An Khamenei vorbei!

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Ayatollah Ali Khamenei

Seit dem Amtsantritt von Präsident Obamas bestand die offizielle US-Politik im bedingungslosen Dialog mit dem Iran; und vollständige Ablehnung des Dialogs war der Inhalt der offiziellen iranischen Politik. Mehrfach hat Obama versucht, Irans obersten Rechtsgelehrten Ayatollah Ali Khamenei einzubeziehen, aber diese Versuche wurden alle abgewiesen. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass es hoffnungslos ist, den obersten Rechtsgelehrten des Iran beteiligen zu wollen.

Der Grund für Khameneis Weigerung ist einfach: Als strategischer Architekt von Irans Atomprogramm ist seine politische Position abhängig davon, dass das Programm überlebt und er selbst den Eindruck vermittelt, äusserem Druck standhalten zu können. Sein Anspruch, Führer der muslimischen Welt zu sein, wird durch seine Beharrlichkeit angesichts zunehmender US-Sanktionen glaubwürdig. Ein Zurückweichen würde seine Rivalen im Land und Vertreter einer gemässigteren Atompolitik stärken. Standhaft zu bleiben ist für ihn eine Frage des Überlebens.

Der Iran unterscheidet sich in dieser Hinsicht stark vom Irak unter Saddam Hussein, in dem Saddam die über ein Jahrzehnt andauernden Sanktionen überlebte, weil er das Regime als alleiniger rücksichtsloser Grössenwahnsinniger führte, der jeden Dissidenten mit einer Kugel in den Hinterkopf beseitigen konnte. Politische Krisen gab es nicht, weil ein solches Regime keine Politik hat. Im Gegensatz dazu ist der Iran eine Räuberhöhle politischer Intrigen voller raffinierter und ausgeklügelter Manöver zwischen den Fraktionen; das macht die Position des Anführers viel verwundbarer als in einem mit eiserner Faust regierten Staat mit Ein-Mann-Herrschaft.

Khameneis Entscheidung, die durch die manipulierten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009 ausgelösten Proteste niederzuschlagen, hat zu tiefen Rissen innerhalb des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (Sepah), der Vorhut des Regimes, geführt. In einem Beitrag für Teherans Zeitung Ettelaat hat der Begründer der  revolutionsgardistischen Marine, General Hossein Alai, die Situation im heutigen Iran mit dem Jahr vor der Revolution verglichen; damit deutete er an, dass Khamenei den gleichen Fehler begehe wie eine Generation vor ihm der Schah, sollte er keinen politischen Kompromiss mit den reformerischen Führern erreichen.

Als General Alai danach von den staatlich geführten Medien angegriffen wurde, erhielt er von einigen Kommandanten der Sepah anonyme Solidaritätsbekundungen. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass Mitglieder der Garde bei den für März geplanten Parlamentswahlen möglicherweise nicht die von Khamenei bevorzugten Kandidaten unterstützen werden.

Weil die Sepah Khamenei für die härteren Sanktionen durch den Westen für verantwortlich halten, ist Grund ihres eigentlichen Ärgers; denn die Sanktionen haben ihren wirtschaftlichen Interessen geschadet. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war die Sepah ein wichtiger Akteur in der iranischen Wirtschaft, und die meisten privaten Unternehmen funktionieren nicht ohne eine von ihr erteilte „Sonderregelung“. In den Industriezweigen Öl, Bergbau und Bankwesen bis hin zur Filmindustrie und Sport spielen Veteranen eine wichtige Rolle. Diese investitionswilligen Islamisten sind es, auf die sich die von den USA angeführten Sanktionen vor allem richten. Die enormen wirtschaftlichen Interessen der Garde sind durch die von den westlichen Nationen durchgeführten Öl- und Banksanktionen stark geschädigt worden.

Um das Atomprogramm am Leben zu erhalten und ihre zahlreichen Geschäftsinteressen zu pflegen, sind die Geldgeber bei den Sepah gezwungen, Öl unterhalb des internationalen Preisniveaus verkaufen. Khameneis hartnäckige Weigerung, beim Atomprogramm einen Kompromiss zu erzielen, hat sie Milliarden von Dollar gekostet.

In Teherans politischen Kreisen ist man geteilter Meinung darüber, ob die Atomkrise zum Krieg führen oder eine friedliche Lösung haben wird. Allerdings ist letzteres nur möglich, wenn die Sepah Khamenei beiseiteschiebt und einen Kompromiss erzwingt. Bisher hat Khamenei die Oberhand behalten.

Khamenei wird nicht nur die Sepah matt setzen, sondern auch jede Anstrengung anderer Fraktionen der Islamischen Republik, sich auf diplomatischer Ebene mit dem Westen einzulassen, sabotieren. Das geistliche Establishment, von Khamenei zutiefst enttäuscht, ist wirtschaftlich so abhängig von der Regierung, dass es keinen wirksamen Einfluss auf die iranische Politik nehmen kann. Die alte Schicht der Kaufleute, ebenso enttäuscht, spielt keine bedeutende wirtschaftliche oder politische Rolle mehr. Reformer in einflussreichen Positionen, wie einst Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani, werden nach und nach von der politischen Bühne gedrängt.

In diesem Umfeld wäre jede weitere Bemühung, Khamenei in einen Dialog einzubinden, vergeblich. Klüger wäre es, jetzt die Öffnung von Kommunikationskanälen mit Sepah-Führern zu planen. Sie sind es, die Khameneis Nachfolger bestimmen werden; ihr Zorn könnte sogar dazu führen, dass sie die Zügel des Landes in die Hand nehmen, bevor er stirbt. Auch wenn sie keine verkappten Liberalen sind, werden sie in der Zeit nach Khameneis Regime mit ihrer eigenen Legitimitätskrise konfrontiert werden; die wird sie möglicherweise dazu zwingen, sich dem Ausland gegenüber zu öffnen, um Macht, Popularität und Glaubwürdigkeit zu Hause zu festigen.

Verantwortlich für Terroraktionen zu Hause und im Ausland, ist die Sepah keineswegs ein natürlicher Partner für den Westen. Doch sind ihre Führer, mit ihren Myriaden von wirtschaftlichen Interessen und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Sanktionen, viel eher geneigt als Khamenei, ein Abkommen über Irans Atomprogramm abzuschliessen. Angesichts der Alternativen ist dies eine erstrebenswerte Möglichkeit.

Mehdi Khalaji ist Senior Fellow am Washington Institute, mit Schwerpunkt auf die Politik des Iran und schiitische Gruppen im Nahen Osten.

 

Originalversion: It’s Time to Bypass Iran’s ‘Supreme Leader’ By Mehdi Khalaji © The Washington Institute for Near East Policy. February 9, 2012. All rights reserved.