Hassbeiträge im Internet – Die Schweiz braucht kein NetzDG

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Bild von muslimischem Kämpfer vor Moschee | Quelle BR24
Bild von muslimischem Kämpfer vor Moschee | Quelle BR24
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Audiatur-Online hat Hassbotschaften beim Kurznachrichtendienst Twitter getestet, alle abrufbar in der Schweiz, im Fokus Juden, zu deren Ermordung mit Auto, Beil, Messern und Pistolen Terroristen anstacheln.

 

von Sabina Wolf

Der Arm des Attentäters durchgestreckt, in der Hand das Messer, ragt hoch erhoben. Nur einen Wimpernschlag vor dem Attentat zielt die Klinge auf die Halsschlagader. Gleich wird der Täter zustechen. Das Opfer hat keine Chance! Dieser Eindruck verbleibt beim Betrachter des Twitter-Fotos von Nutzer @RefuXXXX. Beim nächsten rassistischen Hassbeitrag wurde der Messerangriff schon ausgeführt, Blutlache und -spritzer sind stummer Beweis der grauenvollen Tat. Getweetet von @2015XXXX, Twitter lässt es geschehen und macht den Beitrag weltweit abrufbar.

Audiatur-Online meldet im von Twitter vorgesehenen Beschwerdeverfahren insgesamt 15 rassistische Hass-, Hetz- und Gewaltbeiträge. Doch bis zum Erscheinen dieses Artikels waren die gefährlichen Botschaften, weiter Online, bis auf eine. Die sonst übliche Rückmeldung erhält Audiatur-Online vom Kurznachrichtendienst nicht.

Es ist erschreckend: Rassismus- und Extremismus-Darstellungen sind millionenfach online. Und das, obwohl Bilder und Botschaften, die zu Hass oder Diskriminierung gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion aufrufen, auch online gesetzlich verboten sind.

Und es ist ernüchternd: Strafrechtliche Vorschriften scheinen in sozialen Netzwerken kaum Gültigkeit zu entfalten. Und gefährlich ist es obendrein, denn, so die israelische NGO „They Can’t – Fighting Anti Semitism and Terrorism Online“, „hier wächst eine Generation im Netz auf, für die diese schrecklichen Bilder Normalität sind.“

Deutschland will nun zumindest für die Abrufbarkeit solch strafbarer Beiträge innerhalb der eigenen Landesgrenzen hart durchgreifen mit dem so genannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG: Seit dem 1. Januar drohen Social-Media-Unternehmen, die rechtswidrige Inhalte nicht selbständig von ihren Plattformen löschen, Geldstrafen bis zu 50 Millionen Euro. Klingt aufs Erste vielversprechend. Doch, als Journalisten des Bayerischen Rundfunks 15 Hassbotschaften melden, wird keine einzige gelöscht. Zitat von Twitter:

„Wir konnten keine Verletzung der Twitter Regeln feststellen…..”.

Doch um welche Regeln geht es hier? Um „Twitter Regeln“ oder um das Strafrecht demokratischer Länder?

Yigal Carmon vom Middle East Media Research Institute MEMRI plädiert in seinem Bericht “An Internet Clean Of Jihadi Incitement – Not Mission Impossible” dafür, soziale Medien voll in die Verantwortung zu nehmen. Er beklagt, diese Firmen, hätten die Meinungsfreiheit aus den demokratischen Parlamenten quasi entführt:

“Sie ignorieren die Gesetze demokratischer Nationen, von Parlamenten und die Gerichtsbarkeit zu der Frage: Was ist Recht, was ist Unrecht. Sie nehmen sich einfach das Recht zu entscheiden, was Recht und Unrecht ist!“

Yigal Carmon beobachtet, dass hier sozusagen ein paralleles Rechtssystem entstanden sei und das Prinzip dabei laute: „Gib jedermann eine Stimme“. Er meint, das sei zwar gut fürs Geschäft, aber zerstörerisch und moralisch gefährlich. Kriminelle Organisationen wie der IS sollten dieses „Recht“, zu sagen, was sie wollen, nicht haben dürfen.”

Die Schweiz interpretiert das ähnlich: Auf Anfrage erfährt Audiatur-Online von der Sprecherin Ingrid Ryser vom Schweizer Bundesamt für Justiz:

Der Bundesrat erachte es als heikel, dass “Private entscheiden sollen, wann die Grenzen der Meinungsäusserungsfreiheit verletzt werden”. Diese Aufgabe müsse in jedem Fall einer gerichtlichen Instanz zukommen, was der betroffenen Person auch die Beschreitung des Rechtswegs garantiere.

