Die Jerusalem Foundation: Für Toleranz und Förderung in der Heiligen Stadt

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Teddy Kollek Park. Foto Boaz Dolev Pikiwiki Israel, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33362565
Teddy Kollek Park. Foto Boaz Dolev Pikiwiki Israel, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33362565
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Die Jerusalem Foundation (JF) wurde vor 50 Jahren vom damaligen Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek, gegründet. Sein Ziel war es, Museen, Theater, Pärke, Bibliotheken und Quartierzentren zu bauen und diese für alle Bürger innerhalb und ausserhalb Jerusalems zugänglich zu machen.

 

Während 28 Jahren, von 1965-1993, sammelte Teddy Kollek als amtierender Bürgermeister im In- und Ausland Spenden, um seine Projekte zu verwirklichen. Bis kurz vor seinem Tod im Jahre 2007 war Kollek aktiv. Seine Hauptinteressen galten der Bildung, dem Wirtschaftwachstum,  von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen, der Entwicklung von Gemeinden, der Kunst und der Kultur. Respekt und Toleranz zwischen den Religionen waren Kollek ein grosses Anliegen.

Esther Leuchter hat für Audiatur-Online mit Irene Pollak, welche seit 1995 die Abteilung für deutschsprachige Länder der Jerusalem Foundation leitet, gesprochen.

Audiatur-Online: Seit 1966 wurden von der Jerusalem Foundation viertausend Projekte gegründet und/oder unterstützt. In welchem Bereich liegen die Schwerpunkte?

Irene Pollak: Wir eruieren immer wieder von neuem und unterstützen dort, wo es am nötigsten ist. Bei unserer Arbeit geht es in erster Linie um Bedarf und Bedürfnisse. Die Erkenntnis darüber, dass gewisse Bevölkerungsgruppen in Armut lebten, führte dazu, vor Ort finanzielle Unterstützung anzubieten und bessere Bildungsmöglichkeiten zu schaffen.

Um welche Gruppen handelt es sich?

Aktuell sind einerseits streng orthodoxe Juden davon betroffen, da mehr als 50% der orthodoxen Familien, deren Männer sich dem Tora-Studium widmen, unter der Armutsgrenze leben. Dann handelt es sich auch um arabische Frauen, die durch ihre ungenügenden Ausbildungen keine Erwerbsmöglichkeiten erhalten.

Rabbi David Leybel gründete im Jahre 2013 Avra Tech, ein technologisches Ausbildungszentrum für jüdische, orthodoxe Männer, die sowohl Zeit für ihr Talmudstudium aufbringen, als auch ihre meist grossen Familien ernähren wollen. Warum unterstützen sie das Projekt?

Die Jerusalem Foundation unterstützt diese Initiative, weil sie die Armut in orthodoxen Familien bekämpft, indem sie orthodoxen Männern zu einem Beruf verhilft und sie später bei der Arbeitsfindung unterstützt.

Wie unterstützen Sie arabische Frauen konkret?

Wir stellten beispielsweise fest, dass Spitäler mehr arabisches Personal einstellen könnten und wollten daher wissen, weshalb dies nicht geschah. Das Jerusalem Intercultural Center, eines unserer Projekte, untersuchte die Sachlage. Es zeigte sich, dass aufgrund mangelhaften Schulungsmaterials, angehende Pflegefachleute die Abschlussprüfungen nicht bestanden und daher keine Anstellung im Spital erhalten konnten. So begannen wir durch Schulungen, diesen Fachkräften, die vor allem aus Frauen bestand, zum Abschluss zu verhelfen.

So können heute arabische Frauen zu denselben finanziellen Bedingungen wie israelische Frauen als Pflegefachpersonen in den Spitälern arbeiten. Nebst dem haben wir arabischen Frauen aufgezeigt, wie sie sich in einem demokratischen Staat bewegen können und welche Möglichkeiten ihnen offen stehen.

