Im Oktober 2009 feierte eine Gruppe von Neo-Nazis, die als türkische Lehrer verkleidet waren, Hitler in der Stadt Kayseri in der Zentraltürkei. Ungefähr einen Monat später teilte der AKP-Bürgermeister der Küstenstadt Rize, Halil Bakirci, mit, dass „wir wegen der israelischen Politik sehr besorgt sind, dass israelischen Touristen etwas Unerwünschtes widerfahren könnte.“
In meiner Kolumne „Misalliance of Civilizations“,die ich zu dieser Zeit schrieb, fragte ich, “würden sich sudanesische Touristen [in der Türkei] in Gefahr befinden, weil gegen ihr Staatsoberhaupt ein Haftbefehl wegen des Verbrechen der ethnischen Säuberung ausgeschrieben ist? Befanden sich irakische Touristen in Gefahr, als Saddam Hussein Kuwait besetzte?“ Und nun dreieinhalb Jahre später frage ich: Befinden sich syrische Zivilisten in der Türkei in Gefahr, weil ihr Präsident sein eigenes Volk bombardiert? Was also bringt israelische Touristen in der Türkei in die exklusive Gefahr, wenn doch die Türken die Gepflogenheit besitzen, andere Staatsangehörige nicht für die Taten ihrer Regierungen verantwortlich zu machen?
Während in der vergangenen Woche israelische und internationale Medien mit frohem Gesang „Zeit für ein Friedensangebot an die Türkei“ oder „eine neue Annäherung an die Türkei“ anstimmten und die Schlittenglocken für das Widerbeleben der Freundschaft läuteten, beantwortete Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan genau diese Frage aus dem vorherigen Abschnitt; und zwar ironischerweise an einem UN-Anlass zum Dialog zwischen dem Westen und dem Islam: „Islamophobie sollte genauso als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet werden wie Zionismus, Antisemitismus und Faschismus“, sagt er. Und die Welt war „schockiert“, wieder einmal.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon glaubt, es sei „bedauernswert, dass solche verletzenden und polarisierenden Kommentare an diesem Treffen geäussert wurden…anlässlich des Themas verantwortliche Führung.“ In einer UN-Mitteilung heisst es, dass Erdoğans Aussage nicht nur falsch war, sondern auch den Prinzipien widerspreche, „auf denen die Allianz der Zivilisationen begründet ist.“ Und US-Aussenminister John Kerry sagte, dass „Kommentare (von Erdoğan), die den Zionismus mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichsetzen, die Bemühungen, Frieden im Nahen Osten zu finden, verkomplizieren.“
Meine Herren, sie mögen vielleicht alle schockiert sein, und ich bin – wieder einmal – schockiert, dass sie schockiert sind. Darf ich ihrer Erinnerung auf die Sprünge helfen: Die Rede ist hier von einem Ministerpräsidenten, der 2010 den Muammar Gaddafi Menschenrechtspreis erhielt; der von der Hälfte der Bevölkerung gewählt wird, dessen Aussenpolitik von 65 Prozent bewundert wird; einem Land, in dem nur vier Prozent eine wohlwollende Meinung über Juden haben, 41 Prozent glauben, dass das Judentum die gewalttätigste Religion auf der Welt sei und nur neun Prozent glauben, dass arabische Gruppen die Anschläge vom 11. September durchgeführt haben. Willkommen in der Türkei!
Ausserdem ist das Wort „Phobie“ – griechisch Angst, Furcht – nicht unbedingt die exakt richtige Wahl, um ein Verbrechen zu definieren. Wie kann die schlichte Angst vor etwas ein Verbrechen sein? Eine Phobie kann ein Verbrechen „provozieren“, wenn eine phobische Person ein Verbrechen, das auf Angst oder Furcht zurückführt, begeht. Und auch ist der „Islam“ Teil des erfundenen Wortes Islamophobie falsch. Wenn Muslime dieses Wort zur Beschreibung fanatischer Muslim-Hasser oder der radikalen Islamfeindlichkeit verwenden würden, hätten sie a) sich ein besseres Wort wie Islamistophobie einfallen lassen sollen und b) sind in den demokratischeren Teilen unserer Welt Hassreden/Handlungen/Diskriminierung bereits Verbrechen und zwar unabhängig vom Glauben oder ethnischer Herkunft.
Das meiste radikale Verhalten gegen den Islam wendet sich genau genommen nicht gegen den Islam, sondern entweder gegen radikale Auslegungen und/oder Praktiken des Islam oder Islamismus, besonders wenn letztere öffentlich die Islamisierung nicht-muslimischer Länder, Kulturen und Völker als Ziel verkündet. Tatsache ist, dass auch ziemlich viele Muslime gegen den radikalen Islam sind. „Islamophobe“ haben keine Phobie vor Muslimen, die eine Phobie gegen den radikalen Islam hegen.
Vielleicht sollte UN-Generalsekretär Ban in Betracht ziehen, das Top-Management der Allianz der Zivilisationen mit einer besseren und neuen Truppe neu zu besetzen. Meine Kandidaten wären Khaled Mashal von der Hamas, Anders Breivik von der Norwegischen Verteidigungsliga, Baruch Marzel von der Jüdischen Nationalfront und Nikolaos Michaloliakos von der griechischen Goldenen Morgendämmerung.
Originalversion: Abhorrence of Civilsations by Burak Bekdil © Hürriyet Daily News, March 6, 2013.