Abtreibung ja oder nein – Die Organisation „Efrat“ und die jüdische Perspektive

0
Foto Screenshot Facebook / Efrat
Foto Screenshot Facebook / Efrat
Lesezeit: 13 Minuten

Die Organistaion „Efrat“ wurde von dem Holocaust-Überlebenden Herschel Feigenbaum in den 1950er Jahren mit dem Ziel gegründet, nach dem Mord an 1,5 Millionen jüdischen Kindern in der Shoah sich für die Rettung von jüdischem Kinderleben einzusetzen. Dr. Eli Schussheim begann 1977 mit einer Gruppe freiwilliger Mitarbeiter Feigenbaums Vorhaben in die Tat umzusetzen. Durch umfangreiche Informationen über Alternativen zum Schwangerschaftsabbruch wurden in den vergangenen 40 Jahren 64’000 Babys gerettet.

Die Organisation gibt tausenden von Frauen emotionale, finanzielle und mentale Unterstützung. Sowohl Lebensmittel, wie auch Kinderkleider und Spielzeuge werden angeboten und den Frauen ausgehändigt, um Ihnen eine Perspektive für ein Leben mit ihrem Kind zu geben.

Audiatur-Online hat sich mit der Leiterin der Fürsorgeabteilung von Efrat, Frau Ruth Tidhar, mit dem Efrat-Arzt, Dr. Eli Schussheim und mit dem aschkenasischen Oberrabbiner von Jerusalem Rabbiner Stern, unterhalten.

Audiatur-Online: Was ist Efrat? 

Ruth Tidhar: Efrat ist eine jüdische Organisation, welche das Leben ungeborener Kinder erhalten möchte. So definieren wir uns. Konkret heisst das, dass wir schwangere Frauen, die in finanzielle Notlage geraten sind und deshalb ihr Kind abtreiben wollen, so unterstützen, dass sie sich letztendlich dazu entscheiden können, das Kind trotzdem auszutragen.

Wir unterstützen die Frauen emotional und finanziell, indem wir ihnen Babyartikel geben. Sie bekommen ein Babybett, Kinderwagen, Kinderwanne, Kleider, Spiele, Rasseln und Windeln für die ersten 2 Jahre. Nach Bedarf erhalten sie auch Nahrungsmittel.

Wie gehen sie dabei vor ?

Zunächst wird die Frau einer Freiwilligen zugewiesen, die ihr zuhört, auf ihre Not eingeht und sie begleitet. Dann wird sie über das oben genannte Angebot von Efrat informiert.

Wir erwähnen dabei auch, dass es Frauen gibt, die ihre Entscheidung für einen Abort hinterher bereuten. Es ist uns wichtig, dass die Frauen, wie immer sie sich entscheiden, sich der Konsequenzen bewusst sind.

Die meisten Frauen, die hierher kommen, haben einen geregelten Arbeitsalltag. Das Einkommen ist zwar nicht hoch, aber wenn beide Partner arbeiten, ist das Leben dennoch zu bewältigen.

Dann geschieht plötzlich etwas Unvorgesehenes, wie z.B. dass der Mann seine Arbeit verliert. Die Frau hat vielleicht kurz davor eine neue Stelle angetreten, und befürchtet nun, diese zu verlieren, wenn sie dem Arbeitgeber mitteilt, dass sie schwanger ist. In den ersten 6 Monaten ist es dem Arbeitgeber erlaubt, dem Arbeitnehmer zu künden.

In einer solchen Situation kommt das Paar unter hohen Druck,  weil es in einer unsicheren finanziellen Situation ist und nicht weiss, wie es weitergehen wird – erst recht nicht mit einem neuen Kind. Solche Geschichten bekommen wir immer wieder zu hören.

Sind die Mitarbeiter von Efrat ausschliesslich Freiwillige oder gibt es auch professionelle MitarbeiterInnen, die in einem Angestelltenverhältnis arbeiten ?

Hier im Büro arbeiten ausschliesslich Angestellte. Ich selbst bin von Efrat angestellt und die Sekretärinnen sind es ebenfalls. Ich bin hier die einzige Sozialarbeiterin.