Die vielfältigen Schulungen, die wir anbieten, begannen mit wenigen Frauen, und heute sind es tausende von Frauen, die wir unterstützen, so dass sie ein autonomes Leben führen können. Damit haben wir eine grosse Verbesserung der Lebensqualität erreicht. Die Stadt Jerusalem budgetiert jedes Jahr viele Millionen Schekel für arabische Projekte.

Teddy Kollek in Jerusalem. Foto Harnik Nati / GPO Israel
Teddy Kollek in Jerusalem. Foto Harnik Nati / GPO Israel

Könnte sich die Unterstützung der arabischen Bevölkerung eines Tages gegen Israel wenden? 

Wir wissen, dass oben genannte Frauen während des Gazakrieges Pakete nach Gaza sandten, von wo Israel aus angegriffen wurde. So sieht die Realität aus, das müssen wir hinnehmen. Für Israel steht die Bewahrung der Menschlichkeit an erster Stelle, auch im Bewusstsein darüber, dass diese auch auf Menschen ausgeübt wird, die uns feindlich gesinnt sind und uns schaden wollen.

Viele israelische Betriebe stellen sowohl Israelis als auch Araber ein. Wie viel hat die Jerusalem Foundation dazu beigetragen?

Heute sind die Spielplätze und andere Grünanlagen gemischt bevölkert, sie werden von Arabern und jüdischen Israelis besucht. Der Zoo, die Museen, im Speziellen das Science Museum, welches ein Projekt der Jerusalem Foundation ist, tragen Wesentliches dazu bei. Die durchmischte Arbeitswelt ist von gegenseitigem Interesse. Die Araber finden in israelischen Firmen gute Arbeitsbedingungen vor und die Israelis sind froh um die Araber als weitere Arbeitskräfte.

Wie schätzen Sie die Zufriedenheit der Araber ein?

Einerseits sind sie froh, dass sie im israelischen Arbeitsmarkt integriert sind, andererseits sind sie verunsichert. Omar Barghuti, Gründungsmitglied der BDS-Bewegung, der zum israelischen Boykott aufruft, bezeichnet Araber, die in israelischen Institutionen arbeiten, als Verräter.

Dieser Zustand herrscht schon seit vielen Jahren. Teddy Kollek erzählte schon vor 30 Jahren von Arabern, die Angst hatten, mit einem israelischen Polizisten oder Soldaten gesehen zu werden, sogar wenn es darum ging, das Leben eines Arabers zu retten. In dieser Hinsicht hat sich leider nichts verändert.

Wenn Jerusalem wieder getrennt würde und die Hamas an die Macht käme, würde genau hingeschaut werden, wer mit Israelis in Kontakt war – sei es im Beruf oder als Nachbar.

Die Konsequenzen daraus möchte sich wohl keiner so genau vorstellen. Wie viele gemischte Quartiere (Israelis und Araber) gibt es in Jerusalem?

Viele arabische Quartiere grenzen an jüdische Quartiere. Givat Zorfatit ( „French Hill“) wurde zu Beginn vor allem von Israelis bewohnt, doch seit einiger Zeit ziehen mehr und mehr Araber in das Quartier. Eine gewisse Trennung in den Quartieren gibt es immer, nur schon aus unterschiedlichen religiösen Interessen. Aber die öffentlichen Anlagen werden von beiden Bevölkerungsgruppen besucht.

In welchen weiteren von der Jerusalem Foundation unterstützten Projekte sind beide Bevölkerungsgruppen involviert?

Seit 1998 gibt es im Süden Jerusalems die jüdisch-arabische Schule Yad Le Yad („Hand In Hand “), die vom Kindergarten bis zur Matura führt. In den unteren Klassen ist die Durchmischung 50% Araber, 50% jüdische Israelis, in den oberen Klassen lernen vorwiegend arabische Jugendliche.

Nach Teddy Kolleks Ableben wurde von Amerikanern der Teddy Kollek Park erstellt. Er ist unterhalb der Altstadtmauern. Da halten sich sowohl orthodoxe Juden als auch Araber auf.

Warum setzt sich, Ihrer Meinung nach, die Erkenntnis der arabischen Integration im Alltag im Ausland nicht durch?

