Santorum, niederländische Sterbehilfe & Goldstone

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Republikanischer Präsidentschaftsanwärter Rick Santorum

Im Laufe seines Wahlkampfes äusserte der amerikanische Präsidentschaftskandidat Rick Santorum, zehn Prozent der Menschen, die in den Niederlanden sterben, würden durch Sterbehilfe getötet. Er fügte hinzu, dass dies in der Hälfte der Fälle nicht freiwillig geschehe[1]. Bei 136.000[2] Todesfällen in den Niederlanden im Jahr 2010, so Santorums Behauptung also, bedeute dies, dass niederländische Ärzte nahezu 7.000 hauptsächlich ältere Menschen ohne deren Zustimmung töteten. Dies würde die niederländische Ärzteschaft im Laufe der Jahre für mehr Morde an Zivilisten verantwortlich machen als den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

Es gab viele laut protestierende Stimmen aus den Niederlanden, die erklärten, Santorums Behauptungen seien falsch; Sterbehilfe würde in 2,5  Prozent aller Sterbefälle pro Jahr angewendet. Natürlich gibt es auch keine genauen Daten darüber, wie viele Menschen ohne ihre Zustimmung getötet werden. Ein Mitarbeiter des Forbes Magazine jedoch wies darauf hin, bestimmte Berechnungen vorausgesetzt, seien Santorums Behauptungen gar nicht so weit hergeholt.[3] Was auch immer die genaue Zahl: gibt es in jedem Jahr wohl Hunderte Fälle von Sterbehilfe in den Niederlanden, bei denen die Patienten nicht nach ihrer Zustimmung gefragt worden sind.[4]

Bringen wir nun ein wenig Phantasie auf und setzen den Fall, muslimische Staaten seien darauf bedacht, die Niederlande scharf zu kritisieren. Dann würden sie im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen behaupten, dass solche Tötungen ein schwerer Verstoss gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte seien. Leicht könnten diese Staaten auch  eine Mehrheit dafür gewinnen, dass der UNHRC eine Kommission zur Untersuchung dieser Angelegenheit einberuft. Dies würde umso leichter gelingen, als vielen anderen Staaten an den muslimischen Stimmen gelegen ist in Angelegenheiten, die für sie von Interesse sind.

Wer wäre nun besser qualifiziert, dieses Komitee zu leiten, als der Grossmeister der fehlerhaften UNHRC-Berichterstattung, Richter Richard Goldstone? Da sein Bericht über Israel eine Standard-Übung in verzerrter Methodologie war, könnte dessen Vorbild befolgt werden. Zum Untersuchungskomitee würde ein Mitglied gehören, das die Niederlande bereits wegen Missbrauchs von Sterbehilfe verurteilt hat, und ein weiteres, das dem Land gegenüber feindlich eingestellt ist.

Goldstone und seine Mitstreiter würden mit ihrem bewährten Verfahren loslegen. Die Kommission würde ihre Schlussfolgerung ziehen auf der Grundlage dessen, was sie „sah, hörte und las“.[5] In der Untersuchung zum Gaza-Krieg hat die Kommission Hörensagen als Beweismittel akzeptiert – dann wäre das ja im Falle der Niederlande auch so.

Da es in den Niederlanden viele Ärzte gibt, die Sterbehilfe für unmoralisch halten, würde ein Teil von ihnen wahrscheinlich aussagen und die Fakten, die sie über deren Missbrauch haben, vorlegen. Die Ablehnung dieser Ärzte, Sterbehilfe zu leisten, hat bereits zu einer anderen umstrittenen Initiative geführt – einem System mobiler Sterbehilfeeinheiten, die durch die Niederlande reisen sollen, um auf die Wünsche kranker Menschen, die ihr Leben beenden wollen, eingehen zu können.[6]

Einige Personen würden vor der Goldstone-Kommission erscheinen und aussagen, dass Familienmitglieder gefordert hätten, einem Patienten ungebeten Sterbehilfe zu verabreichen, um an das Erbe zu kommen. Da Hörensagen als Beweis akzeptiert wird, könnte auch ich zum Beispiel vor der Kommission erscheinen. Ich habe eine niederländische Bekannte, die mir von dem extremen Druck erzählte, den Ärzte im Spital auf sie ausgeübt hätten, der Sterbehilfe für ihren todkranken Ehemann zuzustimmen. Sie meinte, sie hätte sich ihrem Zwang nur wiedersetzen konnte, weil einer ihrer Söhne Arzt und ein anderer Anwalt sei.

