Ist das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge noch zu retten?

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Foto Abed Rahim Khatib/Flash90
Foto Abed Rahim Khatib/Flash90
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Der Jubel war gross, als im Frühjahr 1945 in San Francisco Diplomaten aus 50 Staaten die Charta der Vereinten Nationen unterzeichneten. „Alle Mitglieder“, so gelobten sie, „sollen sich in ihren internationalen Beziehungen der Androhung, oder Anwendung von Gewalt, gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates enthalten.“

 

Es dauerte nur vier Jahre um das diplomatische Baby zu entführen und es von einem Motor des Friedens in ein Instrument des Krieges zu verwandeln. Die Entführer waren arabische Delegationen, und ihr Instrument war eine von ihnen erdachte neue Organisation: UNRWA – das Akronym für United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten).

Allein die Gründung einer separaten UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge im Dezember 1949, nur fünf Tage nach der Einrichtung des UN‑Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), implizierte, dass ein vertriebener Palästinenser wichtiger und einer höheren Förderung durch die Vereinten Nationen würdig war, als jeder andere Flüchtling. Und was mit einer politischen Entführung begann, produzierte in der Folge eine Plünderung des Budgets und einen moralischen Striptease.

Die Angriffe der Vereinten Nationen auf Israel finden auf zwei Ebenen statt: der rhetorischen und der administrativen. Der rhetorische Krieg wird in mit weichen Teppichen ausgelegten Sälen in New York und Genf geführt, wo Israel häufiger und schärfer verurteilt wird, als jedes andere Land.

Wenngleich weniger pompös, so sind die anderen anti-israelischen Bestrebungen der UN nicht weniger tödlich, da sie vor Ort ausgetragen werden – auf den Strassen von Gaza, Hebron, Beirut und in Dutzenden anderer Orte im Nahen Osten – wo rund 700 vom UNRWA geführte Schulen fast eine halbe Million palästinensische Jugendliche und Kinder erziehen.

Dieses Schulsystem ist Teil eines Netzwerks, das auch Gesundheitsdienstleistungen und Sozialleistungen erbringt. Die schiere Grösse dieses Projekts – das nach eigenen Angaben des UNRWA vom Januar 2016 neben 30’627 „Vor-Ort-Mitarbeitern“ weitere 21’571 „pädagogische Fachkräfte“ umfasst – verschlingt im Endeffekt die Ressourcen des UNHCR, das sich selbst mit lediglich 10.966 Mitarbeitern begnügt.

Mit anderen Worten: die Vereinten Nationen setzen mindestens dreimal so viele Menschen für die von ihnen definierten „palästinensischen Flüchtlinge“ ein als für den übrigen Rest der weltweit „gewaltsam vertriebenen Menschen“, deren Anzahl sich 2017 gemäss UNHCR auf 65,6 Millionen Opfer zahlloser politischer Konflikte – vom Kongo bis Myanmar – belief.

Daraus folgt, dass selbst wenn man die absurde Flüchtlings-Definition des UNRWA akzeptiert – welcher zufolge nicht nur die 1948 vertriebenen Palästinenser sondern auch deren Nachkommen Flüchtlinge sind – dann entfällt auf die Palästinenser pro Kopf immer noch rund 30 Mal mehr UN-Personal als für den Rest der weltweiten Flüchtlinge – und dabei ist das pädagogische Personal des UNRWA noch nicht einmal mitgezählt.

Missachtung der UN-Charta

Offensichtlich wurden die Vereinten Nationen gekapert, und das UNRWA ist das Hauptwerkzeug von diesem diplomatischen Skandal. Dennoch ist das Problem nicht nur der Umfang der Ressourcen des UNRWA, sondern viel mehr deren Missbrauch.

In den Schulen des UNRWA werden die Köpfe der palästinensischen Kinder Tag für Tag von Lehrern vergiftet, die – in schamloser Missachtung der UN-Charta – die Existenz Israels leugnen, Hass predigen und Kriegshetze betreiben.

Und dies zusätzlich zu der innovativen Neudefinition des UNRWA für Flüchtlinge, die dazu dient, deren Zahl von weitaus weniger als einer Million Vertriebenen im Jahr 1948 auf über fünf Millionen Zahlungsempfänger heute, noch weiter zu multiplizieren und sie jederzeit verfügbar – in den Lagern des UNRWA – und emotional angeheizt – in den Schulen des UNRWA – für die Konfrontation mit dem jüdischen Staat bereit zu halten.

