Arte sendet wichtigen Beitrag zum Holocaustgedenktag

Erschütternde Berichte aus den Ghettos - Vorhof der Vernichtung

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Die Shoah in den Ghettos. Foto Screenshot Arte.tv
Die Shoah in den Ghettos. Foto Screenshot Arte.tv
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Eine Doku erinnert an Juden, die in den Ghettos eingesperrt wurden, die Nazis im Osten Europas errichtet hatten. Bereits dort wurden sie langsam vernichtet – durch harte Arbeit, Hunger und Krankheiten.

von Katharina Dockhorn

Am 8. Februar 1940 errichten die Nazis in Lodz ein Ghetto für die Jüdinnen und Juden in Polen – einer von tausenden abgeriegelten Stadtteilen. Im Ghetto in Warschau, das für den grossen Widerstand 1943 bekannt wurde, waren insgesamt rund zwei Millionen Menschen auf engstem Raum eingezwängt.

Ihren Alltag hielten viele Deportierte in Briefen, Tagebüchern und Fotos fest. Einige der erschütternden Berichte über den Überlebenswillen der Eingesperrten und die Auswirkungen der perfiden Vernichtungsstrategie der Nazis wurden nach der Befreiung Polens, Belarus’, Russlands, Litauens und der Ukraine in Kellern und anderen Verstecken gefunden. Sie gehören heute zum Kulturerbe der Menschheit.

Die Dokumentation “Die Shoah in den Ghettos” stützt sich auf diese Aufzeichnungen und kombiniert sie mit der Einordnung der Rolle der Ghettos innerhalb des Holocaust durch namhafte Historiker aus Polen, Frankreich und Deutschland. Abgerundet wird das Bild durch Fotos und Filmaufnahmen. Arte strahlt den Film am 23. Januar um 20.15 Uhr aus.

Die meisten Bilder stammen meist aus den Archiven der Deutschen, das betonen die Autoren mehrmals. Denn den Eingesperrten war es verboten, Kameras oder Fotoapparate zu besitzen. Trotzdem hielten einige Mutige den Alltag im Ghetto fest. Es entstanden Bilder von den Versuchen, trotz der Schikanen und äusseren Bedingungen ein halbwegs normales Leben zu gestalten. Aber auch vom Elend, das von den Deutschen gewollt war. Die Essensrationen, die die Nazis den Bewohnern zuteilten, waren so karg, dass sie nicht ausreichten, um die körperlichen Grundbedürfnisse zu stillen.

Akribisch zeichnet die Autorin die Geschichte der Ghettos nach, die die Nazis nach ihren Eroberungen im Osten Europas errichteten. Zunächst schwebte ihnen vor, den Menschen jüdischen Glaubens aus Polen ein eigenes Territorium zuzuweisen. Nachdem dieser Versuch kläglich gescheitert war, blieb es den regionalen Machthabern überlassen, das Leben der unerwünschten Mitmenschen zu organisieren. Das Ghetto in Lodz wurde dafür schnell zu einer Art Blaupause.

Die polnische Bevölkerung wurde aus den Stadtvierteln vertrieben, die für die Errichtung von Ghettos vorgesehen waren. Die Deutschen überliessen die Verwaltung meist sogenannten Judenräten, die eine eigene Staatlichkeit samt Justiz, Polizei und Feuerwehr aufbauten. Theater- und Musikaufführungen, Sportveranstaltungen, Schule und wissenschaftliche Vorträge waren noch möglich.

Doch dieser äussere Eindruck von Normalität trog. Die gesamte soziale Hierarchie war auf den Kopf gestellt. Kinder wurden zu den Haupternährern ihrer Familie, weil sie Lebensmittel ins Ghetto schmuggeln konnten. Intellektuelle und einst wohlhabende Menschen mussten sehen, wo sie blieben – für die einfache Zwangsarbeit in den Fabriken waren andere Fähigkeiten gefragt. Aber vor allem spürte jeder das Ziel der Deutschen: Hunger, Krankheiten, harte Arbeit und Erschöpfung sollten die Zahl der Ghettobewohner dezimieren.

In der zweiten Phase ihrer Existenz veränderte sich der Charakter der Ghettos. Ab 1942 wurden vor allem Ältere und Kinder, viele mit ihren Müttern, in die Vernichtungslager deportiert. Übrig blieben die Erwachsenen und Jugendlichen, die arbeiten konnten.

Nach der Schlacht um Stalingrad und mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto war das Schicksal der dortigen Bewohner besiegelt. Die Deutschen lösten die Internierungslager auf und deportierten die Menschen in die Vernichtungslager. Nur wenige entkamen dem Tod in den Gaskammern.

Filmemacherin Barbara Necek bemüht sich um Sachlichkeit bei der Schilderung der Gräuel. Emotionale Momente stellen sich vor allem dann ein, wenn aus den überlieferten Tagebüchern zitiert wird. Das Leiden im Warschauer Ghetto und auch das Schicksal von sechs Millionen Opfern des Holocaust werden durch sie lebendig – ein wichtiger Beitrag zum Holocaustgedenktag am 27. Januar.

"Die Shoah in den Ghettos". Regie und Drehbuch: Barbara Necek. Arte, Di 23.01., 20.15 - 22.00 Uhr.

KNA/mit/aps/pko

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