Israel: Zügelloser Hass gefährdet unsere Demokratie

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Avigdor Lieberman (L), Vorsitzender der Yisrael-Beytenu-Partei, und Benny Gantz (R), Vorsitzender der Blau-Weiss-Partei, geben im Anschluss an ihr Treffen, bei dem sie den Aufbau der nächsten israelischen Regierung besprachen, im Kfar-Makkabiah-Kongresszentrum in Ramat Gan eine Erklärung an die Presse ab. Ramat Gan, 9. März 2020. Foto Kobi Richter/TPS
Avigdor Lieberman (L), Vorsitzender der Yisrael-Beytenu-Partei, und Benny Gantz (R), Vorsitzender der Blau-Weiss-Partei, geben im Anschluss an ihr Treffen, bei dem sie den Aufbau der nächsten israelischen Regierung besprachen, im Kfar-Makkabiah-Kongresszentrum in Ramat Gan eine Erklärung an die Presse ab. Ramat Gan, 9. März 2020. Foto Kobi Richter/TPS
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Premierminister Benjamin Netanjahu verblüffte seine Gegner und bewies, dass er vielleicht einer der versiertesten Politiker der Welt ist. Trotz einer andauernden Medienkampagne der Dämonisierung und angesichts schwerwiegender Anklageerhebungen erhielt sein rechter Block bei der dritten Wahl in weniger als einem Jahr, bei der die höchste Wahlbeteiligung seit 2015 zu verzeichnen war, 58 Sitze. Der linke Block geführt von Blue and White unter Federführung von Benny Gantz zusammen mit Labor-Gesher-Meretz konnte nur 40 Sitze erringen, 9% weniger als bei der letzten Wahl.

von Isi Leibler

In einer gespaltenen Knesset, in der die antizionistische mehrheitlich arabische Gemeinsame Liste erstmals 15 Sitze gewann und Avigdor Libermans Yisrael Beytenu die Unterstützung der rechten Wähler weitgehend aus dem rechten Block herausholte, stellt die grosse Zustimmung für eine von Netanjahu geführte Regierung eine enorme Leistung dar.

Wenn Yisrael Beytenu, die sich als Rechtspartei ausgibt, einer von Netanjahu geführten Koalition beitreten würde, könnte Netanjahu eine Regierung bilden, die den Willen des Volkes widerspiegelt. Stattdessen verfolgt Liberman, allein motiviert durch den zwanghaften persönlichen Hass auf Netanjahu, einen Rachefeldzug und handelt aus Bosheit. Anders als bei den vorangegangenen Wahlen tut er jetzt nicht einmal mehr so, als seien die Ideologie und das Wohlergehen des Staates Israel wichtige Aspekte. Alle Mittel sind gerechtfertigt, egal was es kostet, um Netanjahu zu verdrängen.

Die andere bedeutende Änderung bei dieser Wahl ist der Aufstieg der Gemeinsamen Liste. Bis zu dieser Woche wäre es undenkbar gewesen, dass eine zionistische Partei überhaupt in Erwägung zieht, eine Regierung zu bilden, die sich auf die Unterstützung derjenigen stützt, die sich mit Hamas und Hisbollah identifizieren oder abscheuliche Terrorakte loben. Nur wenige Tage vor der Wahl erklärte Gantz, dass es das Ziel von Blau und Weiss sei, eine jüdische Mehrheit zu bekommen, um eine Regierung zu bilden. Nach dem Zusammenbruch seiner Unterstützerbasis bei den Wahlen nannte er Netanjahu jedoch einen Rassisten, weil er sich auf eine zionistische Mehrheit berief.

Das ist verlogen. Gantz‘ Kommentare könnten in der Tat als rassistisch aufgefasst werden, da er einen ganzen Bereich der israelischen Gesellschaft negiert hat. Im Gegensatz zu Gantz lehnt Netanjahu nicht die Araber als Gesellschaftsschicht ab, sondern lediglich die arabischen Mitglieder der Knesset, die Israel nicht als jüdischen Staat anerkennen.

Denjenigen, die gegen die Bildung einer Koalition mit dem arabischen Block protestieren, vorzuwerfen, sie seien rassistisch und undemokratisch, ist unsinnig.

Die Opposition gegen die Gemeinsame Liste ist nicht rassistisch, sondern lehnt den Block als legitimen Partner ab, weil er vier Gruppen umfasst, die sich verpflichtet haben, Israel in einen binationalen Staat zu verwandeln. Hadash, die grösste (und moderateste) ist eine stalinistische kommunistische Gruppe. Sie alle unterstützen unsere Gegner und verteidigen häufig Terrorakte oder versuchen, sie zu rationalisieren.

Die Zusammenarbeit mit solchen Elementen, deren blosse Existenz in der Knesset ein Ausdruck der israelischen Ultra-Demokratie ist, grenzt an Verrat. Würde irgendein westliches Land eine Gruppe tolerieren, welche die Zerstörung des Staates predigt und den Terrorismus rechtfertigt?

Zu seiner ewigen Schande enthüllte Gantz in seiner Ansprache an die Nation am vergangenen Samstagabend, dass die Führung von Blau und Weiss keine Skrupel hat, sich mit eben jenen Knessetmitgliedern zu arrangieren, welche die Zerstörung Israels anstreben würden. Es scheint, dass auch Liberman in seinem Hass auf Netanjahu bereit ist, diesen schändlichen, zynischen Trick mitzumachen. Dem Zynismus sind keine Grenzen gesetzt, wenn Moshe Ya’alon, von dem Mitglieder der Gemeinsamen Liste in der Vergangenheit gesagt haben, er solle wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden, bereit ist, ihre Unterstützung zu gewinnen, um Netanjahu zu verdrängen. Gibt es denn keine Scham?

