Palästina – Unzufriedenheit überwiegt

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Die neusten Umfrageergebnisse des Palestinian Center for Policy and Survey Research (PSR) zeigen vor allem eins – Unzufriedenheit mit den Politikern und Skepsis gegenüber der eigenen Zukunft. Diese Umfrage wurde zwischen dem 28. – 30. März simultan in zufälligen Orten im Westjordanland, Ostjerusalem und im Gazastreifen durchgeführt, wo 270 Mitarbeiter 1‘270 Personen befragten. PSR verfügt über ein grosses Mitarbeiterteam, das im Gazastreifen tätig ist und dort laut Aussage von PSR Umfragen durchführen kann, ohne Einmischung der örtlichen Regierung. Die Letzte Umfrage von PSR fand im Dezember 2012 statt. Seither wurde eine neue israelische Regierung gebildet und US-Präsident Barack Obama war auf Staatsbesuch in Israel und den palästinensischen Gebieten.

Nachfolgend eine Zusammenfassung ausgewählter Resultate aus allen Themenblöcken:

Präsidenten und Nationalwahlen:

  • Wenn heute Präsidentenwahlen stattfinden würden und es gäbe nur zwei Kandidaten, erhielte Mahmud Abbas (Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde PA) 52% und Ismail Haniye (Hamas-Ministerpräsident in Gaza) 41% der Stimmen. Gemäss der letzten Umfrageergebnisse vor drei Monaten erhielte Abbas die Unterstützung von 45% und Haniye von 48%. Gäbe es drei Kandidaten für das Amt des Präsidenten – Mahmud Abbas, Ismail Haniye und Marwan Barghouti – erhielte Barghouti 38%, Haniyeh 31% und Abbas 26% der Stimmen.
  • Wenn neue Nationalwahlen stattfinden würden, sähe die Stimmabgabe zugunsten der Hamas und der Fatah wie folgt aus: Laut Umfrage erhielte die Hamas im Gazastreifen 33% und im Westjordanland 27% der Stimmen; und die Fatah erhielte im Gazastreifen 42% und im Westjordanland 40% der Stimmen. Das Ergebnis deutet auf einen Anstieg der Beliebtheit der Fatah hin, bei den Umfrageergebnissen vom Dezember 2012 lag diese bei durchschnittlich 36%. Im Gegensatz sank die Beliebtheit der Hamas um sechs Prozent im Westjordanland und Gazastreifen zusammengenommen.

Versöhnung:

  • Der Optimismus hinsichtlich der Möglichkeit auf politische Vereinigung des Westjordanlandes und des Gazastreifens sinkt drastisch von 39% auf 18%. Ferner verstärkte sich der Glaube, dass eine Einheit unmöglich ist und dass zwei separate Entitäten entstehen werden, glauben nun mehr 33% im Gegensatz zu 18% im Dezember.
  • Die Teilnehmer der Umfrage wurden nach den Bedingungen gefragt, unter denen ihrer Meinung nach eine Versöhnung zwischen Fatah und Hamas möglich sei. Unter den verschiedenen Bedingungen sagten 61% der Befragten, dass eine Versöhnung nicht erfolgreich sein werde, wenn die Hamas weiterhin die Abkommen, welche die PLO mit Israel unterzeichnet hat, ablehne; 58% sagten, dass eine Versöhnung nicht erfolgreich sein werde, wenn die PA weiterhin Israel und die Osloer Abkommen anerkenne; 49% sagten, dass die Versöhnung nicht erfolgreich sein werde, solange die Hamas darauf bestehe, ihren bewaffneten Flügel Al-Qassam Brigaden im Gazastreifen zu behalten.

Innerpalästinensische Bedingungen:

  • Die Wahrnehmung von Korruption in PA-Einrichtungen im Westjordanland liegt bei 78%, im Vergleich zu 74% im Dezember. Die Wahrnehmung von Korruption in den öffentlichen Einrichtungen der Hamas Regierung in Gaza liegt bei 64% verglichen mit 53% im Dezember.
  • 33% der palästinensischen Öffentlichkeit sagten, dass Menschen im Westjordanland ohne Angst die Behörden kritisieren könnten; dagegen sagten nur 25%, dass Menschen in Gaza ohne Angst die Behörden in Gaza kritisieren könnten.
  • Die Zufriedenheit mit der Leistung von Präsident Mahmud Abbas sinkt von 54% auf 49%.