Dennoch tolerierten westliche Regierungen diese Anomalität jahrzehntelang und machten sich selbst vor, das UNRWA sei harmlos und dass die Kürzung seiner Fördermittel nicht den Streit wert sei, den dies mit der arabischen Diplomatie ausgelöst hätte. Dies änderte sich jedoch im Januar, als das Weisse Haus entschied, den Löwenanteil, den Washington am Budget des UNRWA hält, zu kürzen.

Emotional betrachtet, machte dieser Schritt Sinn, wenn man bedenkt, dass das UNRWA die Interessen der USA untergräbt und die Werte der Vereinten Nationen mit Füssen tritt und somit „Uncle Sam“ an jedem einzelnen Tag seines Bestehens verhöhnt.

Politisch betrachtet, konnte dieser Schritt jedoch auf lange Sicht nicht wirksam bleiben, da die 370 Millionen USD, die Washington jährlich dem UNRWA bewilligt, leicht durch andere Sponsoren aufgefangen werden können, etwa durch Katar, das letzten Monat verkündete, es werde dem UNRWA ein Extra-Präsent in Höhe von 50 Millionen USD überreichen.

Die Haltung Israels, dass das UNRWA abgeschafft und palästinensische Flüchtlinge über das UNHCR genauso behandelt werden sollten wie alle anderen Flüchtlinge auf der Welt, ist zwar eine gute Hauptforderung, aber es ist nicht zu erwarten, dass dies allzu bald eintreten wird.

Der konservative Nahost-Experte Daniel Pipes schlug vor, die USA sollten das UNRWA auch weiterhin fördern, aber gleichzeitig verlangen, dass Hilfeempfänger, die nicht zu den 20.000 noch lebenden Flüchtlingen aus dem Krieg von 1948 zählen, ausdrücklich auf ihren Flüchtlingsstatus verzichten. Auch das ist eine gute Idee, wird jedoch keinen Einfluss auf den Schaden haben, den das UNRWA tagtäglich der Zukunft des Friedens zufügt.

Von Innen heraus erobern

Ein praktischerer Weg könnte es sein, mit dem UNRWA genauso zu verfahren, wie es einst seine Gründer mit den Vereinten Nationen taten: es von Innen heraus zu erobern.

Anstatt seinen Beitrag zu kürzen, könnten die USA ihre finanzielle Förderung sogar im Gegenteil ausweiten, die Kontrolle über das UNRWA übernehmen und dann den leitenden Angestellten der Organisation kündigen, sie ersetzen und die gesamte Politik und die Aktivitäten des UNRWA überprüfen.

Die neuen Führungskräfte des UNRWA würden dann die vorhandenen Schulbücher abschaffen und sie durch neue ersetzen und ihren Lehrern sagen, wenn sie ihre Jobs behalten wollen, müssten sie in schriftlicher Form unterschreiben, dass sie Israels Existenzberechtigung anerkennen, dass sie an den Frieden mit Israel glauben und dass die Juden eine Nation sind, die ebenso ehrbar ist wie jede andere.

Unter einer neuen Verwaltung werden die Schulen des UNRWA die neue Generation der Palästinenser lehren, dass die Juden nicht etwa die „Söhne von Affen und Schweinen“ sind, als die sie von ihren Predigern dargestellt werden, sondern die Nachfahren Moses‘, der Mord, Götzendienst und Diebstahl verbot; von Jesaja, der den Weltfrieden prophezeite; von Amos‘, der die Reichen schalt, welche die Armen ausnutzen; und von den Weisen, die per Gesetz festlegten, dass alle Jungen und Mädchen lesen und schreiben lernen und es in jeder Gemeinde eine Schule geben muss;  eine Schule, wie sie das UNRWA erst noch zustande bringen muss; eine Schule, die Toleranz, Diskurs und Aufklärung lehrt; eine Stätte des Lernens, deren Absolventen das Erwachsenenalter in dem Wissen erreichen, dass Juden seit der Vorzeit ununterbrochen im Heiligen Land lebten und dass das Bestreben, sie ihres Landes zu berauben mindestens ebenso unmoralisch ist, wie das Bestreben, den Palästinensern das ihre zu rauben.

Über Amotz Asa-El

Amotz Asa-El ist leitender Berichterstatter und ehemaliger Chefredakteur der Jerusalem Post, Berichterstatter Mittlerer Osten für Dow Jones Marketwatch, politischer Kommentator bei Israel's TV-Sender Channel 1 und leitender Redakteur des Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

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