Das Abraham-Abkommen und ein sich wandelnder Naher Osten

"Hoffnung und Wandel" - der leere Wahlkampfslogan des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama - wird dem, was vor unseren Augen geschieht, nicht gerecht.

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Die vier Flaggen, die heute über dem israelischen Aussenministerium wehen. Foto גבי אשכנזי - Gabi Ashkenazi / Twitter.com
Die vier Flaggen, die heute über dem israelischen Aussenministerium wehen. Foto גבי אשכנזי - Gabi Ashkenazi / Twitter.com
Lesezeit: 4 Minuten

Ob wir es Frieden oder Normalisierung nennen, ist nicht von Bedeutung: Die Abkommen, die heute zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain unterzeichnet werden, markieren zusammen mit der Zusicherung von US-Präsident Donald Trump einen historischen Übergang, der nicht nur die grossen Veränderungen innerhalb der arabischen Gesellschaften widerspiegelt, sondern auch alte Entwicklungen umkehrt und die Welt verändern kann.

von Fiamma Nirenstein

Es ist sehr schwierig, das Abkommen als das anzuerkennen, was es ist, weil Trump und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu nicht die Zustimmung der internationalen Medien geniessen. Darüber hinaus erhielten die Palästinenser eine für sie völlig überraschende Ablehnung ihres Antrags auf Verurteilung durch die Arabische Liga.

Unterdessen wiederholt Europa immer wieder seine alten dummen Mantras von “illegal besetzten Gebieten” und “zwei Staaten für zwei Völker”. Es kann sich nicht vorstellen, die gegenwärtigen Abkommen “Frieden” zu nennen.

Was ist schliesslich Frieden ohne die Palästinenser?

Paradoxerweise haben sich viele Juden und Israelis genau diesem Festival der Selbsterniedrigung angeschlossen.

Dennoch wird heute in Washington Geschichte geschrieben, und zwar nicht nur für den Nahen Osten. Was wir erleben, ist der Bau einer Brücke zwischen den drei monotheistischen Religionen.

Ob Sie es mögen oder nicht, der jüdische Staat Israel ist endlich in die positive Geschichte der Region integriert. Mit echtem Lächeln und Händeschütteln ist er zu einem anerkannten Staat des Nahen Ostens geworden, Teil der Landschaft seiner Wüsten, Berge, Städte und Mittelmeerküsten.

Flugzeuge werden ungehindert zwischen Tel Aviv, Abu Dhabi und Manama verkehren können. Die Bürger dieser Länder werden hin- und herreisen. Wasser wird fliessen. Innovationen in Medizin, Hochtechnologie und Landwirtschaft werden gemeinsam genutzt werden. Es ist ein Rosch-Haschana-Wunder. Der Messias scheint doch zu kommen.

“Hoffnung und Wandel” – der leere Wahlkampfslogan des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama – wird dem, was vor unseren Augen geschieht, nicht gerecht. Dass Saudi-Arabien die Nutzung seines Luftraums für Flüge zwischen Israel und der arabischen Welt zulässt, ist nur ein Beispiel dafür.

Auch Oman hat die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain begrüsst, ebenso wie Ägypten. Kuwait blickt mit Vorsicht. Sogar Katar, ein Freund und Verbündeter des Iran und der Hamas, versucht, sich abzusichern, da die derzeitigen Abkommen alle Karten neu gemischt haben.

Weitere arabische Länder, von denen erwartet wird, dass sie ihre Beziehungen zu Israel in naher Zukunft normalisieren, sind Saudi-Arabien, Oman, Marokko, aber auch der Sudan, der Tschad und sogar der Kosovo, ein muslimisches Land, das eine Botschaft in Jerusalem eröffnen will.

Alle offiziellen Erklärungen, in denen die Abkommen begrüsst werden, drücken die Hoffnung aus, dass die Palästinenser schliesslich wieder Teil des Ganzen werden. Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, der Kronprinz von Abu Dhabi, entschied sich für das Abraham-Abkommen, nachdem sich Jerusalem und Washington darauf geeinigt hatten, die Anwendung der israelischen Souveränität über das Jordantal und Teile von Judäa und Samaria zumindest vorübergehend auszusetzen.

Der Kronprinz dürfte zwar eine gewisse Dankbarkeit von Mahmud Abbas, dem Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde, erwarten, doch dieser kommt dem nicht nach und zieht es vor, stattdessen über arabischen “Verrat” und “Verzicht” zu sprechen – im Konzert mit dem Iran, der Hisbollah, der Türkei und allen anderen sprichwörtlichen Pyromanen, die es lieben, die Flammen des Krieges zu schüren.

Hamas-Chef Ismail Haniyeh reiste Anfang des Monats in den Libanon, um sich mit dem Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah zu treffen und einen mehrfrontigen Terrorkrieg gegen Israel zu erörtern. Dort kündigte er den Plan der Hamas an, vor Ort intelligente ballistische Raketen zu bauen. Libanesische Zeitungen prangerten seine Äusserungen als einen Versuch an, den Libanon zu “zerstören”, indem er ihn zur Basis eines Krieges macht, den seine Bürger nicht wollen.

Viele sagen, es sei “noch nicht zu spät für die Palästinenser”, ihre Ablehnung rückgängig zu machen. Einige glauben, dass es nicht in ihrer DNA liegt, sich aus ihrer katastrophalen Komfortzone zu befreien.

Das ist das Ende. Der Nahe Osten hat mit Mythen und Legenden gelebt. Aber Panarabismus, Stammes- und Sektenspannungen, Korruption, Gewalt und Islamismus (der als Ersatzwaffe für den besiegten Panarabismus eingesetzt wurde) sind jetzt in einem grossen Teil der Welt vorbei.

Das gesamte Bollwerk wurde getroffen von einer durchschlagenden Welle der Begeisterung für eine normale Zukunft mit diesen “Marsmenschen” vom Planeten “Böse”, zu dem Israel in der kollektiven muslimisch-arabischen Vorstellung geworden war.

Nun gibt es auf der einen Seite eine Normalisierung, die von neuen asiatischen und afrikanischen Führern anerkannt wurde (selbst unter den Palästinensern, so der Experte Khaled Abu Toameh, erheben sich mutige Stimmen, die Korruption und terroristische Hetze verachten); auf der anderen Seite gibt es die Achse Teheran-Ankara und ihre Freunde, Soldaten und Stellvertreter, die zum Krieg bereit sind. Ihre Bestrebungen haben nichts damit zu tun, im Namen der Palästinenser zu kämpfen. Sie sind in einer alten ideologisch-terroristischen Spirale gefangen.

Die Europäer sollten aus der Geschichte gelernt haben, wie man Frieden von Krieg unterscheiden kann. Ersteres zu wählen, ist eindeutig der bessere Weg, es sei denn, Tod und Zerstörung haben eine seltsame Anziehungskraft, die mehr Magnetwirkung hat als Frieden und Wohlstand.

Fiamma Nirenstein war Mitglied des italienischen Parlaments (2008-13), wo sie als Vizepräsidentin des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten in der Abgeordnetenkammer tätig war. Sie war im Europarat in Strassburg tätig und gründete und leitete den Ausschuss für die Untersuchung des Antisemitismus. Sie ist Fellow des Jerusalem Center for Public Affairs. Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate. Übersetzung Audiatur-Online