Der Friedensprozess:

  • 55% der Befragten unterstützen eine Zweistaatenlösung, die auf der Gründung eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel basiert, und 44% lehnen dies ab. 56% glauben aber, dass die Zweistaatenlösung wegen des Siedlungsausbaus nicht länger umsetzbar ist, während 41% glauben, dass sie weiterhin umsetzbar ist. Ferner glauben 68% der Befragten, dass die Chancen für die Gründung eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel während der nächsten fünf Jahre niedrig oder nicht-existent sind, während 31% glauben, dass die Chancen mittel oder hoch sind.
  • Nichtsdestotrotz unterstützen nur 29% eine Einstaatenlösung, die auf Gleichheit für Araber und Juden basiert, und 70% lehnen diesen Vorschlag ab.
  • 59% glauben, dass Israels langfristiges Ziel die Erweiterung seiner Grenzen ist, die alle Gebiete zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer umfassen, und die Vertreibung der palästinensische Bevölkerung; 21% glauben, dass es Israels Ziel ist, alle besetzten Gebiete zu annektieren und den Palästinensern ihre politischen Rechte zu verweigern; 18% glauben, dass Israels langfristige Bestrebung der Rückzug aus allen oder Teilen der von 1967 besetzten Gebieten ist, nachdem seine Sicherheit gewährleistet ist.
  • Was sind die langfristigen Ziele der PLO und der PA? 64% der befragten glauben, sie wollten alle oder einige der palästinensischen Gebiete wiedererhalten, die 1967 besetzt wurden; 15% sagten, das Ziel sei Israel zu besiegen und die Gebiete von 1948 wiederzuerhalten und 11% meinten, es sei das Ziel von der PLO und der PA, Israel zu besiegen und seine jüdische Bevölkerung zu zerstören.
  • 55% unterstützen die saudische (arabische) Friedensinitiative, aber nur 42% unterstützen die gegenseitige Anerkennung Israels als Staat für das jüdische Volk und Palästina als Staat für das palästinensische Volk, während 56% dagegen sind.
  • 63% unterstützen einen Rückgriff auf gewaltlosen Volkswiderstand und 71% glauben, dass die Schaffung von Tatsachen vor Ort wie Zeltaufschlag in Zone-C, ein effektives Mittel ist, dem Siedlungsbau entgegenzutreten und das Land, das von Siedlern bedroht wird, zu beschützen, während 26% das nicht glauben.
  • Dagegen unterstützen 40% eine Rückkehr zu einer bewaffneten Intifada und ebenfalls 40% unterstützen die Auflösung der PA.

Obamas Besuch:

  • Nach Obamas Besuch in Israel und den palästinischen Gebieten glaubt die Mehrheit (55%), dass die US-Regierung den Friedensprozess wiederbeleben und beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückbringen kann; und 42% glauben, dass die USA dieses Ziel erreichen werden.
  • Trotz der Ankündigung der USA, dass sie 500 Mio US$ an die PA auslösen wird, glaubt die grosse Mehrheit (71%) nicht, dass dieses Finanzhilfe die Finanzkrise der PA beenden wird. Dennoch glauben 62%, dass die PA nun davor abgeschreckt sein wird, Israel auf internationaler Ebene anzugreifen, beispielsweise im internationalen Gerichtshof, weil sie zu sehr auf die US-Finanzhilfe angewiesen ist.
  • Diese Umfrage wurde zwischen dem 28. – 30. März 2013 durchgeführt. Insgesamt wurden 1‘270 Erwachsende persönlich an zufälligen Orten interviewt. Die Fehlertoleranz beträgt 3%.

Zusammenfassung der Originalversion: Palestinian Public Opinion Poll No (47) © Palestinian Center for Policy and Survey Research, 10 April 2013.

2 Kommentare

  1. Die interessantesten Fakten sind die Unzufriedenheit mit der eigenen Führung und das extrem hohe Vertrauen in gewaltlose Widerstandsmethoden.
    "63% unterstützen einen Rückgriff auf gewaltlosen Volkswiderstand und 71% glauben, dass die Schaffung von Tatsachen vor Ort wie Zeltaufschlag in Zone-C, ein effektives Mittel ist,..".

    Fazit: Wir stehen vor einer Intifada 3.

    Als Buch zum Film kann ich empfehlen:
    "Why Civil Resistance Works: The Strategic Logic of Nonviolent Conflict" von Erica Chenoweth und Maria Stephan
    Sie bieten den statistischen Nachweis, dass gewaltloser Widerstand im Gegensatz zu Terror sehr effektiv ist.

    Werner T. Meyer

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