Ökumenischer Rat der Kirchen tut sich schwer mit der Wahrheit

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ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit (links im Bild). Lutherische Erlöserkirche in Jerusalem (rechts). Fotos Vidar Ellingsen/Innovasjon Jorge (Tveit), Wikimedia commons / Gatestone
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Zwei vor Kurzem erschienene Artikel des Gatestone Institute befassten sich mit der aktuellen Aktion des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) namens „Sieben Wochen im Zeichen des Wassers 2016“.

Von Malcolm Lowe

Als Reaktion darauf hat der ÖRK einen offenen Brief an Gatestone herausgegeben. Ich als Autor bin nur für das verantwortlich, was mein Artikel beinhaltet. Umgekehrt können wir die Antwort des ÖRK ausschliesslich im Hinblick auf diesen Artikel untersuchen.

Der Artikel betrifft die „Predigt“, die von Olav Fykse Tveit, dem Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), gehalten wurde, als er die Kampagne in einer Kirche in Jerusalem startete. Die Predigt kann von der Website des ÖRK heruntergeladen werden.

Von meinem Standpunkt aus betrachtet enthält der offene Brief der ÖRK eine Aussage, die schlichtweg falsch ist. Diese besagt: „Die Informationen und Statistiken, die wir für die Aktion verwenden, wurden aus Quellen der Vereinten Nationen hergeleitet. Keine der Informationen stammen von der Palästinensischen Wasserbehörde.“

Liest man die Predigt von Anfang bis Ende genau durch, findet man nur einen Verweis auf eine Quelle der Vereinten Nationen: die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 100 Liter Wasser pro Person pro Tag (ein Ziel, das in vielen Teilen der Welt nicht erreicht wird). In Bezug auf das palästinensische Wasser stammen Tveits „Informationen und Statistiken“, wie die Predigt ausdrücklich sagt, vom „Interessenverband von Palästina, EWASH“ (sprich: von der palästinensischen Website „Thirsting for justice“ („Dürsten nach Gerechtigkeit“)). Tveits Predigt, die die Eröffnungserklärung der Kampagne bildet und den Ton für alles Nachfolgende vorgibt, basiert demnach also – im Gegensatz zu dem, was im offenen Brief erklärt wird – auf einer Quelle, die sich offen an pro-palästinensischer Agitation beteiligt.

Die Kritik in meinem Artikel richtete sich an das, was Tveit ohne Zögern aus dieser Quelle übernommen hat. Zu beachten ist also auch, dass der offene Brief keinen Versuch unternimmt, auf diese Kritik zu antworten bzw. auch nur zu erwähnen, worin diese Kritik bestand. Wie konnte er auch, denn darin wird ja behauptet, dass Tveits Predigt Teil einer Kampagne sei, die nur Daten der UN zitiere.

Darüber hinaus enthält die Website der Aktion verschiedene „Reflektionen“ palästinensischer Kleriker und ÖRK-Mitarbeiter im gleichen Tenor wie Tveits Predigt. Beispielsweise stellt der Beitrag von Bischof Younan dieselben Behauptungen über Wasser auf wie Tveit. Es ist absurd zu behaupten, dass die Kampagne ausschliesslich oder auch nur hauptsächlich auf UN-Quellen basiert.

Allerdings versucht der ÖRK aus gutem Grund die Auseinandersetzung mit meiner Kritik zu vermeiden. Meine Kritik ist nämlich so offensichtlich richtig, und Tveits Behauptungen sind so bedauernswert falsch, dass der ÖRK sich selbst lächerlich machen würde, wenn er die Kritik zitieren und dann versuchen würde, sie zu umgehen.

Um die Zeit des Lesers nicht zu verschwenden, möchte ich kurz drei zentrale Behauptungen von Tveit noch einmal betrachten und ausführen, warum diese falsch sind.

Erstens behauptet Tveit, dass „80 % des Grundwassers aus dem Grundwasserleiter in den palästinensischen Bergen unterirdisch bis nach Israel gepumpt wird“. Ebenso Younan: „80 % des Wassers wird zu den Israelis gepumpt.“ Man muss schon blind an Israels Ungerechtigkeit glauben, um nicht zu bemerken, dass diese Aussage schon auf den ersten Blick unglaubwürdig ist. Die Unterstellung lautet, dass Israel ein Netzwerk aus Pumpen und Rohrleitungen geschaffen habe, überall dort Wasser sammele, wo es zu finden ist, und dann das ganze Wasser nach Israel leite. Ein solches Netzwerk gibt es natürlich nicht.

Tatsache ist, dass das Wasser des Niederschlags, der in den Hügeln fällt, wo die wichtigsten palästinensischen Städte liegen, in den Untergrund geht. Ein Teil dieses Wassers tritt aufgrund der Geologie erst weit entfernt in Israel wieder an die Erdoberfläche. Dieses Problem wurde 1995 im Abkommen von Taba angesprochen, in dem sich Israel verpflichtete, einen festen Anteil der erwarteten jährlichen Niederschlagsmenge in die entgegengesetzte Richtung zu pumpen – in Anbindungen an das Wasserversorgungsnetz der Palästinensischen Autonomiehörde. Die einzige Frage ist also, ob Israel diese Verpflichtung erfüllt hat. Israel hat dies getan. Damit ist die Sache erledigt. Alle Behauptungen, dass Israel palästinensisches Wasser „stehle“, basieren auf gutgläubiger Ignoranz oder bewusster Unehrlichkeit. [Weitere Details sind unter Palestinian Water (and Martin Schulz): The Lack of Logic“ zu finden.]