Leider sind good news no news. Negativschlagzeilen sind attraktiver, als Positive. Veränderungen im Sinne von Verbesserungen wollen Zeitungen in der Regel nicht abdrucken. Das Feindbild Israel soll bestehen bleiben. So hält sich der Sündenbockstempel hartnäckig aufrecht. Es gibt sehr wenige Journalisten, wie Dr. Ulrich Schmid, die sich für die Veröffentlichung eines Artikels, der das andere Israel zeigt, stark machen. Die schweigende Mehrheit unterstützt durch ihr Schweigen, durch ihre Weigerung zu Aufklärung, eine Israel-feindliche Haltung.

Heisst das, dass die Zeitungen die wahren Begebenheiten nicht abdrucken wollen, selbst wenn die Journalisten diese vor Ort so zu sehen bekommen?

So ist es.

Wer sind die Unterstützer der Jerusalem Foundation?

Früher waren es vermögende Leute, die sich gerne mit Teddy Kollek trafen. Heute kommen die meisten Zuwendungen aus Stiftungen. Wir werden immer wieder angefragt, weshalb wir überhaupt Geld sammeln. Die JF sei schliesslich so erfolgreich, da brauche es keine Spenden. Der Irrtum liegt in der Tatsache, dass Jerusalem die ärmste aller israelischen Grosstädte ist. Sowohl unter den Juden, als auch unter den Arabern gibt es eine Armut, die im Alltag nicht offensichtlich ist. Viele Familien leben unter der Armutsgrenze, das äussere Bild darf über diese Tatsache nicht hinweg täuschen. Deshalb ist die Jerusalem Foundation nach wie vor auf Unterstützung angewiesen.

Nehmen Sie jedes Projekt, jeden Vorschlag der Ihnen unterbreitet wird, an?

Viele Projekte basieren auf Vorschlägen und Anfragen. In anderen Fällen werden Ideen gemeinsam entwickelt. Die Projekte müssen den Menschen in Jerusalem von Nutzen sein. Wenn uns jemand eine Skulptur schenken will, mit der Absicht, diese in Jerusalem ausstellen zu können, wird er von uns eine Absage erhalten, wenn er nicht von Kunstexperten empfohlen wird. Teddy Kollek hat es damals so ausgedrückt: Wenn mir jemand den Eiffelturm schenken möchte, dann lehne ich dankend ab.

Spenden Juden den Juden und Araber den Arabern?

Nein, das ist nicht der Fall. Mir ist keine Spende von arabischer Seite her bekannt.

Wenn wir zum Beispiel Spender für das Café Europa, eine Einrichtung für Holocaustüberlebende, die sich wöchentlich treffen, suchen, dann unterstützen uns die unterschiedlichsten Menschen bzw. Institutionen, weil sie dies als sinnvoll erachten.

Es gibt das Café Europa für russische, französische, und englische Israelis, eines für orthodoxe Frauen, und separat auch ein Café für orthodoxe Männer. Den Spendern ist nicht wichtig, in welches Café investiert wird. Da werden keine Vorlieben gezeigt.

Haben Sie ein Lieblingsprojekt- eines das Ihnen sehr am Herzen liegt?

Die russischen Einwanderer forderten, als sie ins Land kamen, für ihre Kinder mit speziellen Begabungen spezielle Förderungsprogramme. Von den äthiopischen Einwanderern hörten wir nie etwas in der Richtung. Deshalb wurde die JF zusammen mit der Stadtverwaltung aktiv, weil wir davon ausgingen, dass es in jeder Bevölkerungsgruppe hochbegabte Kinder gibt.

Dank Spenden aus der Schweiz, gehen nun zum 4. Mal Angestellte der Stadtverwaltung in Schulen, um äthiopischen Kindern mit hoher Intelligenz die Möglichkeit zu geben, das Gymnasium zu besuchen. Dabei finden Gespräche mit Lehrern, Eltern und den Schülern selbst statt. Diese Entwicklung bereitet mir spezielle Freude.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen unter: https://www.jerusalemfoundation.org/