Was geschieht mit Palästinensern die ein besseres Leben fordern?

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Mohammed Safi. Foto Facebook / Rasef22
Mohammed Safi. Foto Facebook / Rasef22
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Der 27-Jährige Mohammed Safi ist das jüngste Opfer der Hamas, einer palästinensisch islamistischen Bewegung, die seit 2007 den Gazastreifen kontrolliert.

 

von Khaled Abu Toameh

Während die Wähler in Israel zu den Wahlurnen gingen um ein neues Parlament zu wählen, wurde berichtet, dass Safi, der aus der Stadt Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen stammt, während seiner Haft in einem Hamas-Gefängnis sein Augenlicht verloren haben soll. Sein Verbrechen: die Teilnahme an Demonstrationen, die ein Ende der Wirtschaftskrise im Gazastreifen fordern und sich gegen neue Steuern der Hamas-Herrscher aussprechen.

Die Proteste fanden unter dem Motto „Wir wollen leben!“ statt und waren die ersten Anti-Hamas-Demonstrationen ihrer Art seit vielen Jahren. Tausende von Palästinensern im Gazastreifen gingen während der Proteste auf die Strasse und forderten Lösungen für ihren schrecklichen wirtschaftlichen Schlamassel, einschliesslich der steigenden Arbeitslosigkeit und der explodierenden Lebenshaltungskosten.

Safi gehörte zu den Palästinensern die beschlossen, dass sie genug von dem brutalen und korrupten Regime der Hamas hatten. Wie die meisten Männer in seinem Alter wollte er, dass seine Hamas-Führer etwas tun, damit sich ihre Lebensbedingungen verbessern. Sie wollten ein Ende von Unterdrückung und Diktatur. Sie wollten das ihre Führer ihnen Hoffnung geben, anstatt sie dazu zu zwingen, Raketen auf Israel zu feuern und gewaltsam an der Grenze zwischen Gaza und Israel zu demonstrieren.

Es scheint jetzt, dass Safi buchstäblich nie sehen wird, wie die Hamas von der Macht entfernt wird. Er wird auch eine Verbesserung der Lebensbedingungen und der Wirtschaft im Gazastreifen buchstäblich nie sehen.

Laut Safis Familie ist er inzwischen blind. Er habe sein Augenlicht während der Folter verloren, als er von Sicherheitskräften der Hamas festgehalten wurde, weil er mit Menschen sprach die sich auf der Strasse versammelt hatten, um gegen die wirtschaftliche Not zu protestieren. Die meisten Demonstranten berichteten, dass sie von den Sicherheitskräften der Hamas auf brutalste Weise angegriffen worden seien. Einige beklagten, dass Hamas-Sicherheitskräfte ihnen Arme und Beine gebrochen hätten. Selbst hochrangige Fatah-Beamte wie Atef Abu Seif fielen der gewaltsamen Unterdrückung friedlicher Demonstranten, die nach Arbeitsmöglichkeiten und einem besseren Leben suchen, durch die Hamas zum Opfer.

Der Preis den Safi zahlte war jedoch wahrscheinlich der höchste. Seine Familie sagt, dass er mindestens fünfmal von Hamas-Sicherheitskräften wegen des Verdachts der Teilnahme an den wirtschaftlichen Protesten Mitte März im Gazastreifen verhört wurde.

Wie sein Bruder Ahmed sagte, hatte Safi bereits an einer neurologischen Krankheit gelitten, die eines seiner Augen betraf. „Als ihn die Sicherheitskräfte der Hamas mitnahmen“, sagte Ahmed, „erklärten wir ihnen, dass er sich einer Operation an einem seiner Augen unterziehen müsse. Die Offiziere ignorierten uns. Sie kümmerten sich nicht um seinen Gesundheitszustand. Während des Verhörs beschwerte sich Safi das er mit einem Auge nicht sehen konnte. Daraufhin schlug ihm der Vernehmer dreimal von hinten gegen den Kopf und sagte ihm: ‚Das ist dafür, damit du überhaupt nicht mehr sehen kannst.‘ Nach dem Verlust des Sehvermögens liegt mein Bruder jetzt im Krankenhaus.“

Von seinem Krankenhausbett aus, wo Ärzte versuchen, Möglichkeiten zur Wiederherstellung seines Sehvermögens zu finden, bestätigte Safi, dass er seinen Vernehmer über seinen Gesundheitszustand gewarnt hatte, jedoch erfolglos. „Ich habe nur eine Bitte an alle, die ein Gewissen haben, an alle, die sich sorgen. Ich möchte wieder sehen. Das ist alles.“ so Safi.

