Der Bundesrat und der Nahostkonflikt: Wie fragwürdige NGOs die Schweizer Aussenpolitik lenken

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Foto Screenshot parlament.ch
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Am 6. März 2024 reichte der Genfer Grüne Nationalrat Nicolas Walder eine Motion ein, die den Bundesrat aufforderte, die von Frankreich beschlossenen Sanktionen gegen 28 «gewalttätige Siedler» aus Israel zu übernehmen. Der Bundesrat empfahl die Motion zwar zur Ablehnung, verwendete jedoch Zahlen, die Anlass zu Zweifeln gaben. Woher er die Zahlen hatte, ist bis heute unklar.

In seiner Stellungnahme zur Motion erklärte der Bundesrat am 15. Mai 2024 unter anderem: «Die Schweiz verurteilt die von den Siedlern an der palästinensischen Zivilbevölkerung begangenen Gewalttaten. Im Jahr 2023 erreichte diese Gewalt einen traurigen Höhepunkt und führte zum Tod von über 400 Palästinenserinnen und Palästinensern sowie zu Zwangsumsiedlungen von mehr als 1000 Zivilpersonen und zur Zerstörung grundlegender Infrastrukturen − die teilweise unbestraft blieben.»

Audiatur-Online richtete deshalb eine Anfrage an die Bundeskanzlei, die von verschiedenen Bundesstellen beantwortet wurde: Auf welche Quelle stützt sich der Bundesrat bei diesen Zahlen und Angaben, vor allem beim «Tod von über 400 Palästinenserinnen und Palästinensern durch Siedlergewalt», und wie wurden die Zahlen verifiziert? Wer hat die Vertreibungen und Zerstörungen durchgeführt und auf welche Daten stützt sich der Bundesrat sich bei Aussage über die Straflosigkeit.

In seiner Antwort schrieb das Eidgenössische Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), der Bundesrat stütze sich bei seinen Angaben zur Gewalt im Westjordanland, einschliesslich der Siedlergewalt, auf Daten der UNO, insbesondere von OCHA, das sogenannte «Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten». Zudem werde die Straflosigkeit von Siedlergewalt durch Berichte der UNO und NGOs, wie «Yesh Din», dokumentiert, die auf eine mangelnde Strafverfolgung durch israelische Behörden hinweisen würden.

Dazu wurden einige Links der israelfeindlichen NGO «Yesh Din» und zu einem UNO-Dokument zur «Menschenrechtssituation in den besetzten palästinensischen Gebieten» mitgeschickt. Weder bei «Yesh Din» noch im UNO-Dokument findet sich jedoch die vom Bundesrat kolportierte Zahl von über 400 durch Siedlergewalt getöteten Palästinensern im Jahr 2023.

OCHA und Yesh Din als unkritische Quellen

Auf Nachfragen von Audiatur-Online antwortete nun der Pressesprecher des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Knapp und kurz hiess es da: «Vielen Dank für Ihre Nachfragen. Wir haben unserer Antwort vom 9. Oktober nichts beizufügen. Die Siedlergewalt wird u.a. durch OCHA dokumentiert.» Dazu sandte der EDA-Pressesprecher weitere zwei OCHA-Links.

Die Antwort des EDA bringt kaum neue Erkenntnisse, sondern scheint eher darauf abzuzielen, die Diskussion abzuwürgen, anstatt die offenen Fragen zur Verifizierbarkeit der Zahlen zu klären. Das bestätigt nur, was bereits offensichtlich war: Die in der Stellungnahme des Bundesrates genannten Zahlen – über 400 getötete Palästinenser und über 1000 Zwangsumsiedlungen durch Siedlergewalt im Jahr 2023 – bleiben weiterhin nicht überprüfbar. Der Verweis auf OCHA-Berichte, deren Objektivität ohnehin fragwürdig ist, macht die Sache nicht besser.

Bemerkenswert ist, dass das EDA in seiner Antwort OCHA-Berichte zitiert, ohne auf die offensichtlichen Ungenauigkeiten und methodischen Schwächen dieser Berichte einzugehen. OCHA, eine Organisation, die in ihren Berichten regelmässig einseitige Positionen gegenüber Israel einnimmt, wird hier als unantastbare Instanz dargestellt. Diese Berichte sind jedoch alles andere als neutral – sie basieren häufig nur auf palästinensischen Quellen, die eine deutlich einseitige Sichtweise haben. So wird die Situation in der Westbank als eine von israelischer Aggression dominierte Szenerie dargestellt, während die alltägliche Bedrohung durch palästinensischen Terrorismus völlig ausgeblendet wird.

10 nicht 400!

