Israel ist nicht mehr allein: US-Botschafterin Nikki Haley kritisiert den UN-Menschenrechtsrat

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Foto U.S. Embassy Tel Aviv - Ambassador Nikki Haley visit June 2017 Ambassador Nikki Haley visit June 2017, CC BY 2.0, Link
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Heute tagte der UN-Menschenrechtsrat in Genf und – wie bei praktisch jeder Sitzung – stand Israel auf der Agenda. Wieder einmal bestätigt sich dabei die scharfe Kritik von US-Botschafterin Nikki Haley gegen das Gremium. Anfang Juni hatte sie nicht nur die Präsenz von autokratischen Regimen im Rat angeprangert, sondern auch dessen einseitige, anti-israelische Haltung.

von Marcel Serr

Seit dem Amtsantritt Haleys weht ein neuer Wind in den UN. Bereits mehrfach hat sie in scharfem Ton die Voreingenommenheit der internationalen Organisation gegenüber Israel an den Pranger gestellt. Bei ihrem Besuch in Jerusalem am 7. Juni warf sie den UN vor, „Israel Mobbing“ zu betreiben. Israels Präsident Reuven Rivlin goutierte dies auf Twitter mit dem Kommentar: „Mit Ihnen sind wir nicht mehr allein in den UN.“

Nikki Haley ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Im Wahlkampf war die Republikanerin eine lautstarke Kritikerin von Donald Trump, dem sie mit Blick auf die Einwanderungspolitik „unverantwortliches Gerede“ vorwarf. Als Gouverneurin von South Carolina wandte sie sich entschieden gegen Rassenhass und ließ 2015 die Konföderierten-Flagge vom lokalen Parlamentsgebäude einholen.

“Ich bin hier, um zu unterstreichen, dass die USA felsenfest hinter Israel stehen“

Bei ihrem Arbeitsantritt als UN-Botschafterin im Januar 2017 stellte sie klar: „Sie werden feststellen, dass wir unsere Arbeitsweise ändern… Wir werden unsere Verbündeten unterstützen und sicherstellen, dass diese auch uns unterstützen.“ Drei Wochen später fand Haley noch klarere Worte nach der Sitzung des UN-Sicherheitsrats: „Die Doppelmoral [der UN] ist atemberaubend.“ Sie kritisierte, dass sich das höchste UN-Gremium nicht auf die wirklichen Probleme im Nahen Osten konzentriere – wie bspw. die Unterstützung des Iran von Terrororganisationen. Stattdessen fokussiere der Sicherheitsrat darauf Israel – „die einzig wahre Demokratie im Nahen Osten“ – fortwährend zu attackieren. „Ich bin hier, um zu sagen, dass die USA dies nicht länger hinnehmen werden. Ich bin hier, um zu unterstreichen, dass die USA felsenfest hinter Israel stehen“, so Haley.

Am 6. Juni knöpfte sich die Botschafterin den UN-Menschenrechtsrat in Genf vor: „Ein Mitglied des Rats zu sein, ist ein Privileg“ stellte sie mit Blick auf dessen absurde Zusammensetzung fest. Die 47 Mitglieder werden von der UN-Vollversammlung mit absoluter Mehrheit auf 3 Jahre gewählt. Ob es sich dabei um demokratische Rechtsstaaten oder autokratische Regime handelt, ist irrelevant. Daher wird der Rat seit seiner Gründung 2006 von berüchtigten Despoten dominiert, die zu den größten Verletzern der Menschenrechte gehören. „Wenn das weltweit wichtigste Menschrechtsgremium zu einem sicheren Hafen für Diktatoren geworden ist, ist die Idee von internationaler Kooperation zur Unterstützung der Menschenwürde diskreditiert“, schrieb Haley kürzlich in der Washington Post. So ist bspw. derzeit ausgerechnet Saudi-Arabien Mitglied des Rates. Der Golfstaat bombardiert seit über 2 Jahren in skrupellosen Luftschlägen Jemens Zivilbevölkerung und rückt das ärmste arabische Land an den Rand einer Hungersnot. Die Liste der Menschenrechtsverstöße Riads ist lang; dies zeigt bereits ein Überblick von Amnesty International: Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind de facto nicht vorhanden; Kritiker und Menschenrechtsaktivisten werden regelmäßig eingekerkert und gefoltert; Frauenrechte stecken im Mittelalter fest. Doch dessen ungeachtet wurde Saudi-Arabien im September 2015 zum Vorsitzenden eines Panels gewählt, das die Experten zur Erstellung der Menschenrechtsberichte benennt. Der Direktor der NGO UN Watch kommentiert dies folgendermaßen: „Es ist skandalös, dass die UN ein Land zum Vorsitz eines wichtigen Menschenrechtspanels auswählt, das dieses Jahr mehr Menschen geköpft hat als der Islamische Staat.“

“Die UN macht den Bock zum Gärtner”

In der Tat machen die UN den Bock zum Gärtner. Dies führt dazu, dass eklatante Verstöße der Menschenrechte schlichtweg ungeahndet bleiben. Ein aktuelles Beispiel ist Venezuela, das derzeit Ratsmitglied ist, obgleich die Regierung Nicolás Maduros das Land wirtschaftlich zugrunde richtet, brutal gegen Demonstranten vorgeht und dabei massiv gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundregeln verstößt. Willkürliche Verhaftungen, Folter und repressive Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit sind mittlerweile an der Tagesordnung. Mit Blick auf eben diese Länder prangerte Haley an: „Kein Land, das die Menschenrechte verletzt, sollte einen Platz an diesem Tisch haben.“

Wie in allen UN-Organisationen sieht sich Israel auch im Menschenrechtsrat einer beinahe automatischen Mehrheit anti-israelischer Staaten gegenüber, die das Gremium zur Delegitimierung und diplomatischen Kriegsführung gegen den jüdischen Staat missbrauchen. Ihr Ziel: Israel zu dämonisieren und dessen Ansehen in der internationalen Gemeinschaft zu unterminieren.

