Erinnerungen an Sand und Meer: Gush Katif 10-Jahre nach der Vertreibung

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Orna und Hodaya Giat ursprünglich aus Kfar Darom stehen neben Fotos der Gusch Katif Gemeinschaft an einer Fotoausstellung im Rahmen einer Veranstaltung in Jerusalem. Foto Tazpit
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Für die 9.000 Bewohner von Gush Katif, die während des einseitigen Rückzugs Israels aus dem südwestlichen Zipfel des Gaza-Streifens entwurzelt wurden, sind die Erinnerungen an das Leben auf diesem sandigen Küstenstreifen immer noch schmerzhaft stark.

Von Anav Silverman – Tazpit News Agency

„Ich vermisse das Meer und ich vermisse meine Heimat‟, sagt Hodaya Giat, 28, deren traurigen Augen ihre gebrochene Stimmung wiedergeben. „Ich kann mich noch erinnern, wer ich dort war, heute habe ich dieses seltsame Gefühl des Losgelöst-Seins,‟ sagt Giat bei einem Interview der Nachrichtenagentur Tazpit. „Ich bin immer noch auf der Suche nach mir selbst und meinem Platz in der Welt,‟ erklärt Giat, die einen College-Abschluss in Personalführung hat und heute als Kassiererin einem Supermarkt arbeitet.

„Meine gesamte Kindheit wurde ausgelöscht und meine Heimat zerstört,‟ sagt Giat, die mit Ihrer Familie in Kfar Darom lebte. „Und niemand unternahm etwas dagegen. Wir konnten die Zerstörung nicht aufhalten.‟

Im Anschluss an die späte Ankündigung vom damaligen Premierminister Ariel Sharon zum Plan des Rückzugs im Dezember 2003 führten die Bewohner von Gush Katif eine massive landesweite Kampagne durch, um die Vertreibung zu stoppen, die schliesslich fast zwei Jahre später, am 15. August 2005 durchgeführt wurde.

„Was ist, wenn es Ihnen selbst passiert, ich meine, dass Ihr Haus zerstört wird?‟, fragt Giat. „Wir sind einfache Leute, Menschen des Glaubens und der zionistischen Ideale. Unsere Gemeinschaft sah Ariel Sharon den Grundstein legen, den er und eine Regierung später zerstörten. Es ist so schwer zu verstehen, auch heute noch‟, sagt sie.

400 Farmen zertört
Vier Gemeinden im nördlichen Samaria wurden während des Rückzugs demontiert, dabei wurden in Gush Katif 1.900 Häuser, 400 Farmen, 88 Bild Bildungseinrichtungen, darunter Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen und 38 Synagogen zerstört.

Die Gemeinde Kfar Darom, in der Giat aufwuchs, hat eine lange Geschichte jüdischer Einwohner, die schon vor der Gründung des Staates Israel in dieser Gegend lebten. In den 1930er Jahren kaufte der jüdische Nationalfonds in dieser Gegen Land von einem Zitrusbauern mit dem Namen Tuvia Ziskind Miller. Das Gebiet wurde im Jahr 1946 besiedelt und ein Kibbuz mit dem Namen Kfar Drom, benannt nach dem jüdischen Dorf, das im Mishnah-Zeitalter hier stand, wurde errichtet. (Mehr Informationen auf der Webseite des Gush Katif und Nord Samaria-Gedächtnis-Zentrums). Im Jahr 1948 griff die ägyptische Armee den Kibbuz an und vernichtete ihn während des israelischen Unabhängigkeitskriegs. Bis zum Ende des Krieges eroberte Ägypten den Gazastreifen und kontrollierte ihn über die folgenden, fast 20 Jahre hinweg.

Nach dem Sechstagekrieg, wurde Kfar Darom 1970 als eines vieler landwirtschaftlicher Dörfer in Israel auf dem Streifen neu gegründet. „Die Sicherheitslage war nicht einfach‟, erinnert sich Giat. „Es gab viele Terroranschläge. Wir hätten in diesen schwierigen Zeiten gehen können, aber wir sind geblieben.‟

In einem der schlimmsten Angriffe, im November 2000, zielte eine palästinensische Bombe am Strassenrand auf einen Schulbus voller Kinder aus Kfar Darom, die zwei Erwachsene getötet und drei Geschwister für ihr ganzes Leben zum Krüppel machte, da sie bei diesem Angriff ihre Gliedmassen verloren. Als Reaktion darauf baute Kfar Darom seine eigene Schule innerhalb der Gemeinde.

„Es war ein besonderer Geist in Kfar Darom, trotz der Not‟, sagt Orna, die Mutter von Hodaya. „Wir bauten alles immer wieder auf und fuhren mit unserem Leben fort. Unsere Verbindung mit dem Land war so stark.‟
„Der Staat hätte gegenüber der Situation der Bewohner von Gush Katif sensibler reagieren müssen,‟ betonte Nachi Eyal, die Generaldirektorin des juristischen Forums für Israel, das eingerichtet wurde, um die Rechte der evakuierten Bewohner von Gush Katif im Zuge des Rückzugs aufrechtzuerhalten.

„Die Schäden wären viel geringer ausgefallen, wenn alle Gemeinden von Gush Katif gemeinsam umgesiedelt worden wären,‟ erklärt Eyal. „Diese Leute sind gemeinschaftsorientierte Leute, sie schöpfen Ihre Kraft aus der Gemeinschaft. Als die Bewohner von Gush Katif über ganz Israel verstreut und die langjährigen Gemeinden aufgelöst und auseinandergerissen wurden, wurden der Schmerz und die Schäden noch viel grösser,‟ sagt er.

Heute leben Hodaya Giat und ihre Familie in Shavei Darom, das bedeutet auf Hebräisch “Wiederkehrer in den Süden”, eine Gemeinde, die aus 20 Familien aus Kfar Darom besteht und sich im regionalen Bezirk von Merhavim, nordwestlich von Negev befindet.

„Ich warte immer noch darauf, einmal zurückzukehren,‟ sagt Hodaya Giat. Auch zehn Jahre nach dem Rückzug leben sie und ihre Famile, wie unzählige andere Familien aus Gush Katif, noch in provisorischen Wohneinheiten, die auch Caravillas genannt werden. „Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir eines Tages an die Strände, in unsere Häuser zurückkehren können.‟

Aber ihre Mutter denkt da anders. „Ich habe nicht die Kraft, zurückzugehen, auch wenn die Möglichkeit besteht,‟ sagt Orna Giat. „Während unserer Zeit in Gush Katif haben wir dem Land alles gegeben. Ich überlasse diese Hoffnung auf Rückkehr der nächsten Generation.‟