Alle anderen arbeiten freiwillig. Diejenigen,  die die Pakete vorbereiten, tun dies auch unentgeltlich. Von Beruf sind sie Sozialarbeiter, Psychologen, Anwälte – sie übten zuvor alle möglichen Berufe aus. Die meisten von ihnen sind jedoch Frauen, die anderen Frauen helfen wollen.

Viele von unseren freiwilligen Helferinnen waren selbst einmal in der Lage, in der sie dachten, sie hätten keine andere Wahl als ihr ungeborenes Kind abzutreiben. Aus Dankbarkeit, dass ihnen damals geholfen wurde, helfen sie heute anderen Frauen, die in derselben Situation sind, wie sie es damals waren. 

Wie wird man Volontär?

Neue Freiwillige werden von anderen Volontärinnen eingearbeitet. Als erstes erhalten diese ein Pflichtenheft, in dem geschrieben steht, wie sie sich den Frauen gegenüber verhalten-, bzw. was sie unterlassen sollen. Es ist ihnen zum Beispiel nicht erlaubt, Frauen unter Druck zu setzen um sie von der Wahl der Abtreibung abzubringen. Da wie gesagt viele von den Volontärinnen in derselben Situation gewesen sind, wissen sie bereits,  woraus die Arbeit besteht.

Druck von einer anderen Seite erlebte z.B. eine Frau, die sich vor Jahren an uns wandte: Ihr Freund wollte über seinen Anwalt eine Abtreibung ihres Kindes erzwingen. Er bedrängte die Frau, versuchte sie mit allen möglichen Mitteln unter Druck zu setzen. Letztendlich trug sie das Kind aber mit unserer Hilfe aus. Aus Dankbarkeit und Freude an ihrem Kind arbeitet sie nun heute bei uns.

Hätte ein Mann denn überhaupt eine Chance via Gericht eine Abtreibung zu verlangen?

Ich weiss es nicht. Bestimmt kann kein Gesetz eine Frau zu einem Abort zwingen, aber ein Mann kann eine Frau auch mit finanziellen Drohungen unter Druck setzen. Das ist sicher. Ich weiss jedoch nicht, wie es sich bei Samenraub verhält – ich kenne die Gesetze nicht.

Viele Frauen werden von ihren Partnern unter Druck gesetzt.

Gestern erhielten wir einen Brief von einem Mann. Vor einigen Jahren wollte er, weil er und seine Frau schon viele Kinder hatten, dass seine Frau abtreibt. Doch sie hatte Angst vor einem traumatischen Abtreibungserlebnis und wollte die Schwangerschaft fortsetzen.

Der Mann rief uns an und ich wies ihn unserem einzigen männlichen Volontär zu. Das Gespräch gab ihm so viel Kraft und Zuversicht, dass er letztendlich einverstanden war, dass seine Frau das Kind austrug. Im Brief schreibt er uns nun wie glücklich sie mit dem Kind sind und wie dankbar auch um die Hilfe, die sie von Efrat erhielten.

Wie alt sind die Frauen, die abtreiben wollen ? Sind es eher junge Frauen?

Sie sind so alt wie Schwangere in der Regel sind. Sie widerspiegeln die Gesellschaft. Sie sind zwischen 20 und 40, einige wenige sind unter 20 oder über 40. In der Regel kommen nicht speziell junge Frauen zu uns.

Wann wird der Rabbiner bei der Abtreibungsfrage miteinbezogen? Gibt es spezifische Fragen im Rahmen des jüdischen Gesetzes („Halacha“, halachisch) die mit ihm geklärt werden?

Wenn Frauen eine halachische Frage haben, dann verweisen wir sie auf ihren eigenen Rabbiner. Wir sind nicht für halachische Belange zuständig. Wir sind emotional und medizinisch für die Frauen da.

Wir sind auch sehr darauf bedacht – und wir weisen unsere Volontäre darauf hin – keine religiösen Aspekte (im Sinne von: Abtreibung ist verboten oder kommt einem Mord gleich) ins Gespräch einzubringen. Wir setzen die Frauen hier nicht unter Druck.

Als erstes erklären wir den Frauen, dass die Entscheidung bei ihnen liegt, was faktisch auch so ist. Das gibt ihnen die Möglichkeit sich zu öffnen, weil sie nicht unter Druck stehen und ihnen dadurch klar wird, dass sie Entscheidungsträger sind und bleiben.

