Die Energie verändert Israels Position im Nahen Osten

1
Eine israelische Gasplattform. Foto Delek/Avner
Lesezeit: 5 Minuten

Nach Jahren des regulatorischen Ringens fährt Israel mit seinem Offshore-Gas nun den diplomatischen Lohn ein.

Als sei es ein Abschiedsgeschenk für den Architekten ihres Friedensabkommens, unterzeichneten Israel und Jordanien nur 48 Stunden vor dem Tod von Shimon Peres einen Gasvertrag im Umfang von 10 Milliarden Dollar.

Der Vertrag sichert Israels östlichem Nachbarn für 15 Jahre eine kontinuierliche Versorgung mit Gas aus dem Erdgasfeld Leviathan zu, dem grössten einer Gruppe von Offshore-Gasfeldern, die Israel in den letzten Jahren entdeckt hat.

Auch wenn dies natürlich ein Glücksfall war, führte die Entdeckung zu regulatorischen Problemen und löste politische Dispute aus, deren Lösung Jahre brauchte. Nun jedoch strömt das Gas und davon profitiert nicht nur die israelische Wirtschaft, sondern auch die Position Israels in Nahost und darüber hinaus.

Von Beginn an litt die israelische Wirtschaft unter einem Mangel an natürlichen Ressourcen. So war Israel, ähnlich wie Japan, gezwungen, diese Rohstoffarmut mit ambitionierter industrieller Entwicklung auszugleichen. 1999 jedoch fand Israel Gas im Mittelmeer westlich von Aschkelon.

Dieses Gasfeld war klein, aber es folgten viel grössere Lagerstätten etwa 100 Kilometer westlich von Haifa. Die zahlreichen Felder, die zusammen die weltweit grösste Entdeckung dieses Jahrhunderts darstellen, entsprechen dem gesamten Bruttoinlandsprodukt Israels und können nicht nur dessen Energiebedarf für 150 Jahre decken, sondern bringen dem BIP auch mehrere Generationen lang jährlich 2 Milliarden Dollar ein.

Dennoch weckten die Funde Ängste vor der „Holländischen Krankheit“, eine Anspielung der Ökonomen auf die Ereignisse in Holland in den 1960ern, wo Gasfunde dessen Währung in die Höhe trieben und zu einem Abwandern von Produzenten und Jobs führten.

Um einer solchen Situation vorzubeugen hat Israel einen speziellen, von der Bank von Israel geführten Fonds eingeführt und erhebt Abgaben von der neuen Industrie. Diese werden im Ausland investiert und die Erträge jährlich dem Budget zugeführt, und das nur für soziale Zwecke. Auf diese Weise kann das neue Einkommen die Wirtschaft nicht überwältigen und potenziell opportunistische Politiker haben keinen Zugriff darauf.

Das Abgabenschema erforderte ebenfalls Bearbeitung, da das israelische Recht eine solche Goldgrube niemals vorhergesehen hatte. Das Recht hatte zuvor eine Abgabe von 12,5 Prozent vorgesehen, ein Satz, der zu einem Aufschrei in den sozialen Bewegungen führte. Diese befürchteten, die Erträge aus dem neu gefundenen Gas könnten einigen Grossindustriellen anstelle der Bevölkerung zukommen.

Nach langem Ringen beseitigte die Regierung diesen Missstand und führte eine Formel ein, bei der die Gasförderer eine progressive Steuer von 20–50 Prozent auf jeden Schekel zahlen, der über eine anderthalbfache Rendite der ursprünglichen Investition hinaus verdient wird.

Der Kompromiss zwischen sozialen Anliegen und kapitalistischem Unternehmertum wurde zum Vorbild für die Lösung weiterer regulatorischer Konflikte.

In Reaktion auf Bedenken, das Gas würde hauptsächlich ins Ausland gehen anstatt in die israelischen Haushalte, entschied sich die Regierung zu der Verpflichtung, 47 Prozent dem heimischen Markt zuzuteilen.

Und als Antwort auf die Kritik, die Gasindustrie werde ein Monopolist sein, zwang die Regierung dem israelisch-amerikanischen Konsortium, das das Gas ursprünglich gefunden und abgebaut hatte, Wettbewerb auf.

So fliesst das Gas nun aus zwei Mittelmeerfeldern über Pipelines, die im Hafen von Aschdod südlich von Tel Aviv enden, nach Israel.

Nachdem es den physischen Weg seiner aufblühenden Energieindustrie unterbrochen und den regulatorischen Rahmen festgelegt hatte, machte sich Israel daran, das Gas als diplomatisches Lebenselixier einzusetzen.

DEM GESCHÄFT mit Jordanien, das auch das Verlegen einer Pipeline durch das Jesreel- und das Jordantal umfasst, ging im letzten Jahr ein Geschäft mit den in Kairo ansässigen Dolphinus Holdings voraus, das die Lieferung von israelischem Gas im Wert von 1,2 Milliarden Dollar über sieben Jahre hinweg an Ägypten vorsieht.