Zweitens behauptet Tveit, dass den Palästinensern weniger Wasser pro Kopf zur Verfügung stehe als den Israelis. Seine Zahlen mögen wahr oder falsch sein, der Punkt hier ist jedoch, dass Pro-Kopf-Vergleiche ohnehin irrelevant sind. Israels Verpflichtung basiert auf der tatsächlichen Niederschlagsmenge. Wie sehr sich dies auf Pro-Kopf-Mengen auswirkt, hängt davon ab, wie schnell die palästinensische Bevölkerung wächst – ein Faktor, für den einzig die Palästinenser selbst verantwortlich sind.

Drittens beklagt Tveit, dass Israel Genehmigungen für Brunnenbohrungen in Bereich C des Westjordanlandes streng begrenzt. Warum es richtig ist, dass Israel dies tut, wird am Beispiel Gaza ersichtlich: Hier wurde durch unkontrollierte Brunnengrabungen das Grundwasser untrinkbar, weil der Abfall des Wasserspiegels zu einer Verunreinigung durch zufliessendes Meereswasser führte.

Eine angemessene Art der Reaktion seitens des ÖRK wäre das Verfassen eines offenen Briefes gewesen, der zuerst die drei Punkte meines Artikels zitiert und dann einen nach dem anderen beantwortet hätte. Solch ein Brief war jedoch nicht möglich, da alle drei Punkte schlichtweg und offenkundig korrekt sind. Stattdessen schrieb der ÖRK einen Brief, in dem Tveits Fehler komplett ignoriert wurden und fälschlicherweise behauptet wurde, er habe nur Quellen der Vereinten Nationen verwendet; offenbar im Vertrauen darauf, dass dann niemand mehr den Artikel lesen würde.

Der ÖRK macht viel Aufhebens darum, wie sehr die Palästinenser „nach Gerechtigkeit dürsten”. Er hat allerdings seine Augen vom Durst der Palästinenser nach Gerechtigkeit durch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) abgewendet. Gerade in diesen Tagen suchte eine palästinensische Abgeordnete, Najat Abu Bakr, Zuflucht im Gebäude des Palästinensischen Legislativrats, nachdem der PA-Präsident Mahmud Abbas ihre Verhaftung angeordnet hatte. Ihr Vergehen bestand darin, dass sie einen von Abbas’ Ministern beschuldigt hatte – und jetzt kommt es: – palästinensisches Wasser zu stehlen und privat zu verkaufen.

Es gab ihretwegen verschiedene Proteste, darunter in einem Artikel des israelisch-arabischen Autoren Khaled Abu Toameh. Wenn der ÖRK wahrhaftig nach palästinensischer Wassergerechtigkeit dürstet, warum ist er nicht zur Verteidigung von Najat Abu Bakr geeilt?

Der „offene Brief“ des ÖRK schlägt die Eröffnung eines Dialogs vor. Was bedeutet das? Falls der ÖRK ein Treffen von Palästinensern und Israelis ins Auge fasst, bei dem alle Teilnehmer ihre „Geschichten“ mündlich vorbringen, dann kann dies – erstens – schwerlich stattfinden, da die Palästinenser ein Verbot aller derartiger „Normalisierungen“ der israelisch-palästinensischen Beziehungen verhängt haben. Sie haben ebenfalls Sanktionen für jeden Palästinenser verhängt, der es trotzdem wagt, mit Israelis zu sprechen. Zweitens ist eine „Geschichte“ in diesem Sinne, wie ich bereits an anderer Stelle schrieb, oftmals „ein Haufen Lügen, der sofortige unkritische Zustimmung einfordert“. Aus einer öffentlich ausgerichteten Debatte von „Geschichten“ geht derjenige als gefeierter Sieger hervor, der am lautesten schreit; doch damit ist weder der Wahrheit noch der Gerechtigkeit gedient.

Angenommen jedoch, dass der ÖRK einen Dialog initiieren möchte, der auf der Wahrheit anstatt auf „Geschichten“ basiert. Dann gibt es einen Weg für ihn, genau dies zu tun. Er sollte Gatestone einen neuen offenen Brief schicken, in dem die folgenden drei Punkte enthalten sind:

  1. Eine Erklärung, dass der ÖRK von seiner Website den Abschnitt von Tveits Predigt entfernt hat, der auf EWASH basiert, und dass derartige Behauptungen nicht länger Teil von „Sieben Wochen im Zeichen des Wassers 2016“ sein werden. Der ÖRK muss zudem auch die Gottesdienstordnung zurückziehen, die er versendet hat. In diesem Gottesdienst werden hunderte Millionen von Christen aufgefordert, die Schuld Israels und die Unschuld der Palästinenser zu besingen, einschliesslich der Lüge, dass „80 % des Wassers zu den Israelis gepumpt wird“.
  2. Ein Eingeständnis, dass der ursprüngliche offene Brief in Bezug auf die Behauptung, dass Tveits Predigt ausschliesslich auf Quellen der Vereinten Nationen basiere, falsch war.
  3. Eine Forderung nach Beendigung der Verfolgung von Najat Abu Bakr und nach einer unvoreingenommenen Untersuchung ihrer Behauptung, ein palästinensischer Minister habe palästinensisches Wasser gestohlen. Dieser Aufruf, das sollte der ÖRK ebenfalls versprechen, wird Teil der Sieben Wochen im Zeichen des Wassers 2016 werden.

Wenn der ÖRK diese drei Dinge tun kann, dann könnte daraus ein Dialog entstehen, der auf der Wahrheit und nicht auf „Geschichten“ basiert.

In englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Malcolm Lowe ist ein walisischer Wissenschaftler mit den Spezialgebieten Griechische Philosophie, Neues Testament und interreligiöse Beziehungen.