Heisst das, Sie bieten ein Klima an, in dem es um Möglichkeiten und nicht um Verbote geht?

Ja, genau so ist unsere Arbeitsweise. Wir schildern nicht, welche schrecklichen Auswirkungen eine Abtreibung in jedem Fall hat, sondern, wir bieten ihnen unsere Hilfe an, ein Kind zur Welt zu bringen ohne im finanziellen Ruin zu landen.

Die Sozialarbeiterin Ruth Tidhar. Foto zVg
Die Sozialarbeiterin Ruth Tidhar. Foto zVg

Gibt es Fälle, in denen Sie nicht helfen können?

Wir geben, was uns möglich ist. Wir übernehmen keine Verantwortung für die Entscheidungen der Frauen. Wir geben emotionale und medizinische Unterstützung und teilen Materialien aus. 4000 Frauen können wir jedes Jahr mit dem was wir bieten, helfen. Die Frauen kommen hierher, weil sie eine Lösung suchen, weil sie sich etwas von uns erhoffen.

Um medizinische Belange kümmert sich Dr. Schussheim. Dabei geht es z.B. um Fälle einer wahrscheinlichen geistigen Behinderung des Kindes, oder um Frauen, die selbst ein medizinisches Problem haben. Solche die z.B. an Borderline-Syndrom leiden, Drogen konsumieren oder andere Auffälligkeiten zeigen. Dr. Schussheim klärt ab, ob die Frau oder das Baby in Gefahr sind oder nicht. Er berät sie und überweist sie zum entsprechenden Spezialisten. Als Sozialarbeiterin habe ich damit nichts zu tun.

Wie werden vergewaltigte Frauen beraten, betreut?

In den 14 Jahren meiner Arbeit bei Efrat, hatten wir eine einzige Frau, die vergewaltigt wurde. Sie kam spät in der Schwangerschaft zu uns, für eine Abtreibung war es schon zu spät. Sie entschied sich, das Kind zur Adoption frei zu geben. Sie wurde von uns an die Behörden vermittelt und bekam Informationen über Efrat, für alle Fälle. Am Ende brachte sie das Kind zur Welt und behielt es.

Im Newsletter der Tageszeitung Israel Hayom (ישראל היום) vom 21. Dezember 2012 wird auf über 6 Seiten von Frauen berichtet, die behaupten, von Efrat – Volontärinnen unter starken emotionalen Druck gesetzt worden zu sein, unter anderem mit religiösen Aussagen. Können Sie dazu etwas sagen?

Wir bemühen uns, die Volontärinnen genau zu instruieren, indem wir ihnen auch erklären, was hinter den Anweisungen steht. Wir können jedoch nicht ein paar hundert freiwillige Mitarbeiterinnen kontrollieren und überwachen.

Mir ist auch zu Ohren gekommen, dass sich Frauen als Efrat-Mitarbeiterinnen ausgeben, die mit uns gar nichts zu tun haben.

Wenn mir eine Klage zu Ohren kommt, dann versuche ich als erstes die schwangere Frau zu beruhigen, indem ich ihr sage, dass sie entscheidet und dass Drohungen in keiner Art und Weise zu unserer Arbeitsweise gehören. Dann spreche ich mit der Volontärin über ihren Regelbruch. Wenn sie uneinsichtig ist und bleibt, wird sie entlassen.

Wie erhalten Sie Rückmeldungen von Frauen und Männern, die mit Hilfe von Efrat ihr Kind austrugen ?

Wir versenden Glückwunschkarten zur Geburt und zu den Geburtstagen. Manche senden uns Fotos ihrer Kinder zurück, andere senden uns von sich aus Briefe und Fotos. Sie sehen selbst wie viele Rückmeldungen und Danksagungen wir bekommen. (Die Wände sind voll mit Bildern von Babys und Kleinkindern)

Welchen religiösen Kreisen gehören Frauen an, die sich an Efrat wenden?

Die meisten Frauen die zu uns kommen, und somit die breite Masse, sind traditionell oder praktizieren ein zum Teil gesetzestreues jüdisches Leben. Die zwei Minderheiten, die wir hier haben, sind die gänzlich säkularen und die orthodoxen Frauen.

Frau Tidhar vielen Dank für das Gespräch.

