Bald ein Jahr ist es her, dass das genozidale Massaker in Israel stattfand, ein Ereignis, das nicht nur im Land selbst tiefe und traumatische Spuren hinterlassen hat, sondern auch weltweit Wellen von Hass und Vernichtungsphantasien gegen Juden entfachte. Dieses schreckliche Ereignis hat dazu geführt, dass alte Vorurteile und Hassbilder wiederbelebt wurden, was in vielen Teilen der Welt zu einer alarmierenden Zunahme antisemitischer Angriffe und Hetze führte. Die Auswirkungen dieses Massakers sind in vielerlei Hinsicht noch immer spürbar, sowohl in den betroffenen Gemeinschaften als auch im globalen Bewusstsein.
In seiner beeindruckenden Textcollage «Der siebte Oktober» lässt der Wiener Autor Doron Rabinovici Zeitzeugen und Überlebende dieses schrecklichen Tages und der darauf folgenden Zeit zu Wort kommen. Die Vielstimmigkeit der Berichte offenbart nicht nur das Ausmass des erlebten Leids, sondern auch die unterschiedlichen Wege, wie die Betroffenen versuchen, mit ihren Traumata umzugehen. Diese Collage ist ein wichtiges Dokument für das kollektive Gedächtnis, das uns daran erinnert, wie schnell und wie brutal das Leben von Menschen zerstört werden kann, und wie notwendig es ist, das Erinnern und die Auseinandersetzung mit solchen Ereignissen wachzuhalten.
Angesichts der zunehmenden Verharmlosung bis hin zur Leugnung der schrecklichen Ereignisse vom 7. Oktober 2023, die nicht nur in einigen politischen Kreisen, sondern auch in Teilen der Gesellschaft Platz greifen, gewinnt dieser Text eine immense Bedeutung. Er ist nicht nur ein Mittel, das Unfassbare sichtbar zu machen und im kollektiven Gedächtnis zu bewahren, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Verarbeitung des tiefen Traumas, das diese Ereignisse ausgelöst haben. Gleichzeitig ist er ein Zeichen der Hoffnung – trotz allem, was geschehen ist und trotz der fortwährenden Spannungen und Konflikte.
Es ist besonders bemerkenswert, dass Rabinovici in seiner Textcollage ausschliesslich Überlebenden aus den überfallenen Kibbuzim, Beduinendörfern und vom Nova Festival eine Stimme gibt. Diese Stimmen sind von unschätzbarem Wert, weil sie das Leid und die Schrecken aus erster Hand schildern. Gleichzeitig betont Rabinovici im Prolog, dass es kein Widerspruch sei, der israelischen Opfer zu gedenken und gleichzeitig Mitgefühl für die Leidenden jenseits der Grenze zu empfinden. Diese Aussage unterstreicht die Notwendigkeit, in Zeiten von Krieg und Gewalt die Menschlichkeit nicht zu verlieren und die Leiden aller Betroffenen anzuerkennen.
Doron Rabinovici ist nicht nur ein angesehener Schriftsteller, sondern auch Historiker, der sich intensiv mit den Themen Erinnerungskultur und Antisemitismus auseinandersetzt. Neben Romanen und Theaterstücken hat er mehrere bedeutende Bücher und Aufsatzsammlungen zum Thema «Neuer Antisemitismus» veröffentlicht. In diesem Jahr verfasste er das Vorwort zum Sammelband «Der siebte Oktober», in dem Essays und Beiträge zu den jüngsten Ereignissen zusammengestellt sind. Diese Publikation trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Bedrohung durch Antisemitismus zu schärfen und die Notwendigkeit der Aufarbeitung solcher Traumata hervorzuheben.
«Der siebte Oktober» wurde am 23. Mai 2024 im Wiener Burgtheater uraufgeführt. Diese Aufführung markiert einen wichtigen Moment der kulturellen Auseinandersetzung mit den Ereignissen des vergangenen Jahres. Die Schweizer Erstaufführung wird im Theater an der Effingerstrasse stattfinden, und die Anwesenheit des Autors verspricht, dem Ereignis zusätzliche Tiefe und Bedeutung zu verleihen. Die Rezeption des Stücks zeigt, wie wichtig es ist, solche Ereignisse künstlerisch zu verarbeiten und dadurch einen Raum für Reflexion und Dialog zu schaffen.
Montag, 9. September 2024 | 20 Uhr
Theater an der Effingerstrasse
Effingerstrasse 14
3000 Bern 8
Eintritt: CHF 30.–
Reservation dringend erwünscht: https://www.theatereffinger.ch/extras/rabinovici