Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen?

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Die Knesset in Jerusalem, ist das Parlament des Staates Israel.Foto Djampa, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6408827
Die Knesset in Jerusalem, ist das Parlament des Staates Israel.Foto Djampa, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6408827
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Wissenschaftler und Völkerrechtler bemühen sich dieser Tage, die „katastrophale Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels“ zu analysieren. Zu dem Zweck wird Völkerrecht erfunden, UNO-Resolutionen werden falsch zitiert, Kriegsszenarien werden an die Wand gemalt. Juden, Christen, Moslems, Araber, Palästinenser, Israelis versuchen mit zum Teil lächerlichen Argumenten ihre „Ansprüche“ auf Jerusalem zu beweisen. Sind den Gegnern israelischer oder amerikanischer Politik etwa die Argumente ausgegangen?

 

Mit archäologischen Funden kann man zwar die Geschichte einer Stadt nachvollziehen, aber für moderne Besitzansprüche haben diese Funde keinerlei Bedeutung. Warum sollte eine Münze mit einer jüdischen Prägung wichtiger sein als eine Münze mit christlichem Kreuz oder muslimischen Symbolen? Die Zahl der namentlichen Erwähnungen der Stadt im Alten oder Neuen Testament oder im Koran mag eine interessante Statistik sein und die Emotionen der Juden, Christen oder Moslems mitbestimmen. Aber wer kann entscheiden, ob eine tausendjährige Nationalgeschichte, die Auferstehung eines Messias oder die Himmelfahrt eines Propheten entscheidend sind für die heutige politische Zuordnung einer Stadt?

Einmal Umma – immer Umma?

Gemäss muslimischer Auffassung von der sogenannten „Umma“ gilt alles Land, das irgendwann mal vom Islam „befreit“ worden ist, für immer als muslimisch. Sogar der Vatikan wurde mal im 8. Jahrh. für kurze Zeit erobert. Besonders kritisch ist das bei Spanien, aber selbstverständlich gilt das auch für Palästina. Allein deshalb ist es für „die Moslems“ nicht akzeptabel, wenn „Ungläubige“ ein Stückchen des islamischen Territoriums zurückerobern und in ihm einen eigenen Staat errichten. Das ist der tiefe Grund, weshalb die Palästinenser immer wieder darauf bestehen, Israel nicht als „jüdischen“ Staat anzuerkennen.

In europäischen Ohren klingt es wie ein „Friedensangebot“, dass die Palästinenser bereit sind, Israel als „demokratischen Staat mit gleichen Rechten für alle seine Bürger“ anerkennen zu wollen. Doch dahinter steckt ein kleiner Trick, die jüdische Vorherrschaft und damit den Staat Israel und seinen „Sitz im Leben“ als Zufluchtsstätte aller Juden in der Welt abzuschaffen. Im Rahmen der „Gleichberechtigung“ solle dann die Möglichkeit einer automatischen Einwanderung für Juden abgeschafft werden, während gleichzeitig den auf 5 Millionen Menschen angeschwollenen Flüchtlingen von 1948 und ihren Kindeskindern selbstverständlich ein Rückkehrrecht in das Staatsgebiet Israels eingeräumt werden müsse. Damit wäre die jüdische Mehrheit in Israel abgeschafft und der bisherige „jüdische Staat“ würde sich umgehend in einen weiteren arabischen Staat mit jüdischer Minderheit verwandeln.

Fast alle muslimischen Staaten haben Juden vertrieben 

Die Juden haben unmittelbar nach der Staatsgründung 1948 eine sehr schlechte Erfahrung gemacht. Fast alle muslimischen Staaten, bis auf Marokko und Iran, haben sämtliche Juden aus ihren Grenzen vertrieben. Sie sind heute „judenfrei“. Manche Gemeinden wie in Kairo, Damaskus, Bagdhad oder im Jemen existierten nachweislich schon 3.000 Jahre. Knapp eine Million Menschen aus diesen Ländern floh mittellos. Sie mussten allen ihren Besitz zurücklassen. Der oft geäusserte höhnische Spruch von Palästinensern, „dann sollen doch die Juden dahin zurückkehren, wo sie hergekommen sind“, kann auf die „orientalischen“ Juden nicht angewandt werden. Für sie gibt es keine Rückkehr. Heute machen sie etwa die Hälfte der Juden Israels aus.

„Ur- Palästinenser“ kamen in den 1920ger Jahren

Die Palästinenser bezeichnen sich stolz als die Nachkommen der Ureinwohner. Dass die meisten erst in den 1920er Jahren aus arabischen Hungergebieten eingewandert sind, wird verschwiegen. Ein Blick auf die Nachnahmen zeigt oft ihre Herkunft: Osman, Iraki, el/al Masri (der Ägypter). Weder Archäologie, noch Geschichte, weder die Herkunft der meisten Einwohner, geschweige Heilige Schriften oder romantische Lieder können als Leitfaden dafür dienen, wer Jerusalem als Hauptstadt ausrufen, bezeichnen oder beanspruchen darf. Auch der Ostteil Jerusalems war lediglich 19 Jahre arabisch, als ihn Jordanien zwischen 1948 und 1967 okkupiert hatte.

Nach Kriegen ändern sich Besitzverhältnisse. Das gilt genauso für andere Länder wie Vietnam oder Korea und natürlich für die deutschen Gebiete, die infolge des verlorenen Kriegs an Polen, Russland und Frankreich gingen. Da Verhandlungen zu Jerusalem sämtlich gescheitert sind und die Palästinenser mehrmals selbst grosszügige israelische Angebote, darunter auch eine erneute Teilung der Stadt ausgeschlagen haben, tut jede Seite ohnehin, was sie für richtig hält. Dabei war bisher nur entscheidend, was der real existierende Staat Israel getan hat. Sollten die Parteien bei Verhandlungen etwas Anderes beschliessen, eine geteilte oder eine gemeinsame Hauptstadt, so ist ihnen das immer noch unbenommen.

Trumps Aufreger hat an den Fakten nichts geändert

Trump hat mit seiner seltsam schwammigen Erklärung Bewegung in die Geschichte gebracht, faktisch aber nichts geändert. Er hat weder bestimmt, wer der Souverän in der Stadt sein sollte, noch die Grenzen festgelegt. Er hat lediglich nach vielen Jahren die Kontroverse um Palästina/Jerusalem wieder auf die arabische Tagesordnung gesetzt. Dafür müssten ihm die Palästinenser zutiefst dankbar sein. Denn infolge des „Arabischen Frühlings“ und der Kriege in Syrien, Jemen, Libyen und Irak haben die Araber längst verstanden, dass die Palästinenser und deren Streit mit den Israelis völlig irrelevant sind.

Aus Sicht aller Anwohner wäre allerdings zu wünschen, dass die Aufmerksamkeit weltweit nachliesse, denn ohne mediale und politische Anheize würden die Palästinenser auch ihre gewalttätigen Krawalle erfahrungsgemäss bald wieder zurückfahren. Was insbesondere die kleinen arabischen Händler in Nazareth und Bethlehem hoffen, die zur Weihnachtszeit auf tausende christliche Pilger warten.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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