Der wegen Mordes in Israel inhaftierte und im Austausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Shalit freigelassene neue starke Mann der Terrorgruppe gilt als kompromisslos und unvorhersehbar.
Wie ein offizieller Vertreter der Hamas am Montag bestätigte, wurde Yahya Sinwar, der als einer der rücksichtslosesten Hamas-Chefs angesehen wird, zum Anführer der Terrorgruppe im Gazastreifen gewählt.
Der 55-jährige Sinwar meidet im Allgemeinen das Rampenlicht, gilt jedoch als unberechenbarer Hardliner, der die Loyalität der Führung des militärischen Flügels der Hamas geniesst.
Er wird Ismail Haniyeh ersetzen, der für die Nachfolge von Khaled Mashaal, als Führer des Politischen Büros der Hamas, kandidieren will.
Sinwar, der 1989 wegen Mordes an palästinensischen Kollaborateuren mit Israel zu einer lebenslänglichen Haft verurteilt wurde, verbrachte 22 Jahre in israelischen Gefängnissen, bis er 2011 im Austausch gegen den IDF-Soldaten Gilad Shalit aus dem Gefängnis entlassen wurde.
In September 2015 wurde Sinwar zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern der Kassam-Brigaden auf der Schwarzen Liste der USA für potentielle Terroristen genannt.
Der in Khan Younis im südlichen Gaza geborene Sinwar hat einen Hochschulabschluss in Arabisch und ist Gründer des „Majd“, einer der Geheimdienste der Hamas.
Arabischen Medienberichten zufolge wurde Khalil al-Hayya, seit 2006 Gesetzgeber der Hamas und Mitglied des Politischen Büros der Gruppierung, zu Sinwars Stellvertreter gewählt.
قناة الجزيرة: حماس تنتخب يحيى السنوار مسؤولا لها بغزة وخليل الحية نائبا له. pic.twitter.com/pC8vvgQXhR
— فلسطين بوست (@plespost) February 13, 2017
Auf einem online veröffentlichten Bild sind Hayya links und Sinwar rechts von ihm zu sehen.
Seit Anfang Januar führte die Hamas geheime interne Wahlen durch. Die Wählerschaft der Hamas setzt sich aus vier Gruppen zusammen – den Aktivisten in Gaza, dem Westjordanland und im Exil sowie den in Israel inhaftierten Mitgliedern. Jede der vier Gruppen wählt sowohl lokale Anführer als auch Delegierte für den Schura-Rat der Gruppierung.
Die Hamas muss nun noch einen neuen politischen Anführer als Ersatz für Mashaal wählen, der bereits angekündigt hat, dass er sich von seinem Posten zurückziehen will. Der heisseste Anwärter auf diesen Posten ist der ehemalige palästinensische Premierminister und scheidende Anführer in Gaza, Haniyeh, der derzeit als Stellvertreter Mashaals fungiert. Es wird erwartet, dass diese Wahlen in den kommenden Monaten abgeschlossen sein werden.
Die Wahl von Sinwar als Anführer der Hamas in Gaza signalisiert den zunehmenden Einfluss der bewaffneten Kassam-Brigaden, die offensichtlich derzeit im Gazastreifen mehr zu sagen haben als die politischen Führer.
Sinwar gilt selbst innerhalb der Hamas als überaus aggressiv und lehnt jeden Widerspruch gegen seine Politik gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israel rigoros ab. Selbst im Gefängnis war er einer der erbittertsten Gegner des Gefangenenaustauschs gegen Shalit, da er der Ansicht war, dass man sich durch das Eingehen auf die Konditionen des Deals – sprich: einen israelischen Soldaten im Austausch für 1.027 palästinensische Gefangene – den Bedingungen Israels ergeben hatte.
Seit seiner Freilassung ist es ihm gelungen, einen grossen Anteil an der politischen Macht innerhalb der Hamas an sich zu ziehen. Er wurde schon länger weithin als mächtigster Mann in Gaza betrachtet, auch ohne Anführer des militärischen oder politischen Flügels der Hamas zu sein.
Die Hamas behauptet, derzeit vier Israelis in Gaza gefangen zu halten, obwohl nach Aussage Israels zwei dieser vier Soldaten im Krieg von 2014 getötet wurden.
Kobi Michael, ein Analyst und ehemaliger Leiter des palästinensischen Ressorts im israelischen Ministerium für strategische Angelegenheiten, sagte laut der Times of Israel, die Ernennung habe israelische Politiker in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
„Er repräsentiert die radikalste und extremste Linie der Hamas“, sagte er gegenüber Reportern. „Sinwar glaubt an den bewaffneten Widerstand. Er glaubt an keine Form der Zusammenarbeit mit Israel.“
Quellen: Times of Israel, Agenturen