Da in den vergangenen Jahren zahlreiche Säuglinge, die mit offenem Rücken zur Welt kommen, von niederländischen Ärzten getötet worden sind, gäbe es vermutlich auch andere Ärzte, die der Goldstone-Kommission gegenüber aussagen würden, mit einem offenen Rücken geborene Kinder würden in der niederländischen Gesellschaft zu Unrecht als „Aussenseiter“ bezeichnet. Andere, die vor der Kommission aussagen würden, kämen von den Helping Hands, einer christlichen Organisation für die Rechte von Behinderten. Sie hat in der Vergangenheit vom Stellvertretenden Gesundheitsminister besseren Schutz für Behinderte gefordert.[7]

Durch die Untersuchung der Kommission würde die öffentliche internationale Debatte über Sterbehilfe ausgeweitet. Es gäbe Zeitungsartikel, die darauf hinweisen würden, dass es im Laufe der Geschichte bereits eine ganze Reihe von Ärzten gegeben hat, die zu Massenmördern wurden. Sie würden dann an Josef Mengele und die Schande von Auschwitz erinnern. Das Thema „Mörder-Ärzte“ könnte auf den verstorbenen haitianischen Diktator Papa Doc François Duvalier und auf Baschar al-Assad ausgeweitet werden und auf viele weniger bekannte.

Wenn Goldstone konsequent wäre, käme der Bericht zu einem vernichtenden Ergebnis. Und nachdem einige Zeit vergangen und den Niederlanden erheblicher Schaden zugefügt worden wäre, könnte er einen Artikel schreiben, in dem er einen Teil seines Berichtes widerrufen würde. Genau so, wie er es in Bezug auf Israel getan hat.[8]

All dies ist natürlich reine Phantasie. Die zutiefst mangelhaften UNHRC-Berichte konzentrieren sich nämlich auf das eine Land, dass sie konsequent verdammen – Israel. Alle anderen Länder, einschliesslich der Niederlande, brauchen sich keine Sorgen zu machen

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Aufsichtsratsvorsitzender des Jerusalem Center for Public Affairs.

 


[1] „Gedwongen euthanasia in NL“, NOS 18. Februar 2012. [Niederländisch]

[3] Tim Worstall, „For Senator Santorum: Now the Dutch have Mobile Euthanasia Units“, Forbes, 2. März 2012.

[4] Gerbert van Loenen, „Het bedrog van zelfbeschikking“, Trouw, 12. Februar 2012. [Niederländisch] Siehe auch: Gerbert van Loenen, „De arts mag niet bepalen wat even draaglijk maakt“, Trouw 9. Juni 2011. [Niederländisch]

[5] Trevor Norwitz, „Letter to Justice Goldstone“, in Gerald M. Steinberg & Anne Herzberg, (ed.), The Goldstone Report “Reconsidered”, A Critical Analysis, (Jerusalem: Jerusalem Center for Public Affairs, 2011) 153.

[6] Kate Connolly, „Dutch mobile euthanasia units to make house calls“, The Guardian, 1. März 2012.

[7] www.refdag.nl/nieuws/binnenland/groeiend_verzet_in_zaak_open_ruggetje_1_107868

[8] Richard Goldstone, „Reconsidering the Goldstone Report on Israel and war crimes“, Washington Post, 2. April 2011.

1 Kommentar

  1. Leider hat sich dieser "Wächterrat der Menschenrechte" durch seine Zusammensetzung zu einem System der Unglaubwürdigkeiten entwickelt. Denuntiationen sind an der Tagesordnung, der Finger schnellt vor sobald nur der Verdacht des Verdachtes auftaucht. "Audiatur et altera pars" – das gilt für andere, aber nicht für den UNHRC.

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