Eine Menschenrechtsgruppe im Gazastreifen, das so genannte Journalistenforum für Menschenrechte, machte die Sicherheitskräfte der Hamas uneingeschränkt für die Tragödie verantwortlich und forderte eine umfassende Untersuchung. Die Gruppe forderte auch, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und verurteilte den Vorfall als „humanitäres, moralisches und nationales Verbrechen“.

Safis Freunde und mehrere Jugendaktivisten aus dem Gazastreifen, die sich in der Nähe seines Krankenhausbettes versammelt hatten, zeigten sich empört über die Art und Weise, wie er während seiner Inhaftierung durch die Hamas-Sicherheitskräfte behandelt wurde.

„Wie viele Palästinenser im Gazastreifen hat auch Mohammed Safi, der hier im Shifa Hospital liegt, keine Medienorganisationen, die ihn unterstützen“, sagte einer der Jugendaktivisten, Rami Aman. „Er und viele Palästinenser haben keine Unterstützung von Organisationen. Mohammed ist jetzt blind wegen der Übergriffe von Mitgliedern der Sicherheitskräfte der Hamas.“

Der Fall Safi erinnert daran, dass die Palästinenser, die unter der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland und der Hamas im Gazastreifen leben, weiterhin unter Unterdrückung, Korruption und einer schlechten Regierung leiden. Die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas tolerieren keine Kritik. Sie verhaften fast täglich politische Gegner. Diese werfen sie ins Gefängnis und setzen sie in vielen Fällen körperlichen und psychischen Folterungen aus.

Safi hat Glück am Leben zu sein, auch wenn er jetzt blind ist. Er hätte leicht tot aufgefunden werden können. Das geschieht mit Palästinensern, die es wagen, sich zu erheben und sich gegen ihre Führer auszusprechen.

Kein Platz für Stimmen die eine Verbesserung fordern

Inzwischen hat Israel seine fünfte Wahl seit den letzten „letzten“ palästinensischen Wahlen abgehalten. Das letzte Mal, dass die Palästinenser eine Wahl abhielten, war im Januar 2006. Damals war es eine Parlamentswahl die zu einem Sieg der Hamas führte. Seitdem kämpfen die Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas gegeneinander und verweigern ihrem Volk die Chance, freie und faire Wahlen abzuhalten. Es gibt keinen Platz für Demokratie oder freie Wahlen unter der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas. Es gibt auch keinen Platz für Stimmen, die eine Verbesserung der Lebensbedingungen und der Arbeitsmöglichkeiten fordern.

Safi forderte nicht einmal neue Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen. Nach Angaben seiner Familie und Freunde gehört er nicht einmal einer politischen Gruppe an. Er versuchte lediglich zu verdeutlichen, dass die Palästinenser im Gazastreifen unter einem brutalen islamistischen Regime leben, das ihnen nichts als Terror angeboten hat – gerichtet gegen Israel und gegen sich selbst. Er wollte das die Welt weiss, dass die palästinensischen Führer den Druck auf der palästinensischen Strasse in Richtung Israel umleiten.

Hätte Safi sich auf den Weg zur Grenze gemacht, um Bomben und Steine auf israelische Soldaten zu werfen und im Rahmen des von der Hamas gesponserten „Grossen Rückkehrmarsches“ Branddrachen zu starten, wäre er von seinen Hamasführern als Held gefeiert worden.

Safi entschied sich einfach die Wahrheit zu verkünden und das Elend der Palästinenser im Gazastreifen dorthin zu bringen, wo es hingehört: vor die Füsse der Hamas. Er bezahlte teuer für diese Entscheidung. Die Hamas-Führung kann nun in ihrem Dschihad gegen Israel eine weitere „Errungenschaft“ verbuchen: Sie haben es geschafft, einen klugen und mutigen jungen Mann in einen blinden und behinderten Mann zu verwandeln.

Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung Audiatur-Online.