Ein Geschäft mit der Palästinensischen Autonomiebehörde über Lieferungen ins Westjordanland war unterzeichnet, von den Palästinensern jedoch im vergangenen Jahr storniert worden, ehe in diesem Jahr mithilfe der Europäischen Union ein Geschäft über Lieferungen nach Gaza in die Gänge kam.

Die palästinensische Verbindung ist offensichtlich am anfälligsten für politische Verwerfungen und das wird auch so bleiben, aber die Geschäfte mit Jordanien und Ägypten stehen fest. Darüber hinaus definiert Israels Gas die Rolle in seiner unmittelbaren Nachbarschaft neu.

Während eines Treffens im vergangenen Monat in Athen besprachen die Energieminister Israels, Griechenlands und Zyperns die Verlegung einer israelisch-europäischen Pipeline durch Zypern und Griechenland. Es sollte erwähnt werden, dass Griechenland einst das Land war, das in Europa die meisten Vorbehalte gegenüber Israel hatte.

Seither ist viel passiert in Athen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich, lange vor den Gasfunden Israels. All das hat Griechenlands Haltung gegenüber dem jüdischen Staat gemässigt. Seit 2010 jedoch, als Israel sich im Streit mit der Türkei wiederfand, ersetzt Griechenland die Rolle des historischen Feindes durch die des strategischen Verbündeten und erlaubte der israelischen Luftwaffe, in seinem Luftraum zu manövrieren.

Die Türkei hat sich unterdessen auch mit Jerusalem ausgesöhnt und möchte ihren Anteil an Israels Gas. „Die Türkei bietet den kürzesten Weg für Israels Gas nach Europa“, sagte Präsident Recep Erdogan einer Versammlung beim Weltenergiekongress in Istanbul im Oktober 2010.

Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Ankara es vorzöge, wenn Israel sich für die Türkei anstatt für Griechenland als Brücke der Gasindustrie nach Europa entschiede. Eine Entscheidung, die in der Tat einige technische Vorteile böte, da eine über Griechenland geführte Pipeline eine längere und tiefere Verlegung erfordern würde.

Egal über welche Route, das israelische Gas wird sicher nach Europa kommen und gleichzeitig die Verbindungen zu den ehemaligen Rivalen verbessern.

Zugegeben, das ist nicht gerade der neue Nahe Osten, den Shimon Peres im Sinn hatte und in dem alle Völker und Regierungen der Region sich die Hände reichen und gemeinsam zur Entwicklung beitragen. Es könnte jedoch Teil des Beginns einer solchen Zukunft sein.

Über Amotz Asa-El

Amotz Asa-El ist leitender Berichterstatter und ehemaliger Chefredakteur der Jerusalem Post, Berichterstatter Mittlerer Osten für Dow Jones Marketwatch, politischer Kommentator bei Israel's TV-Sender Channel 1 und leitender Redakteur des Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

Alle Artikel

1 Kommentar

  1. D erhält bereits und langfristig gesichert Erdgas aus Russland.
    Und das ist gut so – ist besser als Erdgas aus Israel.
    Weil die Leitungen bereits stehen, die Verträge mit Russland unterzeichnet sind
    und jedes deutsch-russische Joint-Venture überaus notwendig und
    zu begrüssen ist.

    Anderes Thema, der Artikel führt aus:
    “Ein Geschäft mit der Palästinensischen Autonomiebehörde über Lieferungen ins Westjordanland war unterzeichnet, von den Palästinensern jedoch im vergangenen Jahr storniert worden, ehe in diesem Jahr mithilfe der Europäischen Union ein Geschäft über Lieferungen nach Gaza in die Gänge kam”

    Zunächst einmal dieses typisch arabische Hin und Her:
    Oslo-Abkommen unterzeichnen, Geld nehmen und dann den Vertrag nicht ratifizieren.
    Nun also wieder einmal: Vertrag unterschreiben, dann widerrufen und klagen und weinen
    und fordern – und wieder unterschreiben.
    Hoffentlich war die zweite Vertragsofferte deutlich nachteiliger für die PA.

    Problem ist, dass die Vertretungen der Pali-Araber einen Vertrag mit Israel deutlich
    anders definieren als es gemeinhin unter seriösen Vertragspartnern üblich ist:
    Erst wenn die PA den Eindruck hat, dass Israel ihnen mal wieder etwas schenken
    musste/sollte,
    erst wenn der Rahmen der Vertragspflichten für die Araber so gefasst ist,
    dass er eher einer Schenkungs-Urkunde gleicht,
    erst dann verstehen die pali-arabischen Vertretungen
    einen Vertrag mit Israel als annehmbar.

    Das impliziert also die Übervorteilung des Geschäftspartners als Vertragsmodell
    und weniger ein kooperierendes Miteinander.
    Schade, dass der Prophet Mohammed offenkundig keine Definition
    für “ein erbärmliches Vertragsgebaren” hinterlassen hatte.

Kommentarfunktion ist geschlossen.