Es ist wichtiger ein Mensch zu sein, als einen Master zu haben

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Symbolbild. Foto IMAGO / UIG
Symbolbild. Foto IMAGO / UIG
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Wer hat Ihrer Meinung nach bessere Aussichten auf Erfolg: ein Jeschiwah-Student mit einem begrenzten Mass an weltlicher Bildung oder ein Universitätsabsolvent mit einem Abschluss? Ich könnte mir vorstellen, dass die Statistik bestätigt, dass Letztere in der Regel besser verdienen.

von Rabbiner Yossy Goldman

Aber zunehmend sehen wir eine Kluft in dieser Unterscheidung. Eine Frau in Südafrika hat kürzlich auf LinkedIn über ihre Erfahrungen am Arbeitsplatz berichtet und damit eine grosse Resonanz in der Online-Community ausgelöst. Esther Ekoko hatte mehrere Abschlüsse, konnte aber jahrelang keine Arbeit finden. Sie erklärt, dass Arbeitgeber nicht mehr an Abschlüssen interessiert sind, sondern an Erfahrung, Initiative und den Fähigkeiten, die eine Person in ein Unternehmen einbringt.

Sie anerkennt die Bedeutung von Bildung, aber als ehemalige Arbeitslose mit mehreren Abschlüssen verbesserte sich ihr Schicksal, als sie zwei digitale Fähigkeiten erlernte: Copywriting und Datenanalyse. Ihr Rat an Arbeitssuchende lautet, dass ein Abschluss nicht ausreicht; man sollte eine Fertigkeit erlernen und sich ein Netzwerk aufbauen.

In dieser Woche lesen wir in der Parascha Vayislach die dramatische Geschichte des Wiedersehens der entfremdeten Zwillingsbrüder Jakob und Esau. Jakobs Boten berichten, dass Esau einen Mordplan hegt und Rache dafür nehmen will, dass Jakob ihm das Erstgeburtsrecht und den Segen ihres Vaters Isaak vorweggenommen hat. Jakob bereitet sich auf einen Krieg vor, sollte dies notwendig sein. Er betet auch zu Gott für die Sicherheit seiner Familie und ergreift eine bedeutende diplomatische Initiative, indem er seinem Bruder ein riesiges Geschenk von Hunderten von Tieren schickt, die sich über viele Meilen erstrecken.

Wie kam Jakob zu seinem grossen Reichtum? Die Antwort lautet: Nachdem er 20 Jahre lang für seinen Schwiegervater Laban gearbeitet hatte, verliess er ihn mit einer riesigen Menge an Vieh. Sein Geschenk an Esau war nur ein Bruchteil dessen, was er in der Landwirtschaft angehäuft hatte.

Aber Jakob war ein Jeschiwa-Schüler, der ausschliesslich in der Thora unterrichtet wurde. In der Bibel wird er als „Zeltbewohner“ beschrieben, was sich auf das sprichwörtliche „Zelt der Tora“ bezieht. Konnte dieser naive Jeschiwah-Student seinem Bruder Esau, der nie eine Jeschiwah besucht hatte und ein Mann von Welt war, das Wasser reichen? Ja. Als Esau protestierte und Jakob anflehte, das grosse Geschenk, das er ihm geschickt hatte, zu behalten, lehnte Jakob ab und sagte, er habe alles, was er brauche. Jakob war ein sehr reicher Mann.

Ich erlaube mir die Behauptung, dass wir heute viele solcher Menschen wie Jakob sehen, deren Hauptausbildung das Studium der Thora war und die in einer Vielzahl von Unternehmen aussergewöhnlich erfolgreich waren. Wir können darüber diskutieren, ob das Talmudstudium ihren Verstand für den Erfolg im Geschäftsleben geschärft hat oder ob es der Segen Gottes ist (oder beides), aber das Entscheidende ist, dass sich die Dinge ändern, und wir sollten dies zur Kenntnis nehmen.

John Major war der jüngste Premierminister Englands im 20. Jahrhundert. Erst viel später gab er zu, dass er die Highschool abgebrochen hatte. Und stellen Sie sich vor, er wurde nicht seines Amtes enthoben.

Ich will damit nicht sagen, dass wir eine Generation von Schulabbrechern heranziehen sollten, aber wir könnten eine Überprüfung und Neubewertung unseres Bildungssystems gebrauchen. Funktioniert es? Querdenker bewirken grosse Veränderungen in der heutigen Welt. Vielleicht brauchen wir auch in unserem Bildungssystem eine gewisse Infragestellung.

Wir erleben derzeit einen ernsthaften Zusammenbruch in der Welt der Hochschulbildung, da viele unserer Studenten so links werden, dass sie jeglichen gesunden Menschenverstand verlieren. Traditionelle Familienwerte werden verachtet und jede Art von „alternativem“ Lebensstil wird gepriesen – alles im Namen der Aufklärung und einer sogenannten „progressiven“ Lebensphilosophie. Die Menschen täten gut daran, den Rat des Wissenschaftlers Carl Sagan zu beherzigen, der als erster riet: „Seid aufgeschlossen, aber nicht so sehr, dass euch der Verstand herausfällt!“

Und natürlich wurde die palästinensische Agenda von vielen Studenten übernommen, ohne dass sie die Geschichte des Nahen Ostens kennen und ohne zu wissen, von welchem Meer oder Fluss sie da eigentlich singen. Es könnte genauso gut der Mississippi sein. Sie lassen sich einfach von der Popularität der Campus-Bewegung des Tages mitreissen. Heute ist „Free Palestine“ der letzte Schrei. Ich hoffe, dass sie sich nächstes Jahr wieder für den Schutz der Wale oder der Ozonschicht einsetzen.

Albert Einstein sagte einmal: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man in der Schule gelernt hat.“ Wir brauchen Werte genauso wie Fakten. Es ist wichtiger, ein Mensch zu sein, als einen Master zu haben.

Und wenn man den unverblümten, unverhohlenen und schamlosen Antisemitismus auf den heutigen Universitätsgeländen bedenkt, könnten wir einen ernsthaften Neustart und ein Umdenken gebrauchen. Kein Wunder, dass der Talkshow-Moderator Dennis Prager Eltern davon abrät, ihre Kinder aufs College zu schicken. Man muss sich nur ansehen, was die Dekane der führenden Eliteuniversitäten der Ivy League im vergangenen Herbst über die Aufrufe zum Völkermord an Juden auf ihren Campus zu sagen hatten. Es kommt eben auf den „Kontext“ an!

Vielleicht sollten wir uns alle ein Beispiel an Jakob nehmen und uns mehr darauf konzentrieren, zu studieren, was im Leben wirklich wichtig ist. Wer weiss? Vielleicht werden wir auch Millionäre.

Rabbi Yossy Goldman ist emeritierter Rabbiner der Sydenham Shul in Johannesburg und Präsident der South African Rabbinical Association. Er ist der Autor des Buches «From Where I Stand» über die wöchentlichen Tora-Lesungen, erhältlich bei Ktav.com und Amazon. Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate. Übersetzung und Redaktion Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Jakob ein Schüler der Thora?
    Falls Mose der Autor der Thora war, dann gab es diese zu Zeiten Jakobs noch nicht.
    Oder waren das bereits mündliche Überlieferungen die Mose erst später verschriftlichte?

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