Eine vierte Wahl kommt nicht in Frage

Für die Bildung einer Regierung sind 61 Sitze erforderlich. Unter normalen Umständen würde dies logischerweise erfordern, dass Likud und Blau-Weiss eine Regierung der nationalen Einheit bilden (was die überwiegende Mehrheit der Israelis vorzieht) oder dass entweder Liberman oder Labor-Gesher einer von den Likud geführten Koalition beitreten.

Derzeit bleibt die festgefahrene Situation bestehen, da Netanjahus Gegner weiterhin seinen Rücktritt als Vorbedingung für Verhandlungen fordern. Sie tun dies, obwohl Gantz durch seine mittelmässigen Äusserungen und seine widersprüchliche Politik selbst viele von Netanjahus glühendsten Kritikern verprellt hat.

Die Aussicht auf eine vierte Wahl ist für alle abscheulich und kommt nicht in Frage.

Die Bereitschaft, sich mit der gemeinsamen antizionistischen Liste zu verbünden, zeigt jedoch, wie sehr in wesentlichen Teilen der israelischen Gesellschaft ungezügelter Hass herrscht.

Die Mehrheit der Israelis, selbst diejenigen, die vom pathologischen Hass auf Netanjahu verzehrt werden, erkennen, dass er mit all seinen Schwächen bei weitem die beste Person ist, um diese Nation in den nächsten Monaten zu führen, damit wir aus dem Trump-Friedensplan das Beste herausholen können.

Nach den israelischen Wahlen forderte der leitende Berater des Weissen Hauses, Jared Kushner, die Palästinenser auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, andernfalls werde die Trump-Administration die Annexion abgegrenzter Gebiete in Judäa und Samaria durch Israel genehmigen. In Anbetracht der Unsicherheit in den USA über die bevorstehenden Wahlen (vor allem wegen des Coronavirus, das die Wirtschaft schwächt), ist dies möglicherweise eine einmalige Gelegenheit für Israel, seine Grenzen mit amerikanischer Unterstützung zu sichern.

Angesichts der jüngsten Bedrohung durch die potenziell schrecklichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen des Coronavirus brauchen wir sicherlich eine starke einheitliche Regierung, um die anstehenden Entscheidungen zu treffen.

Wir sollten uns auch Sorgen über den Druck machen, dem wir ausgesetzt sein werden, falls Trump und die Republikaner besiegt werden. Können wir uns angesichts der Leistung von Gantz als Führer der Opposition darauf verlassen, dass er ein starker Führer ist und die besten Interessen Israels vorantreibt? Wissen wir überhaupt, wo er in den wichtigsten politischen Fragen steht? Anfangs identifizierte er sich mit der Sicherheitspolitik des Likud und billigte den Trump-Plan, aber in letzter Zeit ist er aufgrund des Drucks potenzieller Koalitionspartner ausweichend geworden.

Jetzt stehen wir vor der schrecklichen Aussicht, dass Menschen auf der rechten Seite wie Liberman und Ya’alon bereit sind, sich mit den antizionistischen arabischen Parteien zu verbünden, um die demokratische Entscheidung einer zionistischen Mehrheit zur Unterstützung Netanjahus zu überwinden.

Entgegen seiner Zusage hat Gantz nun selbst formell seine Absicht bekannt gegeben, eine Regierung zu bilden, die auf die Unterstützung der Gemeinsamen Liste angewiesen ist. Dies wird natürlich erhebliche Zugeständnisse an einen antizionistischen Block erfordern. Unmittelbar gesehen wird es bedeuten, dass eine solche Regierung weder in der Lage sein wird, den Trump-Friedensplan umzusetzen und schon gar nicht die Annexion der Siedlungsblöcke und anderer strategischer Gebiete in Betracht zu ziehen, selbst wenn sie scheinbar grünes Licht erhalten würde.

Sicherlich ist eine solch schändliche Zusammenarbeit mit einem antizionistischen Block, der sich in die israelische Sicherheitspolitik einmischt, ein Verrat an der zionistischen Idee, welche diese Parteien zu vertreten vorgeben.

Wir können nur hoffen, dass es genügend Mitglieder der Blau-Weissen in der Knesset gibt, die über ein gewisses Mass an Integrität und Anstand verfügen und immer noch glauben, dass das Wohl der Nation Vorrang vor den zynischen kurzfristigen politischen Zielen ihrer Entscheidungsträger hat.

Unsere politischen Verantwortlichen, einschliesslich Netanjahu, müssen miteinander verhandeln und eine Lösung finden, die keine von Hamas-Anhängern abhängige Regierung zulässt. Wenn sie dies nicht tun, müssen wir die Tatsache betrauern, dass unsere Politiker die Tradition des Sinat Chinam, des grundlosen Hasses, der vor 2000 Jahren zur Zerstörung Israels führte, fortführen.

Isi Leibler ist ehemaliger Vorsitzender der australischen jüdischen Gemeinde und ehemaliger Vorsitzender des Verwaltungsrates des Jüdischen Weltkongresses. Dieser Kommentar wurde erstmals in der Jerusalem Post und der Tageszeitung Israel Hayom veröffentlicht. Übersetzung Audiatur-Online.