Die Anerkennung ist der Kern des Friedens

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Dr. Einat Wilf. Foto Phillipp Arndt
Lesezeit: 5 Minuten

Liebe Freunde,

Die letzten Wochen fühlte ich mich sehr jüdisch. Es war seit jeher meine Lebensaufgabe, im Dienste des jüdischen Staates zu stehen. Doch in den vergangenen Monaten schien es, als ob jeder besser verstehen wollte, was es heisst, ein ‚jüdischer Staat‘ zu sein und warum Ministerpräsident Benjamin Netanjahu darauf besteht, dass die palästinensische Anerkennung dieser Tatsache grundlegend für den Frieden ist. Während meiner Treffen mit zahlreichen Delegationen – von Mitgliedern des US Congress Black Caucus, britischen Journalisten zu Studierenden der Diplomatie an der Georgetown University – wurde ich wiederholt gebeten, dieses Thema anzusprechen. Als Kanzlerin Angela Merkel nach Israel kam, veröffentlichte ich einen Beitrag in Die Zeit, der im Besonderen auf diese Frage einging. Später wurde dieser Beitrag auch in der Jerusalem Post veröffentlicht und war Grundlage für ein Interview im Programm für Zeitgeschehen im israelischen öffentlichen Radio.

Zu diesem Thema, das oftmals missverstanden wird, argumentiere ich, dass „die palästinensische Anerkennung Israels als Heimstätte des jüdischen Volkes keine Bedingung für den Frieden ist – es ist der Kern des Friedens.“ Ich erkläre, dass „Israel keiner palästinensische Anerkennung bedarf, um zu wissen, was es ist.“ Sondern: „Palästinenser müssen ihrer selbst Willen und Würde und für den Frieden Israel als den jüdischen Staat anerkennen.“

In diesem Zusammenhang sprach ich auch vor einem Knesset-Sonderkomitee zum Thema UNRWA. Ich betonte die Inkonsistenz westlicher Staaten in ihrer Politik, Frieden durch zwei Staaten für zwei Völker zu unterstützen und dennoch erfolgreich UNRWAs Handhabung zu billigen, Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die im Westjordanland und Gaza leben, als „Flüchtlinge aus Palästina“ zu registrieren. Diese Anerkennung vermittelt eine äussert problematische Botschaft und behindert die Möglichkeit auf Frieden. Diesen Punkt habe ich auf dem Knesset-Kanal debattiert.

Es ist zwar verständlich, dass einige Schwierigkeiten haben zu verstehen, was es bedeutet, ein „jüdischer Staat“ zu sein, aber dieser Aspekt wird sonderbarerweise ebenso in Israel zutiefst missverstanden. Von daher habe ich in Ha‘aretz den Beitrag ‚Jewish is Enough‘ veröffentlicht, in dem ich darlege, dass „es ausreicht den Staat Israel mit einem Wort zu definieren: Jüdisch“. Ich erläutere: „so wie alle antiken Wertesysteme, die sich kontinuierlich entwickelt haben, dient das Judentum als Träger liberaler als auch ultra-konservativer Werte; es liegt im Auge des Betrachters und Deuters. Es ist weder dem einen noch dem anderen zugetan. Der jüdische Staat zu sein bedeutet einfach, der Ort auf der Welt zu sein, an dem das jüdische Volk, als Nation, frei ist und die Souveränität innehat, jüdische Zivilisation zu deuten und sein eigenes Schicksal zu bestimmen. Der jüdische Staat zu sein, bedeutet nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ Dieses Thema habe ich auch im Kohelet Forum diskutiert, das die Frage debattierte, ob Israels Jüdischsein ins Grundgesetz aufgenommen werden sollte.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich nun Visiting Fellow am Washington Institute of Near East Studies in Washington D.C. bin. Ich werde zum Nahost Friedensprozess arbeiten und wie man die Wahrscheinlichkeit – unter verschiedenen Szenarien – erhöhen kann, ein Abkommen zu erreichen, das beiden Seiten Frieden bringt.

