Mahmoud Abbas „der Jude“

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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu bei der Beerdigung von Shimon Peres. Foto Ruptly Screenshot / Gatestone
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Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmoud Abbas wird derzeit mit einer Flut an Kritik konfrontiert, weil er die Beerdigung des früheren israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres in Jerusalem besucht hat. Die Wut, die Abbas entgegenschlägt, ist keine Überraschung für diejenigen, die mit der unablässigen Aufstachelung gegen Israel, die seit Jahren in der palästinensischen Gesellschaft stattfindet, vertraut sind.

von Khaled Abu Toameh

Wenn schon die Teilnahme an der Beerdigung eines israelischen Führers, der die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens dem Frieden zwischen Israel und den Palästinensern gewidmet hat, eine solche Missbilligung nach sich zieht, kann man sich unschwer vorstellen, was geschehen würde, wenn ein palästinensischer Führer Israel ein Friedensangebot machen würde.

Präsident Abbas muss nun seine eigene Medizin schlucken. Das passiert, wenn man in den Medien, Moscheen und in öffentlichen Äusserungen eine Lawine von Hass auf Israel und seine Führer lostritt. Das passiert, wenn man zu seinem Volk sagt, die israelischen Führer seien „Kriegsverbrecher“, die vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden müssten. Das passiert, wenn man seinem Volk eintrichtert, dass die Juden mit ihren „schmutzigen Füssen“ die heiligen Stätten Jerusalems entweihen. Das passiert, wenn man Israel der „ethnischen Säuberung“, „aussergerichtlicher Hinrichtungen“ und der „Vergiftung“ Yasser Arafats bezichtigt.

Mit welcher Reaktion hatte Abbas in Anbetracht dieser Hirnwäsche gerechnet, wenn er in irgendeiner Art und Weise mit einem israelischen Führer in Verbindung gebracht wird?

Es ist schwer zu glauben, dass Abbas und seine Handlanger von der aktuellen Welle der Verurteilung überrascht wurden. Doch mit einer solchen Flut an bösen Kommentaren hatten sie wahrscheinlich nicht gerechnet.

“Im 11. Jahr der vierjährigen Regierungszeit”

Abbas ist nun von allen Seiten unter Beschuss geraten. Er wird nicht nur von seinen politischen Feinden in der Hamas, dem Islamischen Dschihad und der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) angefeindet, sondern auch von Gruppen und Persönlichkeiten, die zu seiner regierenden Fatah-Fraktion gehören.

Die Palästinenser sagen, der 81-jährige Abbas, der sich mittlerweile im elften Jahr seiner vierjährigen Regierungszeit befindet, sehe sich mit der bisher grössten Herausforderung für seine Führungsrolle konfrontiert. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Anschuldigungen nachlassen. Ganz im Gegenteil, jeden Tag gibt es eine neue Flut an Vorwürfen, die die Beamten der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah dazu veranlassten, scharfe Verwarnungen gegen diejenigen auszusprechen, die die Situation ausnutzen, um gegen Abbas „Stimmung zu machen“. Solche Drohungen hindern seine Kritiker jedoch nicht daran, ihn weiter zu attackieren und zum Rücktritt aufzufordern.

Einer von denen, die bereits für ihre Kritik an Abbas bezahlen mussten, ist Lieutenant Colonel Osama Mansour, ein hochrangiges Mitglied des Militärapparats der PA. In einem Facebook-Post verurteilte er die Teilnahme von Abbas an Peres‘ Beerdigung aufs Schärfste:

„Wenn Sie alleine die Entscheidung getroffen haben, an der Beerdigung des Mörders unserer Söhne teilzunehmen, haben Sie einen Fehler gemacht. Wenn Sie diese Entscheidung aufgrund der Empfehlung Ihrer Berater getroffen haben, dann wurden Sie fehlgeleitet.“

Nur wenige Stunden nach Veröffentlichung des Posts wurde Mansour suspendiert und später vom militärischen Nachrichtendienst der PA verhaftet. Die Beamten stürmten sein Haus und durchsuchten es, wobei laut Mansours Familie mehrere Möbelstücke zu Bruch gingen. Das Gericht der PA hat mittlerweile angeordnet, Mansour für 15 Tage in Untersuchungshaft zu nehmen.

Die Suspendierung und anschliessende Verhaftung des Offiziers lösten eine neue Welle der Wut gegen Abbas und seine Sicherheitskräfte aus. In den sozialen Medien protestierten die Palästinenser gegen das harte Vorgehen, feierten Mansour als Helden und bezeichneten Abbas als einen „Hund“ und „Verbündeten“ Israels. Einige schlugen vor, der Offizier solle aufgrund seiner mutigen Worte ein Minister im PA-Kabinett werden.

