Ich bin für die Zweistaatenlösung – Wirklich! Ein Altstar gibt Auskunft

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Yehoram Gaon. Foto Screenshot Youtube
Yehoram Gaon. Foto Screenshot Youtube
Lesezeit: 7 Minuten

In einem Radiomonolog erklärt Israels beliebter Sänger, Schauspieler und Moderator Yehoram Gaon die Zweistaatenlösung – einfach und verständlich.

Ich gestehe, dass ich für die »zwei Staaten für zwei Völker« bin. Aber zuerst müsste mir jemand, der wirklich kompetent ist, erklären, was dieser Ausdruck bedeutet, den alle dreimal am Tag wiederholen, als sei er das Shmona-Esrey, das Gebet der 18 Segensprüche. »Zwei Staaten für zwei Völker« … kann mir jemand erklären, von welchen Völkern dabei die Rede ist? Von welchen Staaten die Rede ist? Nur, damit ich das mal verstehe: Sprechen wir von einem jüdischen und einem palästinensischen Staat, oder sind wir uns über die Definitionen noch gar nicht im Klaren? Ich habe das noch nicht verstanden…

Ich bin dafür, ich schwöre es Ihnen, ich bin für diese »zwei Staaten für zwei Völker«. Aber jemand, einer, der kompetent ist, einer, der es weiss, der es wirklich weiss, nicht jemand, der es wie alle andern einfach nur vor sich hin nuschelt, also so einer möge mir doch erklären, was das eigentlich bedeutet? Was bedeutet dieses »Zwei Staaten für zwei Völker«? Wo soll das geschehen? Wie soll es geschehen?

Nur, um das zu verstehen: wo wird unser Staat sein, und wo der des anderen Volkes? Ich sage das mit Absicht »des anderen Volkes«, weil ich nicht weiss, ob auch Gaza in diesem Abkommen enthalten ist? Oder ob es eventuell noch einen weiteren Staat geben wird?

Vielleicht versteht man in Frankreich mehr davon

“Drei Staaten für zwei Völker, richtig?”

Es ist schön, ich finde es gut, dass man in Frankreich darüber debattiert, vielleicht weiss man dort mehr, denn hier, also da, wo diese Staaten beheimatet sein sollen, weiss man nicht, aber wirklich nicht, wie das Ganze aussehen soll. Wenn nämlich der Gazastreifen nicht in diesem Abkommen enthalten ist, dann sprechen wir ja schon über drei Staaten für zwei Völker, richtig? Einen Staat in Gaza, für die Palästinenser der Hamas, und ein zweiter palästinensischer Staat auf dem Boden von Judäa und Samaria im Westjordanland, von wo dann 500,000 Juden evakuiert werden sollen, damit dieser reibungslos an die PLO übergeben werden kann, richtig? Also zwei Staaten für sie und einen für uns. Soweit alles klar. Und − damit sie mich nicht falsch verstehen: ich bin für »zwei Staaten für zwei Völker«.

Weiter mit der Arithmetik…

Aber halt, einen Augenblick… 80% der jordanischen Bevölkerung sind Palästinenser? Das heisst, wenn dieses Abkommen echt sein, und die Realität getreu widergeben sollte, dann müsste darin auch vermerkt werden, dass es bereits vier Staaten für zwei Völker sind. Einer für die Juden − falls man uns in diesem Abkommen erlaubt, uns als solche zu bezeichnen − und drei für die Palästinenser. Erstens Gaza, zweitens das Westjordanland und drittens Jordanien.

Gesetzt den Fall, wir hätten uns darauf geeinigt: einen Staat für uns und drei für sie, sagen wir, wir wären damit einverstanden, dürften wir als Juden dann in Gaza wohnen? Oder in Jordanien? Oder im von Juden evakuierten Westjordanland? Das ist nicht sicher. Aus zwei Gründen − erstens glaube ich nicht, dass es auch nur einen Juden gibt, der zum Beispiel in Gaza wohnen möchte, und zweitens glaube ich auch nicht, dass irgendjemand es überhaupt zulassen würde, dass ein Jude, natürlich nach der Evakuierung, im Westjordanland lebt.

Im jüdischen Staat hingegen − falls man uns erlauben wird, diesen so zu nennen − gibt es eineinhalb Millionen Araber.

