“Auf Araber ist kein Verlass, nicht einmal auf ihren (Israel-)Hass”

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Das Kriegshandbuch der Hamas. Foto Israel Defense Forces
Das Kriegshandbuch der Hamas. Foto Israel Defense Forces
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Gal Berger, Reporter des israelischen Rundfunks, erhielt einen unerwarteten Anruf aus Kairo. Ein Hamas-Mann klagte am Telefon: „Die Ägypter hassen uns“. Seine dringende Bitte: Die israelische Delegation in Kairo möge doch ihre Vorstellungen auf Hebräisch zu Papier bringen und von den Ägyptern von dem einem zum anderen Stockwerk in dem Hotel tragen lassen. Nur so könnten die Ägypter keine eigenwilligen Änderungen zu Ungunsten der Palästinenser einfügen. „Und Hebräisch beherrschen wir“, fügte der Mann hinzu. Früher war er vielleicht mal Gastarbeiter in Israel oder hat Hebräisch im Gefängnis gelernt, wie viele seiner Landsleute.

Hamas und Israel können nicht direkt miteinander reden, denn aus Sicht der Hamas gibt es das „zionistische Gebilde“ nicht und für die Israelis ist die Hamas eine „Terrororganisation“. Das dürfte der Grund für den Hamas-Vertreter gewesen sein, den Umweg über einen israelischen Journalisten zu nehmen. Diese, auf den ersten Blick abstrus klingende Geschichte wurde auf Facebook kommentiert: „Bei den Arabern kann man sich auf gar nichts verlassen, nicht mal auf ihren Hass auf Israel!“ Es mangelt nicht an Beispielen. Die Hamas kann sehr wohl zwischen propagiertem Hass auf Juden und einer ganz pragmatischen Sicht auf Israel bestens unterscheiden.

Ismail Haniyeh ist der ehemalige Hamas-„Ministerpräsident“ im Gazastreifen und eine der führenden Persönlichkeiten dieser „Terrororganisation“. Doch seine drei Schwestern, Kholidia, Laila und Sabah, leben, vermeintlich „heimlich“, in der Beduinenstadt Tel Schewa. Ihre Söhne dienen bei der israelischen Armee, wie der Daily Telegraph herausgefunden hat. Und wenn es um das Wohl seiner nächsten Angehörigen geht, hat Haniyeh keine Bedenken, Frau und Enkelin zur medizinischen Behandlung nach Israel zu schicken. Das hindert ihn freilich nicht daran, Raketen auf Israel schiessen zu lassen, solange das den politischen Interessen seiner Organisation nutzt.

Gleiches gilt für die syrischen „Erzfeinde“. Mehrere Hundert Syrer haben sich zur Grenze auf den Golanhöhen durchgeschlagen, um in einem Lazarett nahe Kuneitra oder in israelischen Hospitälern behandelt zu werden. Manche Verwundete und Kranke bringen sogar schriftliche „Überweisungen“ ihrer syrischen Ärzte an die israelischen Kollegen mit.

Wie sehr sich die Hamas als kriegsführende Partei auf die Menschlichkeit der Israelis verlässt, beweist ein von israelischen Soldaten im Gazastreifen gefundenes „Handbuch“ für den Einsatz „menschlicher Schutzschilde“.  Das Handbuch bezeugt, dass Hamas die Israelis nicht als „Kindermörder“ betrachtet, wie sie offiziell in der Propaganda behauptet. Der Einsatz menschlicher Schutzschilde ist kein Aufruf an die eigene Bevölkerung, massenhaften Selbstmord zu begehen. Vielmehr ist der Hamas bewusst, dass Israels Soldaten alles tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Die verfolgten Minderheiten im Irak oder in Syrien kämen wohl kaum auf die Idee, mit dieser Methode ihre Dörfer vor mordenden IS-Banden oder Fassbomben des syrischen Militärs in Aleppo oder Homs zu schützen.

Nicht nur die Hamas, auch die libanesische Hisbollah-Miliz kennt die israelische Mentalität. Sonst hätte auch die nicht ihre Befehlsbunker und Raketenlager unter Wohnhäusern oder in Moscheen eingerichtet. Wenn dennoch Zivilisten umkommen, werden sie als Waffe im Propagandakrieg missbraucht. Die grausigen Bilder der Toten sind ein bewährtes Mittel, um vor allem im Westen Bestürzung auszulösen und Israel verurteilen zu lassen.

Ein Blick in arabische Medien zeigt, dass Bilder zerfetzter Kinder oder toter Frauen dort kein grosses Mitgefühl erzeugen angesichts der Gräuel in Syrien, Irak und anderen arabischen Ländern. Das auffällige Schweigen arabischer Politiker zeigt deutlich, dass die umliegenden Länder sich nicht so leicht täuschen lassen wie die Europäer, zumal manche Schauerbilder vermeintlicher Opfer israelischer Angriffe in Wirklichkeit in Aleppo oder Bagdad aufgenommen worden sind.

Hinzu kommt, dass die Palästinenser und besonders die Hamas in vielen arabischen Ländern verhasst sind. Die Syrer lassen sie im Yarmuk-Camp bei Damaskus verhungern. Der Libanon hält Palästinenser in Lagern hinter Stacheldraht gefangen und verlangt allein von palästinensischen Bürgerkriegsflüchtlingen ein gebührenpflichtiges Visum. Jordanien lässt zwar Flüchtlinge aus Syrien ein, schickt aber palästinensische Familien wieder zurück, obgleich die Bevölkerungsmehrheit in dem Haschemitischen Königreich palästinensischer Herkunft ist. Auch die Ägypter hatten die Hamas bei den Waffenstillstandsverhandlungen spüren lassen, was sie von ihr halten.

So kann man zum Schluss kommen, dass die Hamas-Organisation und die 1,8 Millionen Palästinenser im Gazastreifen nur noch zwei Freunde in der Welt haben. Einerseits die Israelis, die aus eigenem Interesse eine humanitäre Katastrophe verhindern wollen und deshalb, anstelle von „nur“ 200 Lastwagen pro Tag jetzt ganze 600 Sattelschlepper mit Hilfsgütern durch den von der Hamas bombardierten Grenzübergang Kerem Schalom rollen lassen wollen.

Andererseits die Europäer, die jetzt schon das Portemonnaie zücken, um den „Wiederaufbau“ des Gazastreifens zu finanzieren. Die Hamas wird wohl die Europäer auch in Zukunft bei Geberlaune halten und ihnen in ein paar Jahren wieder die Gelegenheit bieten, nach einem weiteren Waffengang den Gazastreifen erneut aufzubauen.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Sahm,

    Ich habe Sie vor langer Zeit bei einer Veranstaltung persönlich Reden gehört und bin wie immer über Ihre veröffentlichten Artikel positiv angetan.
    Sie recherchieren und weisen auf Dinge hin die vielen Journalisten entgehen oder die sie absichtlich ignorieren !
    Ich wünschte die SZ. Würde Ihre Artikel einmal drucken das würde dem Blatt sicherlich gut tun !
    Wir Danken Ihnen,nur weiter so
    Beatrix Jessner

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