Das Vorgehen gegen den hochrangigen Offizier hielt jedoch nicht viele sonst loyale Abbas-Anhänger davon ab, sich wegen der Teilnahme an der Beerdigung von Peres gegen ihn auszusprechen.

Die „Jugendbewegung“ der Fatah, auf Arabisch Al-Shabiba genannt, veröffentlichte eine Stellungnahme, in der sie Abbas aufrief, sich bei den Palästinensern für diesen „schwerwiegenden Fehler“ zu „entschuldigen“. Laut der Erklärung sei Abbas‘ Teilnahme an dem Begräbnis für die Palästinenser „demütigend und entwürdigend“ und eine Form von „Hochverrat“. Die Gruppe wies darauf hin, dass Abbas‘ Handeln einen Verstoss gegen die Richtlinien der Fatah darstelle, welche die „vollständige Befreiung Palästinas sowie die Beendigung der wirtschaftlichen, politischen, militärischen und kulturellen Besetzung durch Israel“ vorsehen. Die Gruppe wendete sich mit folgenden Worten an Abbas:

„Herr Präsident des Staates Palästina, Mahmoud Abbas. Sie haben ein Verbrechen gegen unser Volk begangen, indem Sie den Henker mit dem Opfer gleichsetzen. Wir lassen nicht zu, dass Verrat zu einer Einstellung wird.“

Mehrere hochrangige Fatah-Mitglieder versuchten, sich von Abbas’ Entscheidung, die Beerdigung von Peres zu besuchen, zu distanzieren und behaupteten, sie wären nicht im Voraus konsultiert worden.

Einer von ihnen, Tawfik Tirawi, ehemaliger Kommandeur des PA-Geheimdienstes im Westjordanland, verkündete, er persönlich sei gegen diese Geste von Abbas. Er erklärte, dass Abbas nicht die Meinung der Fatah-Führung eingeholt habe, bevor er das Begräbnis besuchte:

„Wäre ich als Mitglied des Fatah-Zentralkomitees persönlich zu Rate gezogen worden, hätte ich klargemacht, dass ich grundsätzlich gegen eine Teilnahme bin, da dies die Beerdigung eines Zionisten ist, der von Kopf bis Fuss im Blut unseres Volkes und dem anderer Araber steht.”

Tirawi beschrieb Peres ausserdem als „Urheber des israelischen Atomprojekts, das sämtliche Pläne zur Zurückerlangung unseres Landes vereiteln soll”.

Die massiven Proteste gehen Abbas’ Entscheidung, an der Beerdigung von Peres teilzunehmen, nahmen am 3. Oktober gewaltsame Züge an, als PA-Polizisten unter Gewaltanwendung eine friedliche Demonstration in Ramallah auflösten. Der Protest, der von der PFLP organisiert worden war, ist ein weiteres Zeichen für die starke Abneigung, die viele Palästinenser nicht nur Abbas, sondern auch Israel gegenüber hegen.

Der palästinensische Anwalt Muhanad Karajeh, der für eine Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Ramallah arbeitet, berichtete, dass er von den Organisatoren gebeten wurde, bei der Veranstaltung anwesend zu sein, um alles zu dokumentieren. Der Anwalt berichtete, dass er während des Protests von PA-Sicherheitsbeamten heftig zusammengeschlagen wurde. „Ich wurde wiederholt ins Gesicht und auf verschiedene andere Körperteile geschlagen“, erzählte er. „Einige der Beamten kenne ich persönlich. Sie zerrissen meinen Anzug, obwohl ich ihnen sagte, dass ich Anwalt bin. Sie demütigten mich und verfluchten mich und meinen Beruf.“

In einem verzweifelten Versuch, die sich ausweitenden Proteste einzudämmen, organisierten Abbas‘ Berater spontane Märsche zur Unterstützung des PA-Präsidenten. Die PA-Führung trommelt immer dann ihre Fatah-Aktivisten und -Schlägertrupps zusammen, wenn es brenzlig wird. Zahlreiche Fatah-Mitglieder zogen mit Fotos von Abbas und gelben Fatah-Flaggen als Zeichen der Machtdemonstration und Warnung an die Kritiker von Abbas durch die Strassen von Ramallah. „Wir stehen hinter unserer historischen Führung und Präsident Abbas“, erklärte der führende Fatah-Aktivist Osama Qawassmeh. „Die Fatah ist eine rote Linie und das Opfer einer Verschwörung.“

In den sozialen Medien wurde Abbas hart attackiert. Palästinensische Aktivisten verbreiteten Karikaturen, in denen Abbas verspottet wird. Eine zeigt, wie Abbas als Rabbi in israelischer Militäruniform und mit einer Kippa auf dem Kopf neben dem Grab von Peres steht und weint. Auf einer anderen legt ein Araber einen Kranz auf einem Stiefel neben Peres’ Foto nieder.