Seit seiner Gründung 2006 ist der Menschenrechtsrat berüchtigt für seine anti-israelische Haltung. Der jüdische Staat ist das einzige Land, das ein regulärer Programmpunkt auf jeder Sitzung des Rates ist (TOP 7). Nach Angaben von UN Watch hat der Menschenrechtsrat zwischen 2006 und 2016 Israel öfters ins Visier genommen als den Rest der Welt zusammengenommen: 68 Resolution von insgesamt 135 bezogen sich auf Israel.

Viele dieser Resolutionen sind einseitige, israelfeindliche Propagandadokumente. So erließ der Menschenrechtsrat im August 2006 eine haltlose Resolution als Reaktion auf den 2. Libanonkrieg, die Israel der gezielten Tötung libanesischer Zivilisten bezichtigte, ohne die hunderten Raketenangriffe der Hisbollah auf Israels Zivilbevölkerung auch nur zu erwähnen. Nach dem gleichen Prinzip unterschlug der Rat im Hinblick auf Israels Militäroperation im Gazastreifen 2007/08 jegliche Verantwortung der Hamas, die mit ihrem Raketenterror Israels Bevölkerung bedroht. Im April 2009 rief der Menschenrechtsrat eine Fact-Finding Mission unter Leitung des Richters Richard Goldstone ins Leben, um Israels vermeintliche Verstöße gegen Völker- und Menschenrechte im Gaza-Krieg zu untersuchen. Wie nicht anders zu erwarten, beschuldigte die Untersuchungskommission Israel in ihrem Abschluss-Bericht (der sog. Goldstone-Report), Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Obgleich das einseitige Mandat, die selektive Methodik, Doppelstandards, Ignoranz wichtiger Fakten und Fehldarstellungen im Goldstone Report weithin kritisiert wurden, segnete der Menschenrechtsrat den Bericht offiziell ab. Dass Goldstone mittlerweile seine Vorwürfe an Israel relativiert hat, ist nur ein schwacher Trost.

Nikki Haley an der sogenannten Klagemauer (Kotel) in Jerusalem am 07. Juni 2017. Foto Hillel Maeir / TPS
Nikki Haley an der sogenannten Klagemauer (Kotel) in Jerusalem am 07. Juni 2017. Foto Hillel Maeir / TPS

Auch vor Boykottaufrufen schreckt der Menschenrechtsrat nicht zurück. Im März 2016 gab er eine „schwarze Liste“ mit allen israelischen Wirtschaftsunternehmen in Auftrag, die jenseits der „Grünen Linie“ (der Waffenstillstandslinie von 1949) geschäftlich tätig sind. Diese Liste soll dann als Grundlage für eine BDS-Kampagne dienen. Das weitere Vorgehen diskutiert der Rat auf seiner heutigen Sitzung.

Im Frühjahrs-Meeting des Menschenrechtsrats 2017 wurden bereits 5 israelisch-kritische Resolutionen verabschiedet. Das UN-Gremium verstieg sich abermals in haltlose Vorwürfe: Apartheid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die „ernste Besorgnis über die kontinuierlichen, systematischen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Palästinensern durch Israel, der Besatzungsmacht“.

Doch damit nicht genug – der Rat leistet sich zusätzlich einen permanenten Sonderberichterstatter für „die Menschenrechtssituation in den palästinensischen Gebieten“. Abgesehen davon, dass das Mandat nur israelische Handlungen umfasst und palästinensische Verstöße gegen die Menschenrechte gar nicht erst untersucht, war die Personalwahl in der Vergangenheit äußerst tendenziös. So war 2008-2014 Richard Falk Sonderberichterstatter – ein ausgewiesener Israel-Kritiker mit antisemitischen Tendenzen. Der amerikanische Völkerrechtler bezeichnete bspw. die palästinensischen Selbstmordattentate 2002 – in der Hochphase der palästinensischen Terrorkampagne – als „einziges Mittel, um Israel Schaden zuzufügen“. 2007 verglich er Israels Politik gegenüber den Palästinensern mit Nazi-Methoden und warnte vor einem „palästinensischen Holocaust“. Auch der im März 2016 nominierte Kanadier Michael Lynk ist weit davon entfernt, ein neutraler Beobachter zu sein.

Angesichts dessen prangte Haley zurecht die groteske Obsession des Menschenrechtsrates mit dem jüdischen Staat an. In der Washington Post schrieb sie: „Wenn der Rat mehr als 70 Resolutionen gegen Israel verabschiedet, ein Land mit einer starken Menschenrechtsbilanz, und nur 7 Resolutionen gegen den Iran … liegt auf der Hand, dass etwas nicht stimmt.“ Haley will dies nicht länger hinnehmen. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass sich die USA nicht aus dem Rat zurückziehen und damit jede Möglichkeit der Beeinflussung aufgeben. Gewinnbringender wäre es, wenn Nikki Haley aktiv eine Reform des Rates durchsetzt, um dessen Legitimität wiederherzustellen, wie sie selbst sagt. Das wäre nicht nur ein Gewinn für Israel, sondern auch für die Durchsetzung der Menschenrechte im Allgemeinen.

Marcel Serr ist Historiker und Politikwissenschaftler.