EDA-Kommunikation ausser Kontrolle: Parlament schaltet sich ein

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Foto Screenshot X / eda_dfae
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Seitdem Audiatur-Online über die Kommunikationspolitik im Schweizer Aussendepartement berichtete, gerät das unkontrollierte Social-Media-Gebaren des EDA auch vermehrt in den Fokus des Parlaments.

Rückblick: Audiatur-Online hatte nach einem Tweet im August, der Israel für einen Luftschlag gegen ein Hamas-Kommandozentrum verurteilte, Einsicht in die Protokolle des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verlangt. Diese zeigten, dass das Aussendepartement keine Abklärungen vorgenommen und stattdessen von den Tweets der EU und von EU-Staaten abgeschrieben hatte. Die politische Führung um Bundesrat Cassis wurde vor der Veröffentlichung des Tweets nicht informiert (s. Artikel).

Das EDA macht weiter wie bisher

Doch die Aufdeckung der Geschichte löste im EDA offenbar kein Umdenken aus. Erneut sendete Bern zweifelhafte Botschaften ab. So zeigte sich das EDA auf der Plattform X (ehemals Twitter) «tief besorgt über die Explosionen» durch manipulierte Pager und erinnerte an den Schutz der Zivilbevölkerung. Damit wurde suggeriert, der mutmasslich israelische Angriff hätte Zivilisten und nicht Hisbollah-Terroristen in höheren Kommandorängen gegolten, die gegen einen befreundeten Staat Krieg führten. Bürgerliche Politiker aus SVP, FDP und Mitte empörten sich über den Tweet (s. Artikel).

Interpellation im Nationalrat

Nun kommt das undiplomatische Twitter-Gebaren des Aussendepartements ins Parlament. In einer Interpellation fordert Nationalrat Erich Vontobel (EDU/ZH) vom Bundesrat die Beantwortung der folgenden Fragen:

  1. Ist geregelt, welche Personen aufgrund welcher Informationskanäle Aussagen formulieren und via Twitter verbreiten dürfen? Wer ist letztlich dafür verantwortlich? Woher stammt dieser Umgang mit politisch heiklen Situationen?
  2. Ist geregelt, in welchen Fällen der Text dem zuständigen Leiter oder der Leiterin des Departements vorzulegen ist?
  3. Wer prüft, inwieweit involvierte Personen über die notwendigen Kenntnisse der behandelten Ereignisse verfügen?
  4. Ist der Bundesrat ebenfalls der Meinung, dass Behauptungen der offiziellen Informationskanäle vor der Veröffentlichung abgeklärt werden müssen? Warum geschah das im aktuellen Fall nicht?
  5. Hat das EDA aus aktuellen Skandalen rund um seine Kommunikationspolitik Lehren für das zukünftige Verhalten auf Social Media gezogen?

Wir werden weiter über die Vorgänge im Parlament berichten.

Worüber das EDA nicht twittert

Trotz der vielen Tweets gehen gewisse Botschaften im EDA offenbar unter. Nach dem zweiten Libanonkrieg 2006 hat der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1701 beschlossen. Die bindende Resolution fordert die Entwaffnung der Hisbollah und deren Rückzug hinter den Litani-Fluss. Seit 18 Jahren verstösst die vom Iran gesponserte Terrormiliz gegen diese Resolution – ein klarer Bruch des Völkerrechts, auf das man sich beim EDA sonst gerne beruft. Dennoch fand man es dort bislang unnötig, dazu zu twittern.

Die Resolution 1701 schaffte es bisher nicht in Twitter-Kanal des EDA. Bild: X
Die Resolution 1701 schaffte es bisher nicht in Twitter-Kanal des EDA. Bild: X
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Über Daniel Rickenbacher

Daniel Rickenbacher ist promovierter Historiker und arbeitet in der Analyse und Politikberatung. Er studierte Geschichte, Politik und Religion und forschte an der Universität Basel, der Ben Gurion Universität, der Concordia Universität in Montreal und an der Militärakademie an der ETH.

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