Auf Twitter verwendeten Aktivisten Hashtags wie „Beileidsbekundungen zum Tod von Peres sind Verrat“ und „Normalisierung ist Verrat“.

„Wir hoffen, er wird zusammen mit Peres in der Hölle schmoren“

Auch die Hamas hatte etwas zum „Verrat“ von Abbas zu sagen. Mahmoud Zahar, einer der Führer der islamistischen Bewegung im Gazastreifen, meinte, man könne Abbas der islamischen Lehre zufolge als Jude bezeichnen. „Wir hoffen, er wird zusammen mit Peres in der Hölle schmoren“, sagte Zahar. „Abbas ist ein Produkt Israels. Der Mann, der behauptet, das gesamte palästinensische Volk zu repräsentieren, hat sich gegen alle Palästinenser und Araber gestellt.“

Eine grosse Gruppe palästinensischer und arabischer Akademiker, Journalisten und politischer Aktivisten unterzeichnete eine Petition, in der Abbas aufgerufen wird, sich für die Teilnahme an Peres‘ Beerdigung zu entschuldigen, die in dem Dokument als „historischer und politischer Fehler“ bezeichnet wird. Mindestens 150 Palästinenser und Araber unterzeichneten die Petition, in der betont wird, dass die Entscheidung von Abbas ein „Schock“ für die Palästinenser sei.

Die Proteste haben sich mittlerweile auf palästinensische Flüchtlingslager im Westjordanland, im Gazastreifen und in den angrenzenden arabischen Ländern ausgeweitet. Im Flüchtlingslager Balata in der Nähe der Stadt Nablus im Westjordanland riefen Tausende Palästinenser Parolen und forderten die Entmachtung von Abbas. Die Proteste fanden während der Beerdigung eines palästinensischen Mannes statt, der eine Woche zuvor von Polizisten der Palästinensischen Autonomiebehörde erschossen worden war.

Der beispiellose Aufschrei über die Teilnahme von Abbas an dem Begräbnis eines israelischen Führers ist ein weiterer Beweis dafür, wie sehr die Palästinenser radikalisiert worden sind. Ärger über Abbas und seine Politik ist nichts Neues. Immer mehr Palästinenser haben in den letzten Jahren ihrer Wut über seine „nachsichtige“ Politik gegenüber Israel Luft gemacht. Besonders stören sie die andauernden Sicherheitsgespräche zwischen den PA-Sicherheitskräften und Israel. Sie sehen diese Zusammenarbeit mit den Israelis als „Hochverrat“ an. Viele Palästinenser sind ausserdem wütend auf Abbas, weil er sich weigert, seine Macht zu teilen und den Weg für neue Führer frei zu machen.

Die Schuld für die Radikalisierung der Palästinenser liegt voll und ganz bei Abbas und dem Rest der PA. Wenn man den Boykott Israels unterstützt, sollte man damit rechnen, attackiert zu werden, wenn man diesen Boykott bricht, indem man Umgang mit Israelis – egal ob tot oder lebendig – pflegt. Proteste lassen irgendwann nach, aber selbst wenn der derzeitige Aufruhr irgendwann abebbt, sendet er eine Botschaft an zukünftige palästinensische Führer: „Kein Frieden mit Israel – weder jetzt noch in der Zukunft.“

Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.

2 Kommentare

  1. Genau! Sehr schöner Kommentar 🙂

    Für die jüngeren Leser dazu folgendes Video über Villarriba und Villabajo:

  2. Der Staatspräsident Reuven Rivlin betonte aktuell, das Sukkotfest sei ein Zeichen des Friedenswillens des jüdischen Volkes.

    Während also in Villarriba schon wieder gefeiert wird,
    werfen wir doch einen kurzen Blick nach Villabajo:

    Dort kämpft der fiktiv inthronisierte Staatspräsident Mahmoud Abbas,
    begleitet von Horden von ihm privilegierter Schlägertrupps und Claqueure,
    mit Festnahmen und Verboten,
    für sein Recht auf die (bereits erfolgte!) Teilnahme an der
    Beerdigung von Shimon Peres.

    Diesen audiatur-Artikel soll und muss man gelesen haben,
    möchte man wissen, wovon die Pali-Araber eigentlich reden,
    wenn Sie beständig vor der Welt ihren Friedenswillen bekunden!
    Zwei Präsidenten, zwei Reden vom Frieden!
    Aber irgendeiner der beiden spült hier nicht ganz fair(y)!

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