Auch «Yesh Din» ist eine äusserst fragwürdige Quelle, da ihre Berichte oft stark politisch gefärbt und von einer anti-israelischen Agenda geprägt sind. NGO Monitor, eine Organisation, die die Aktivitäten und Finanzierung von NGOs überwacht, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass «Yesh Din» systematisch einseitige Darstellungen verbreitet, die Israel als aggressiven Besatzerstaat darstellen. Die NGO erhält erhebliche finanzielle Mittel von ausländischen Regierungen, für einige Jahre indirekt auch aus der Schweiz, was ihre Neutralität in Frage stellt und den Verdacht aufkommen lässt, dass sie gezielt politische Kampagnen gegen Israel führt. Auch ihre Methodik ist selektiv, da sie sich praktisch ausschliesslich auf palästinensische Aussagen stützt, ohne diese ausreichend zu überprüfen.

Trotz dieser Einseitigkeit, hat sogar «Yesh Din» vermeldet, dass im Jahr 2023 insgesamt zehn (10!) Palästinenser bei sogenannter Siedlergewalt in der Westbank ums Leben gekommen seien, also nicht 40 und schon gar nicht 400, wie vom Bundesrat verbreitet. Jeder einzelne Tote ist natürlich einer zu viel und die Täter wurden und werden von den israelischen Sicherheitsbehörden verfolgt und bestraft, egal ob es sich um Siedler oder Kriminelle handelt.

Antiisraelische Narrative in der Schweizer Politik

Es darf nicht übersehen werden, dass der Initiant der Motion, der Genfer Grüne Nationalrat Nicolas Walder, eine zentrale Rolle dabei spielt, dass sich solche einseitigen antiisraelischen Narrative in der Schweizer Politik durchsetzen. Walder, der immer wieder durch scharfe Kritik an Israel auffällt, hat offenbar im Bundesrat und in der Verwaltung willige Helfer gefunden, die seine israelfeindliche Agenda unterstützen. Indem sie sich auf fragwürdige Quellen wie «Yesh Din» und OCHA stützen, verleihen sie seiner antiisraelischen Propaganda eine vermeintlich «offizielle» Legitimität. Diese Dynamik erinnert stark an die Taktik, politische Ideologie als Fakten zu verkaufen – ein gefährliches Spiel, das nicht nur Israels Position in der internationalen Gemeinschaft untergräbt, sondern auch dem Ansehen der Schweiz schadet, indem es ihre Neutralität und ihren Anspruch auf eine ausgewogene Aussenpolitik in Frage stellt. Walder hat es geschickt verstanden, in der Schweizer Regierung und der Verwaltung «nützliche Helfer» zu finden, die bereit sind, sein verzerrtes Israelbild zu unterstützen und dies, obwohl seine Motion im Parlament abgelehnt wurde.

Audiatur-Online wird in dieser Angelegenheit, gestützt auf das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, Einsicht in das Zustandekommen der Antwort des Bundesrates verlangen.

3 Kommentare

  1. Das zeigt einmal mehr: Wenn der Bundesrat nicht die Wahrheit verkündet, auf wenn können wir als Volk uns noch verlassen???
    Ein Bundesrat sollte unser Land in Ehre und Wahrheit leiten.
    Willst du enttäuscht sein, Sieh auf Menschen, willst du entmutigen sein, Sieh auf dich selbst, willst du ERMUTIGT sein, Sieh auf Gott. Das wünsche ich dem Bundesrat und uns allen.
    Herzlichen Dank für die genaue Recherche und Ihre wertvolle Arbeit.
    Viele Grüße Esther Morf

  2. Benjamin Nethanyahu ist der Premier in Israel. Ein Glück für das Land, denn er schützt es mit aller Kraft, gibt Sicherheit für die Wirtschaft, stützt das Militär und die Polizei und ist ein zuverlässiger Partner des Westens.

  3. Im Weltgeschehen kommt es immer auf die Bewertungen an. In vielen Ländern sehen wir unterdrückte Minderheiten, ohne dass irgendjemand das erwähnenswert findet und veröffentlicht. Ganz im Gegenteil: insbesondere, wenn man sich einen Vorteil davon erhofft. Bei Israel wird jedoch genau hingeschaut und dort darf sich niemand einen Fehler erlauben. Dieses kleine Land umgeben von Diktatoren und Autokraten, von Terroristen, wird ununterbrochen beobachtet, während andere Länder ohne jeglichen Kommentar brutal gegen ihre Minderheiten vorgehen. Da wird ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Ich erwarte, dass die Presse dahingehend ordentlich recherchiert, und ich bin entsetzt über diese antisemitische Medienlandschaft. Ich habe als Deutsche ganz bewusst und lange in Israel gelebt und ich habe die Israelis als Volk der Hoffnung und dem Wunsch nach Frieden kennenlernen dürfen. Mit dieser Meinung habe ich als nichtgläubige Katholikin in Deutschland schon viele Freunde verloren. Das ist die Situation und diese Stimmung wird von der Weltpresse gefördert. Von den Politikern ganz zu schweigen…..
    Ich werde weiter ganz zu meinen Ansichten stehen, Ihre Audiatur-Online ist da sehr hilfreich. Vielen Dank für Ihre Arbeit und Recherchen.

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