Das ist besonders vielversprechend, da ich erst kürzlich einen palästinensischen Partner gefunden habe, der wie ich glaubt, dass Frieden nur durch die gegenseitige Anerkennung von Juden und Palästinensern zustanden kommen kann, dass beide Völker das Recht auf einen souveränen Staat in ihrer Heimstätte haben. In einem sehr persönlich verfassten Beitrag, der auf Al-Monitor erschien, ‘An Israeli Leftist Finds Glimmer of Hope’, beschreibe ich, wie ich im Lauf der letzten Jahre die Zuversicht verlor, dass ein palästinensischer Staat im Westjordanland und Gaza Frieden bringen kann, und habe verstanden, dass der Konflikt wesentlich tiefer liegt und auf die breite arabische und muslimische Ablehnung zurückzuführen ist, das Rechts des jüdische Volkes auf Souveränität in seiner Heimstätte anzuerkennen. Der Beitrag endet mit einer gemeinsamen Erklärung, die von Professor Mohammed S. Dajani Daoudi, Leiter der American Studies an der Al-Quds University und Gründer der Palestinian Centrist Movement, Wasatia (und Fellow am Washington Institute) unterstützt wird:

[quote_box_center] Das jüdische Volk und das palästinensische Volk weltweit sind beide beheimatet im Land Israel/Palästina und haben daher ein gleiches und legitimes Recht, sich überall im Land Israel/Palästina niederzulassen und zu leben, doch angesichts des Verlangens beider Völker nach einem souveränen Staat, der ihre einzigartige Kultur und Geschichte reflektiert, glauben wir an die Teilung des Landes zwischen einem jüdischen Staat, Israel, und einem arabischen Staat, Palästina, was ihnen ermöglichen würde, Würde und Souveränität in ihrer eigene nationalen Heimstätten zu geniessen. Weder Israel noch Palästina sollte ausschliesslich für das jüdische beziehungsweise palästinensischen Volk sein und beide sollte Minderheiten des anderen Volkes aufnehmen. [/quote_box_center]

Bitte schliessen Sie sich mir an und verbreiten diese Botschaft der gegenseitigen Anerkennung, da wir wahren Frieden zwischen beiden Völkern in diesem Land anstreben.

Ihre Einat

Dieser Brief erschein am 11. März 2014 auf Englisch in ihrem Newsletter „Regards from Israel by Dr. Einat Wilf“. Mehr zu Einat Wilf auf ihrer Webseite: http://www.wilf.org

Über Einat Wilf

Dr. Einat Wilf ist Senior Fellow am Jewish People Policy Institute und Visiting Fellow am Washington Institute for Near East Policy. Sie war Vorsitzende des Komitees für Bildung, Sport und Kultur, Vorsitzende des Knesset Unter-Komitees für Israel und das jüdische Volk, und Mitglied des einflussreichen Komitees für Aussen- und Verteidigungspolitik in der 18. Knesset. Davor diente Einat Wilf als aussenpolitische Beraterin von Vize-Ministerpräsident Shimon Peres und war strategischer Beraterin bei McKinsey & Company. Dr. Wilf hat einen BA Abschluss in Government and Fine Arts der Harvard University, ein MBA von INSEAD in Frankreich und hat an der University of Cambridge in Politikwissenschaften promoviert.

3 Kommentare

  1. Da bin ich mit den Ausführungen von Einat Wilf voll einverstanden. Aber das ist ja die Krux der ganzen Sache: für die Mehrheit (v.a. für die classe politique) gibt es eben nur die Akzeptanz des "Staates Israel", denn dieser Staat besteht nun einmal und kann nicht übersehen werden. Aber von palästinensischer Seite gibt es nach wie vor kein Verständnis für Israel "als Heimstätte des jüdischen Volkes"! Und so lange dies eben nicht vollzogen werden wird, kann es keinen echten Frieden, keine friedliche Koexistenz zwischen Israel und einem palästinensischen Staat geben! Und das ist tragisch, und obwohl ich eigentlich politisch nicht auf der Ebene des Likud stehe, muss Netanyahu darauf bestehen, dass eben der israelische Staat die "Heimstätte des jüdischen Volkes" ist und dies von der gegnerischen Seite so bestätigt wird!

  2. Dr. Einat Wilf gehört zu den glaubwürdigsten Politikerinnen in Israel. Sie hat eine vorzügliche Ausbildung und Erfahrungen aus ihrer Zeit in der 18. Knesset. http://www.wilf.org/English/

    Ihre Meinung entspricht tatsächlich der der überwiegenden Zahl von Israelis. Sie liebt Israel, ist Zionistin und leidenschaftliche Jüdin.

    Dass Einat sich wohltuend von den üblichen Israelkritikern und Palästinensertuntschis abhebt, freut mich ganz besonders. Ich schätze sie sehr.

  3. Anyone who believes that the "Palestinians" or any other arab group can live side by side in peace with jews is educated. Educated by those educated people who had the power to stop Hitler & did'nt. They would be delighted to prove how educated they are and give a lot of help to set up such a "peace" settlement. When we jews are then in pieces, or nearly irradicated, then they will sit back in their comfortable armchairs and postulate on whose fault it is.

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