Die israelische Regierung hat am Dienstag bekannt gegeben, dass sie dem nördlichen Zweig der Islamischen Bewegung Israels ab sofort jegliche Betätigung innerhalb Israels untersagt, da er immer wieder zur Gewalt aufruft und Israel durch ein Kalifat ersetzen will. Der südliche Zweig, der als moderater gilt, ist nicht betroffen.
Von Stefan Frank
Zur Begründung des Verbots heisst es in einer Pressemitteilung der Regierung:
„Seit Jahren führt der nördliche Zweig der Islamischen Bewegung unter dem Slogan ‚Al-Aksa ist in Gefahr’ eine Lügen- und Hetzkampagne, in der er Israel fälschlich vorwirft, die Al-Aksa-Moschee zerstören und den Status quo brechen zu wollen. In diesem Zusammenhang hat der nördliche Zweig ein Netzwerk aus bezahlten Aktivisten (sogenannte Mourabitoun/Mourabitat) geschaffen, um auf dem Tempelberg Provokationen anzuzetteln. Diese Aktivität hat zu einem signifikanten Anstieg der Spannungen auf dem Tempelberg geführt. Ein beträchtlicher Teil der jüngsten Terrorangriffe wurde vor dem Hintergrund dieser Hetze und Propaganda verübt. […] Der nördliche Zweig, der von Scheich Raed Salah geführt wird, ist eine Schwesterorganisation der Terrororganisation Hamas. Beide arbeiten eng und konspirativ zusammen. Der nördliche Zweig der Islamischen Bewegung ist eine separatistisch-rassistische Organisation, die die Institutionen des Staates Israel nicht anerkennt, sein Recht zu existieren leugnet und dazu aufruft, ein islamisches Kalifat an seine Stelle zu setzen. Der nördliche Zweig der Islamischen Bewegung gehört zum radikalen Islam und ist Teil der globalen Bewegung der ‚Muslimbruderschaft’.“
Wie die israelische Tageszeitung „Haaretz“ berichtet, wurden die israelische Justiz und die Sicherheitskräfte umgehend tätig, um das Verbot durchzusetzen:
„Die israelische Polizei und der Geheimdienst Shin Bet beschlagnahmen die Vermögenswerte und schlossen die Büros der Organisation. Ein Gericht ordnete die Schliessung von 17 Non-Profit-Organisationen und Vereinen an, die im Auftrag der Organisation arbeiten, darunter solche in Rahat, Jaffa, Nazareth und Umm al-Fahm. Der Shin Bet teilte zudem mit, dass Bankkonten der Organisationen, die ‚für die gegen die Sicherheit des Staates gerichteten Aktivitäten der Bewegung benutzt wurden’ eingefroren worden und dass bei einer nächtlichen Razzia Computer und Dokumente beschlagnahmt worden seien.“
Ministerpräsident Netanjahu hatte die Behörden bereits im Juni 2014 angewiesen, ein Verbot vorzubereiten, nachdem auf Veranstaltungen der Islamischen Bewegung zur Entführung israelischer Soldaten aufgerufen worden war.
Wie „Haaretz“ berichtete, soll sich der Shin Bet damals gegen ein Verbot ausgesprochen haben, mit dem Argument, die Organisation hätte Anwälte, die sie dabei berieten, innerhalb des legalen Rahmens zu bleiben.
Unbestritten scheint jedoch, dass der nördliche Zweig der Islamischen Bewegung den Mördern von Juden die religiöse Legitimation für ihre Taten geliefert hat. Dabei benutzt er dieselbe Propaganda, mit der der Grossmufti von Jerusalem, Scheich Amin al-Husseini, schon in den 1920er Jahren zu Pogromen anstachelte.
»Der klare Erbe des Grossmuftis, der vor über 80 Jahren die ›Al-Aksa-in-Gefahr‹-Lüge erfand, ist Scheich Raed Salah«, sagt der israelische Historiker und Journalist Nadav Shragai, der sich in seinen Büchern mit der Geschichte des Tempelbergkonflikts beschäftigt hat. Immer wieder rufe Salah danach, Leben »für die Verteidigung Al-Aksas« zu opfern.
Schon seit Mitte der Neunziger Jahre, so Shragai, wandte Salah seine Energie darauf, die alte „Al-Aksa in Gefahr“-Lüge wieder aufleben zu lassen. Gleichzeitig war er selbst es, der den Status Quo auf dem Tempelberg veränderte, durch den massgeblich von ihm unterstützten Bau zweier unterirdischer Moscheen (durch die archäologische Schätze von unschätzbarem Wert unwiederbringlich zerstört wurden).
In seinem Buch The „Al-Aksa is in Danger“ Libel: The History of a Lie zitiert Shragai zahlreiche weitere Belege für die von Salah betriebene Hetze, in der dieser islamischen Fanatismus mit den Klischees des mittelalterlichen europäischen Antisemitismus kombiniert:
„Was erdreisten sie [die Juden] sich, ein Gebetshaus zu bauen … wo unser Blut immer noch an ihren Kleidern ist, an ihren Türen, in ihrem Essen und Trinken?“
Oder:
„Wir sind keine Nation, die auf Hass gründet. Es sind nicht wir, die Brot essen, das mit Kinderblut durchtränkt ist. … Schon bald wird der Islam in Form eines Kalifatstaates den gesamten Nahen Osten beherrschen.“
Die Kommission, die die Ursachen der Gewaltwelle im Oktober 2000 untersuchte, die den Beginn der „Al-Aksa-Intifada“ markierte, schrieb in ihrem Bericht, dass Salah verantwortlich gewesen sei für die Hetze, die zur Eskalation einer bereits angespannten Lage führte.
Gleichstellungsministerin Gila Gamliel (Likud) begrüsste gegenüber dem Nachrichtenportal Arutz Sheva den Schritt der Regierung als wichtige Massnahme gegen Hetze und Terrorismus: „Diese Entscheidung hätte schon vor langer Zeit getroffen werden sollen. Es ist eine Organisation, die arabische Kinder dafür bezahlt, dass sie Steine werfen, die den Staat Israel untergräbt und den Terrorismus unterstützt. Ich hoffe, dass diese Entscheidung und das Einfrieren der Konten dazu führen werden, dass sie nicht mehr in der Lage sein wird, auf so krude Art zu handeln, wie sie das in der Vergangenheit im Hinblick auf den Tempelberg getan hat.“
Manche Beobachter zweifeln allerdings daran, dass sich das Verbot der Organisation tatsächlich so einfach umsetzen lassen wird. Sie sei eng verwoben mit zahlreichen einflussreichen arabischen Familien, mit denen der Staat sich nicht werde anlegen wollen, sagen sie; zudem könnten sich Mitglieder hinter karitativen Tarnorganisationen verstecken oder einfach behaupten, zum südlichen Zweig zu gehören.
Es sind ähnliche Probleme wie beim Kampf des Staates gegen die Mafia. Zumindest aber hat Israel Schritte unternommen, um den Hetzern ihre Tätigkeit zu erschweren. Scheich Raed Salah wird nun vielleicht auch nicht mehr so leicht ins Ausland reisen können. In der Vergangenheit war er bei „israelkritischen“ Schweizer Organisationen ein gern gesehener Gast.