Daraus lernen wir, dass das Mantra von den zwei Staaten für zwei Völker eigentlich Folgendes bedeutet: drei judenreine Staaten für die Palästinenser und einen weiteren Staat für all seine Bürger, in dem auch Israelis leben dürfen. Korrigieren Sie mich, falls ich irren sollte. Aber… Ich bin dafür, ich bin für die »zwei Staaten für zwei Völker«.

Man darf sich nicht von Ängsten lähmen lassen…

Wenn ich diesen Satz ausspreche, dann fühlt sich das so fortschrittlich an. Aber ich stecke auch voller Ängste, ich gestehe es. Nehmen wir mal an, wir erklären uns einverstanden, für den heiss ersehnten Frieden aus dem Westjordanland abzuziehen, zurück auf die Grenzen von 1948… wenn schon eine Geste, dann Jallah, lasst uns aufs Ganze gehen. Vielleicht wird das der gesamten Region hier guttun, die ja bekanntlich so friedliebend ist, sich sosehr nach Frieden sehnt. Schliesslich erblüht rings um uns alles in einem einzigen regionalen Frühling.

Also sagen wir mal, wir hätten die Gebiete geräumt, seien mit Lastwägen abgezogen, aus diesen besetzten Gebieten, die man früher einmal Judäa und Samaria nannte. 500,000 Menschen… Weiss jemand, wo diese hingehen sollen? Bereitet sich jemand auf ihre Ankunft vor?

Die Welt und ihr Gewissen mögen eines bedenken: für viele der 7,000 im Jahr 2005 aus Katif im Gazastreifen umgesiedelten Israelis hat sich immer noch keine Lösung gefunden, und ein beachtlicher Teil von ihnen siedelt heute auf der Couch von Psychiatern. Sind wir zu einer freiwilligen Völkerwanderung von weiteren 500,000 Menschen bereit? Von drei Generationen? Haben wir eine halbe Million Psychiater, die bereitstehen, um zu empfangen, was da kommen mag?

Ich bin dafür, ich versichere es Ihnen, ich bin dafür: »Zwei Staaten für zwei Völker«… ich schwöre es. Es gibt nichts, was richtiger klänge, was so romantisch und so moralisch klänge. Aber… was ist das überhaupt? Wie soll es aussehen, dieses Zauber-, dieses Allheilmittel?

Die paar Hindernisse sind schnell gelöst…

Und Jerusalem? Was ist mit Jerusalem? Es soll die Hauptstadt beider Völker werden, richtig? Nein, nein, nein… Sagen Sie mir nicht, dieses Thema müsse man für zuletzt aufbewahren. Nein, lassen Sie uns damit beginnen, damit müssen wir beginnen. Denn wegen dieses Themas wird der Stadt bereits eine neue Vergangenheit erfunden, eine Vergangenheit ohne König David, ohne König Salomo, ohne die Tempel… das ist alles nur eine Erfindung der Juden.

Jerusalem ist das Herzstück des Konflikts. Was also soll in Jerusalem geschehen? Soll eine Mauer die miteinander verflochtenen Stadtviertel trennen? Soll es eine Art von allmächtiger Super-Stadtverwaltung geben?

Und noch eine interessante Frage: wird überhaupt bedacht, dass wir hier von Menschen sprechen? Denen irgendein willkürliches Abkommen etwas vorschreiben soll, das im Widerspruch zu ihrer Kultur, ihrem Alltag, ihrer Geschichte und ihrem Glauben steht? Hören Sie, das ist interessant: wenn in Jerusalem keine Menschen lebten, dann wäre es sehr viel leichter, die Stadt zu teilen, ich gebe es zu. Man würde ganz einfach eine Linie auf einer Karte ziehen. Und das wär’s.

Das hat es ja bereits gegeben. Sehen Sie sich nur an, wie es in unserer Region aussieht, weil ein paar Leute früher schon einmal Linien auf einer Landkarte gezogen haben. Aber in dieser Stadt leben und atmen 800,000 Menschen. Das ist etwas komplizierter.

Ich bin für die »zwei Staaten für zwei Völker«. Was aber geschieht, wenn Mahmoud Abbas am Tag der Unterschriftsleistung aus dem Amt scheidet? Oder davongejagt wird? Und Ismail Haniyya, der feine Herr Haniyya, in dieses Gebiet Einzug hält?