Interview mit dem Efrat-Arzt, Dr. Eli Schussheim

Herr Dr. Schussheim wie kamen Sie zu Efrat?

Dr. Eli Schussheim: Ich wollte schon immer Leben retten. Deshalb studierte ich Medizin und liess mich zum Chirurgen ausbilden. Ende 1964 machten meine Frau und ich Alijah (Emigration nach Israel) und ich bekam im Schaarei Zedek Spital eine Anstellung als Chirurg. Im Sechs-Tage-Krieg 1967 war ich als Feldarzt tätig. Bis 1977 war ich mit meiner Arbeit zufrieden.

Dann änderte sich alles auf einen Schlag. Es gab neue Gesetze und ich erfuhr, dass es pro Jahr 60’000 Abtreibungen gab. Da kam ich in ein Dilemma. Einerseits operierte ich gerne, andererseits wollte ich mich um diese „Abtreibungsepidemie“ kümmern. Mir wurde bald klar, dass viele Frauen aus wirtschaftlichen Gründen abtreiben wollten, was mich sehr verstörte.

Heute, nach 40-jähriger Tätigkeit bei Efrat, kann ich den Frauen versprechen – und kann es auch unterschreiben – dass sie das Austragen des Kindes nicht bereuen werden. In all den Jahren habe ich von keine Mutter je gehört, dass sie ihre Entscheidung, das Kind ausgetragen zu haben, bereut habe.

Welche Frauen wenden sich an Sie?

Die komplizierten Fälle werden mir meistens über die Volontäre zugewiesen. Bei den medizinischen Fällen prüfen wir gemeinsam, wo das Problem liegt. Ich bin den Frauen gegenüber offen, schildere ihnen meine Erfahrungen und Einschätzungen und lasse sie dann nach, umfassender Informierung, selber entscheiden.

Nehmen wir als Beispiel eine Frau, die weiss, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom gebären wird. Sie traut sich nicht zu, mit der Behinderung fertig zu werden. Was sagen Sie ihr?

Ich spreche mit ihr weder über die Diagnose, noch nehme ich ihr die Entscheidung der Abtreibung oder Austragung ab. Ich übermittle ihr lediglich meine Erfahrungen, dass von all den Frauen, die ich mit dieser Diagnose kennenlernte, keine es bereut hat, ihr Kind geboren zu haben.

Dankesbriefe an Efrat. Foto zVg
Dankesbriefe an Efrat. Foto zVg

Versuchen Sie sie nicht zu überzeugen, dass auch diese Kinder ein lebenswertes Leben haben?

Nein, das tue ich nicht.

Wenn Frauen sagen, sie befürchten keine Kraft für ein behindertes Kind zu haben, was sagen Sie ihnen?

Ich erzähle den Frauen von Müttern, die in derselben Situation waren und froh sind, nicht abgetrieben zu haben.

Ich empfehle der werdenden Mutter, sich vor der Entscheidung mit eben solchen Frauen zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten. Die Frau soll schliesslich so entscheiden, wie sie es für richtig hält, aber erst nachdem sie die entsprechenden Informationen erhalten hat.

Gibt es auch Situationen, in welchen Sie eine Abtreibung empfehlen?

Ich empfehle eine Abtreibung nur, wenn die Schwangerschaft für die werdende Mutter gefährlich ist. Dazu bin ich verpflichtet.

Involvieren Sie manchmal einen Rabbiner in Ihrer Arbeit?

Nein, das mache ich nicht. Ich bin Arzt. Wir sind nicht für religiöse Betrachtungen zuständig.

Herr Schussheim vielen Dank für das Gespräch.

Interview mit Rabbiner Stern, aschkenasischer Oberrabbiner von Jerusalem

Was sagt die Halacha, (die jüdische Gesetzgebung) zur Abtreibung?

Rabbiner Stern: Abtreibung ist nach jüdischem Gesetz grundsätzlich verboten. Es ist jedoch nicht so, dass eine Abtreibung gleich-bedeutend ist mit dem Umbringen eines lebenden Menschen.

