung und das Schweizer Parlament ihn zu nennen sich standhaft weigern: eine Terrororganisation eben, deren ganze Existenz auf das Ziel ausgerichtet ist, den jüdischen Staat, ja, Juden überhaupt zu vernichten.

Die Schweiz ist nicht neutral, sondern Partei gegen Israel

Um es klar und deutlich zu sagen: Die Hamas gehört zu den grössten Friedenshindernissen im Nahen Osten, ihre Existenz ist illegal, und solange sie nicht entwaffnet ist, ist an eine Zweistaatenlösung auch nicht zu denken.

Doch das EDA will sie über den Weg einer Einheitsregierung – diese wird erneut ins Spiel gebracht, wenn in der jüngsten Erklärung des Aussendepartements von einer «inner-palästinensischen Versöhnung» die Rede ist – sogar in eine Position noch grösserer Macht bringen. Das heisst aber auch, dass sich hinter der vermeintlichen – und schon für sich genommen völlig falschen – Äquidistanz, wie sie sich in den regelmässigen Appellen an «beide Seiten» manifestiert, in Wirklichkeit der Einsatz für eine Organisation verbirgt, die den jüdischen Staat als Todfeind betrachtet und bekämpft. So erklärt sich auch, warum beispielsweise in der Grundsatzerklärung «Konflikt im Nahen Osten: Haltung der Schweiz», die das EDA Ende November 2017 noch einmal aktualisiert hat, nahezu ausschliesslich Israel angegangen wird.

Die Hamas wird darin nicht einmal erwähnt, dafür ist umso ausführlicher von den israelischen Siedlungen, der israelischen «Besatzung» und den israelischen Sperranlagen die Rede, die sämtlich unrechtmässig und ein grosses Friedenshindernis sein sollen. Die vermeintliche Neutralität der Schweiz ist also nicht einmal eine; der Parlamentsbeschluss und die neueste Erklärung des EDA haben das unterstrichen.

Die Schweizer Regierung setzt nicht nur völlig Ungleiches gleich, sie geht sogar noch weiter und stempelt Israel zum Hauptverantwortlichen für Krieg und Krise im Nahen Osten. Dabei ignoriert sie eine einfache Tatsache: Wenn die Palästinenser die Waffen niederlegen würden, gäbe es am nächsten Tag Frieden, und sie hätten sehr bald ihren eigenen Staat. Wenn Israel die Waffen niederlegen würde, gäbe es am nächsten Tag kein Israel mehr. Die Ursache des «Nahostkonflikts» war und ist der Hass der Palästinenser auf den jüdischen Staat, den sie in keinen wie auch immer festgelegten Grenzen akzeptieren würden.

Das müsste für das EDA eigentlich handlungsleitend sein, doch stattdessen verdreht es die nahöstlichen Realitäten völlig.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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