Soll man Hassrede auf sozialen Netzwerken in der Schweiz deshalb einfach gewähren lassen? Das wollte Nationalrat Manuel Tornare (SP) vergangenen Sommer vom Bundesrat wissen:

„Gedenkt der Bundesrat, sich dieser Problematik anzunehmen und im Bereich der Hassrede auf sozialen Netzwerken gesetzgeberisch tätig zu werden?“

Die Löschung und Sperrung von Nachrichten auf sozialen Netzwerken werfe “…rein auf Grundlage von Meldungen durch die Benutzerinnen und Benutzer ohne Verwaltungs- oder Gerichtsentscheid, wie dies in Deutschland vorgesehen ist, heikle Fragen bezüglich der Vereinbarkeit mit den Grundrechten, namentlich der Meinungsäusserungsfreiheit, auf“, antwortet der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 01.12.2017 dazu. Er verweist ausserdem auf Massnahmen ausserhalb von Gerichtsverfahrens: Fedpol habe bei Youtube den Status eines “Trusted Flagger” und melde als solcher regelmässig Gewalt- und Propagandavideos, insbesondere im Bereich des dschihadistischen Terrorismus. Fedpol stehe zudem in Kontakt mit Facebook und Twitter und versuche momentan, auch dort einen derartigen Status zu erlangen.

Ohnehin appelliert Fedpol längst an die Öffentlichkeit: „Wer auf derartige Angebote im Internet stösst, sollte sich unbedingt an die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) wenden.“

Screenshot eines von Audiatur-Online gemeldeten Tweets.
Screenshot eines von Audiatur-Online gemeldeten Tweets.

Probehalber meldet Audiatur-Online einen der Gewalttweets an Fedpol, den die Redaktion zuvor Twitter gemeldet hatte, und dort aber nicht gelöscht worden war. Nach der Meldung an Fedpol dauert es keine 24 Stunden und der strafbare Inhalt ist nicht mehr zugänglich!

In Deutschland ist der Weg komplizierter. Erst wenn Social Media Anbieter strafbare Inhalte nicht löschen kann sich der User an das deutsche Bundesamt für Justiz wenden. Auf dessen Homepage erwartet ihn ein extrem kompliziertes Meldeformular, das viele abschrecken wird, sich zu beschweren.

Unterdessen löscht Twitter in Deutschland harmlose Tweets von Schauspielern und Journalisten, wohin gegen viele von Hassern und Dschihadisten Online bleiben.

Mehr Bürokratie und weniger Grundrechte, wie in Deutschland, scheint offenbar nicht der optimale Weg zu sein, um dem Strafrecht in sozialen Netzwerken zur Gültigkeit zu verhelfen.

Ein kurzer einfacher Weg zu den Sicherheitsbehörden, wie in der Schweiz, klappt besser. Massiver Druck auf die Verantwortlichkeit der sozialen Medien darf dabei nicht unterbleiben.

Sabina Wolf ist Journalistin und seit mehr als 20 Jahren mit dem Schwerpunkt investigativer Journalismus für die Bereiche Wirtschaft, Finanzen und Politik beim BR Fernsehen tätig.

1 Kommentar

  1. Da gibt’s aber noch eine andere Seite.

    Ich zum Beispiel kann keinen Facebook Account mehr eröffnen, obwohl ich Schweizer bin und dem Deutschen NetzDG nicht unterstehe.

    Das heisst, ich habe seit sicher 2 Jahren keinen Facebookaccount mehr, seit dem ich gesperrt wurde. Versuche ich es erneut, ist innert 2 Stunden gesperrt.
    Natürlich, meine Ansichten wurden nie als Grund benannt, überhaupt erfahre ich keine Gründe mehr, sondern sie machten es daran auf das meine Telefonnummer fehlt.

    Ich habe in Facebook nur bei politischen Gruppen mitkommentiert.

    Und da auch vor allem bei Sabatina James und anderen Islamkritikern.

    Und genau dass war wohl mein Vergehen. Zwar gibt es in der Schweiz kein Gesetz dagegen, aber es finden sich schon irgendwo irgendwelche Gründe und sei es nur, dass ich keine Telefonnummer habe.

    Zensur bei Facebook findet seit Jahren statt, sie wird nur einfach dort wo es kein entsprechendes Gesetz gibt, kaschiert mit allerhand Kleinigkeiten.

    Nur der Islam wird nie erwähnt.

    Und natürlich, im islam dürfen alle unter Pseudonymen wie Kampfnahmen und mit übelsten Hassbotschaften posten, die werden nicht gelöscht.
    Ich nehme darum an, das Leute die Israel verteidigen und den Islam kritisieren von sehr vielen FB Lesern die sich als Denunzianten hergeben, durchstreift und gemeldet werden.
    Da sind offenbar viele Linke die solche Seiten nur lesen um eben zu melden.

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