Und weiter: angesichts der in Flammen aufgehenden arabischen Welt, von der wir umgeben sind − was soll geschehen, wenn die israelischen Araber ein Teil dieser Staaten werden wollen, die plötzlich rings um sie aus dem Boden gestampft werden, was dann? Was soll dann mit Wadi Ara geschehen? Wird uns dann nur noch Wadi Milek bleiben, um vom Westen des Landes in den Osten zu fahren?

Ich bin dafür…

Ich bin dafür, bin dafür, bin dafür… für die zwei Staaten. Aber jemand möge mir doch erklären, wie das aussehen soll? Wo genau das stattfinden soll? Was hier passiert, am Tag nach dem Abkommen? Werden sie ein Militär haben? Werden sie kein Militär haben? Und wenn in diesem unterzeichneten Abkommen schriftlich vereinbart worden ist, dass sie kein Militär haben werden, halten sie sich dann daran? Schliesslich sehen wir den Präzedenzfall Gaza, wo es einmal einen Flughafen, einen Hafen und Nachtklubs gab. Gaza hat sich in eine grausame Armee verwandelt, die einen Staat besitzt! Wer garantiert uns, dass sich das nicht mit allen vier Staaten wiederholt, die sie bekommen werden?

Ich bin dafür, ich bin für zwei Staaten… aber wenn sich das dennoch nicht so ganz nach dem amorphen Plan entwickelt, der ignoriert, dass hier von Menschen die Rede ist? Der nur Gebiete sieht? Wie sollen wir dann über die Schnellstrasse 6 fahren? Mit sicherheitsverglasten Autos? Mit Panzerfahrzeugen?

Hören Sie, ich bin für »zwei Staaten für zwei… «. Ich weiss ganz einfach nicht, was das ist. Gibt es auf diesem Planeten überhaupt jemanden, der das weiss?

Übersetzung Rachel Grünberger-Elbaz.

5 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Gaon

    Ich gestehe auch, dass ich für die: »zwei Staaten für zwei Völker«

    Aber es spielt eigentlich keine Rolle, ob Sie oder ich dafür oder dagegen sind. Es ist das Recht BEIDER Völker einen eigenen Staat zu haben. Man sollte vielleicht einfach die Vergangenheit vergessen. Denn auf beide Seiten Wurden gute, wie auch schlechte Taten vollbracht. Dem jüdischen Volk würde es auch gut tun, endlich das Kapitel zu schlissen und vor allem Ihre Grenzen zu schliessen. Ein etwaiger Angriff durch den/die neuen Nachbarstaaten, wäre eine Kriegserklärung mit welcher Israel spielend fertig wird.

    Ja, ich bin für die Lösung: »zwei Staaten für zwei Völker«! Nicht für Sie, nicht für mich, nicht für Mahmud Abbas, nicht für Benjamin Netanjahu, sondern für die Kinder von heute. Ihnen müssen wir eine bessere Zukunft in Aussicht stellen, ohne Hass und Feindseligkeiten.

  2. Und da läuft so ein Politiker wie Hr.Blum (Rennte ist sicher) und erzählt wie der Frieden aussehen soll.
    Weil solche Politiker rum rennen ist unsere Welt so gerecht.

  3. Meiner Meinung nach hat Israel seit dem 6-Tage-Krieg ohnehin schon zuviel territoriale Zugeständnisse gemacht. Z.B. Westbank, unter anderem.

    Wie soll man auch auf Dauer einen Verhandlungserfolg erzielen, mit einem Gegner, der seit jeher die Vernichtung Israels im Visier hat ?

    Beschämend, daß sich Deutsche polit. Vertreter oft von PLO und Hamas beeinflussen ließen.
    Gerade Deutschland sollte ein stabiler Partner Isreals sein.

  4. Ein brillanter Einwurf von Yehoram Gaon mit einer überzeugenden Begründung. Auch wenn die besten Argumente gegen den fleischgewordenen Opportunismus bei UNO, EU und zuletzt der Unesco nichts bewirken mögen, bleibt immerhin noch, sie damit ein wenig zu ärgern.

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