Israelische Forschende werden nicht zu Konferenzen eingeladen, Publikationen übergangen. Schon vor dem 7. Oktober hat es Boykott gegeben. Was sich seit dem Hamas-Angriff verändert hat, erklären jetzt zwei Fachleute.
Seit dem 7. Oktober hat sich der Umfang des Boykotts israelischer Hochschulen und Forschenden nach Worten des Präsidenten der Universität Tel Aviv, Ariel Porat, vergrössert. Das sei die stärkste Veränderung, denn zum ersten Mal seien es ganze Unis, die Israels akademische Welt boykottierten, sagte Porat der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch).
Er erinnerte daran, dass es schon vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Boykotte gegeben habe: „Beispielsweise wurden israelische Wissenschaftler nicht zu Konferenzen eingeladen, oder ihre Publikationen wurden von Zeitschriften übergangen, oder es wurde versucht, sie aus Gremien zu entfernen.“ Die meisten Unis, die einen Boykott ausgesprochen hätten, etwa 10 bis 20, kämen aus Europa, einige wenige aus Lateinamerika.
Zugleich erlebe die Tel Aviver Uni, dass sie viele Freunde unter Hochschulleitungen habe, etwa in Deutschland und den USA, „bis hin zu den vielen Gelehrten und Forschern, die ihre Zusammenarbeit mit uns gerade jetzt vertiefen wollen“, so Porat. Er betonte, dass israelische Hochschulen gegenüber der Regierung kritisch eingestellt seien, „und mancher von uns blickt kritisch auf die Art und Weise, wie der Krieg geführt wird, aber den Vorwurf, die israelischen Streitkräfte begingen Völkermord, weisen wir entschieden zurück.“
In demselben Interview erklärte die Vizepräsidentin der Tel Aviver Universität, Milette Shamir, wie Forschende und Studierende, die von Boykotten betroffen seien, unterstützt würden. So würden Briefe geschrieben in der Hoffnung, Haltungen zu verändern. „Ausserdem bieten wir Workshops an, um unsere Studenten und Wissenschaftler auf die Begegnung mit dem Protest und den harten Fragen vorzubereiten, denen sie im Ausland vielleicht begegnen.“
Auch nach dem Krieg im Gazastreifen als Folge des Hamas-Angriffs werde der Boykott nicht komplett verschwinden, da es ihn schon immer gegeben habe, sagte Porat. Shamir betonte: „Zwei Dinge machen es schwierig, zum Status quo zurückzukehren.“ Da sei die Generation von Studierenden, die mit propalästinensischen Protesten heranwachse, vor allem in den USA. „Sie werden in Zukunft wichtige Positionen einnehmen.“ Zudem habe die Boykottbewegung bestimmte antiisraelische und antijüdische Sichtweisen in Umlauf gebracht. „Es wird schwer, das wieder in die Flasche zurückzubekommen.“
KNA/lwi/jps