Bei der halachischen Frage der Abtreibung werden die unterschiedlichen Abschnitte in der Schwangerschaft stark berücksichtigt. Es wird z.B. zwischen dem Beginn einer Schwangerschaft und der Zeit danach unterschieden. Der Abschnitt, in welchem der Fötus bereits einen Körper mit Knochenbildung hat, unterscheidet sich von den ersten 40 Tagen der Schwangerschaft, in der noch keine Körperform ersichtlich ist. In dieser Zeitspanne ist eine Abtreibung unter Umständen erlaubt, weil noch keine „Lebensform“ (wie wir das nennen) existiert.

Aber auch da gehen die Meinungen auseinander. Diejenigen, die die Dinge sehr streng nehmen, erlauben auch dann keinen Abbruch, aber in dem frühen Stadium, verglichen mit dem Späteren, ist ein Abbruch der Schwangerschaft erlaubt.

In welchen konkreten Fällen ist Abtreiben erlaubt? Wenn eine Frau z.B. die Schwangerschaft nicht wollte?

So einfach ist das nicht. Es geht nicht um die Erwünschtheit der Schwangerschaft, sondern um das Leben der Mutter: wenn dieses in Gefahr ist, dann ist ein Abbruch erlaubt. Das Leben des Kindes soll prinzipiell erhalten werden, aber wenn es um das Überleben der Mutter oder jenes des Kindes geht, dann wird das Leben der Mutter vor jenem des Embryos gerettet. Dieses Gebot zieht sich durch die ganze Schwangerschaft hindurch. Denn die Mutter ist bereits ein lebender Mensch, der Fötus noch nicht.

Gespendetes Material das den Frauen zur Verfügung gestellt wird. Foto zVg
Gespendetes Material das den Frauen zur Verfügung gestellt wird. Foto zVg

In welchen weiteren Fällen ist der frühe Abbruch erlaubt?

Wenn man weiss, dass das Kind einen schweren Defekt am Körper oder am Kopf hat, dann darf man in den ersten 40 Tagen abtreiben.

Wenn die Frau weiss, dass sie ein behindertes Kind bekommt und sich nicht zutraut dieses Kind zu erziehen, wie wird dann entschieden?

Da gibt es keine eindeutige Antwort, es kommt auf die Stabilität der Mutter an. Wenn sie sehr schwach und labil ist, und wenn es im weiten Sinn darum geht, die Mutter zu retten, dann kann man eine Abtreibung vornehmen. Aber man muss da sehr vorsichtig sein und darf diese Entscheidung keinesfalls leichtsinnig fällen.

Wie ist es bei einer Vergewaltigung?

Das erfährt man meistens zu Beginn der Schwangerschaft – daher zählt das oben Erwähnte.

In Efrat wir die Halacha nicht erwähnt. Darf man, um das Ziel „Leben zu erhalten“ zu erreichen, die Halacha unerwähnt bzw. explizit bei Seite lassen?

Eine religiöse Frau wird die Halacha sowieso nicht bei Seite lassen wollen, und eine nicht-religiöse Frau geht nie nach der Halacha, warum soll sie es also in solch einem Fall tun?

Grundsätzlich muss jeder Fall einzeln betrachtet werden. Man kann das nicht verallgemeinern. Religiösen Frauen wäre es vielleicht wichtig zu wissen, was die Halacha sagt, dies müsste man dann berücksichtigen.

Die Organisation Efrat hat keinen Rabbiner für halachische Fragen eingestellt. Wenn eine Frau diesbezüglich eine Frage hat, wird sie zum eigenen Rabbiner verwiesen. Was sagen Sie dazu?

Es ist tatsächlich sinnvoll, dass jede Frau ihren eigenen Rabbiner fragt. Der eigene Rabbiner ist auch eine Autoritätsperson und Seelsorger und kennt die Frau. Halachische Fragen sollte man daher mit dem eigenen Rabbiner erörtern. Darum sind Ihre Fragen nicht einfach zu beantworten, denn es gibt keine allgemein gültigen Antworten darauf : Es kommt auf jeden individuellen Fall und den beratenden Rabbiner an. Es kommt darauf an, wie es der Mutter und dem Fötus geht. Der Rabbiner muss mit Verstand vorgehen. Er muss die Situation mit allen Informationen, die er bekommt, von allen Gesichtspunkten her richtig einschätzen können. Das bedingt ein sorgfältiges Vorgehen und Fingerspitzengefühl. Es gilt, innerhalb der Halacha Wege zu finden, die begehbar sind.

Rabbiner Stern vielen Dank für das Gespräch.