Iran beschleunigt sein Atomprogramm

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Während die arabischen Aufstände und die internationale Wirtschaftskrise die Aufmerksamkeit führender Politiker weltweit beanspruchen, treibt Iran in zunehmendem Tempo sein umstrittenes Atomprogramm voran. Dr. Sami Alfaraj, Leiter des Kuwait Centers für Strategische Studien, sagte zu Realite-EU, die Krisen in Syrien und Bahrain hätten Irans Position geschwächt. In dieser Situation bleibe dem islamischen Regime nur ein Ausweg, um seine Existenz zu rechtfertigen und seine Position gegenüber der eigenen Bevölkerung zu stärken: die Vorantreibung seines Atomprogramms. “Ich rechne damit, dass wir in den kommenden Monaten mit einer Konzentration Irans auf das Nuklearprogramm konfrontiert werden”, sagte er.

Iran habe sich in mehreren Bereichen stark angestrengt, der Fähigkeit, Atomwaffen herzustellen, näherzukommen, sagte Mark Fitzpatrick, Direktor des Nichtverbreitungs – und Abrüstungsprogramms des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London vor kurzer Zeit in einem Interview.

Seiner Analyse zufolge hat Iran vor kurzem seine Bemühungen in drei Aspekten, die für ein Nuklearwaffenprogramm nötig sind, intensiviert: Urananreicherung, Expertise in Waffenherstellung und Abschusstechnologie.

Anreicherung

Dr. Fereydoon Abbasi-Davani, Leiter der iranischen Organisation für Atomenergie, kündigte vor wenigen Wochen an, sein Land werde seine Kapazitäten zur Herstellung von auf 20 Prozent angereichertem Uran verdreifachen. Dies würde die Zeitspanne, die Iran für die Produktion von waffenfähigem Material benötigt, erheblich verkürzen.

Um dieses Ziel zu erreichen, installiert Iran fortschrittliche Zentrifugen in der Urananreicherungsanlage in Qom, einer anfangs geheimgehaltenen unterirdischen Anlage, deren Existenz erst 2009 aufgedeckt wurde. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die Anlage militärischen Zwecken dient.

In der vergangenen Woche verkündete der Sprecher des iranischen Aussenministeriums, Ramin Mehmanparast, “die Installierung neuer Zentrifugen von besserer Qualität und Geschwindigkeit wird derzeit abgeschlossen.”

“Irans monatliche Produktionsrate von niedrig angereichertem Uran, zurzeit 156 Kilo, ist die höchste, die jemals von der IAEA [der Internationalen Atomenergiebehörde] dokumentiert wurde. Teheran verfügt nun über einen Bestand von mehr als 4000 Kilo niedrig angereichertem Uran. Reichert es dieses weiter an, kann es damit zwei Atombomben bauen”, sagte Dr. Bruno Tertrais, ein Experte für Nukleare Proliferation und Forscher in der Stiftung für Strategische Studien (Fondation pour la recherche stratégique, FRS), im vergangenen Monat zu Realite-EU.

“Darüberhinaus hat der Iran fast 60 Kilo von auf 20 Prozent angereichertem Uran in der Pilotanlage in Natans produziert… dies bringt den Iran der militärischen Schwelle sehr nahe, denn sobald man Uran auf 20 Prozent angereichert hat, ist man der Anreicherung auf 90 Prozent sehr nahe; das ist ein beinahe exponentieller Prozess”, fügte Tertrais hinzu.

In Reaktion auf Teherans Aktivitäten veröffentlichte das französische Aussenministerium die folgende Verlautbarung: “Mit der Ankündigung, fortschrittliche Zentrifugen zu installieren, hat der Iran sich eine weitere Provokation geleistet, denn das iranische Nuklearprogramm hat keinen glaubwürdigen zivilen Zweck.”

Das britische Aussenministerium sagte, Teherans Bekanntgabe “unterhöhlt weiter Irans Behauptung, sein Nuklearprogramm verfolge ausschliesslich friedliche Zwecke, und demonstriert die Dringlichkeit, den Druck auf Iran zu erhöhen… Der Iran muss verstehen, dass wir nicht abgelenkt sind von den Ereignissen in der Region…, und sollte nicht an unserer Entschlossenheit zweifeln.”

Waffenexpertise

Ein weiteres Anzeichen für die nuklearen Ambitionen Teherans ist die Nominierung Dr. Fereydoon Abbasi-Davanis zum neuen Leiter von Irans Behörde für Atomenergie. Laut eines Berichts des Instituts für Wissenschaft und Internationale Sicherheit (Institute for Science and International Security, ISIS), der sich auf Angaben eines Experten mit engen Verbindungen zur IAEA beruft, spielte Dr. Abbasi-Davani eine Schlüsselrolle in Irans geheimem Nuklearwaffenprogramm.

Aufgrund von Beweisen, dass er an der Entwicklung von Nuklearwaffen beteiligt war, verbietet die Resolution 1747 der Vereinten Nationen Dr. Abbasi-Davani, zu reisen und internationale Anlagen zu halten. Auch die Europäische Union hat Sanktionen gegen ihn verhängt.

Im November 2010 wurde in Teheran ein Bombenanschlag auf Dr. Abbasi-Davani verübt. Die iranische Regierung beschuldigte die CIA und den Mossad. Die Ernennung von Dr. Abbasi-Davani signalisiert dem Westen deutlich die Entschlossenheit Irans, seine nuklearen Ziele zu verfolgen.

Abschusstechnologie

Parallel zu seinem Nuklearprogram entwickelt der Iran Raketen mit zunehmender Reichweite, die nukleare Sprengköpfe tragen können. Anfang Juli 2011 führte Iran eine Serie von Militärübungen durch. Dabei wurden verschiedene Raketentypen getestet und unterirdische Raketenlager zur Schau gestellt. Schon heute sind iranische Raketen in der Lage, Süd- und Osteuropa zu treffen.

Der britische Aussenminister William Hague beschuldigte Iran im Juni 2011, heimlich Raketen zu testen, die nukleare Sprengköpfe tragen können.

“Teheran arbeitet seit mehreren Jahren daran, nukleare Sprengköpfe an solche Raketen anzupassen”, sagte Dr. Tertrais. “Dies zeigen Tests, begonnen in 2004, von trikonischen, sogenannten ‘Babyflaschen’-Wiedereintrittsvehikeln (die im iranischen Fernsehen zu sehen waren), sowie Beweise, die die Internationale Atomenergiebehörde zu einem späteren Zeitpunkt erhalten hat.”

In seinen Bemühungen, sein Nuklearprogramm voranzutreiben, scheint das islamische Regime sich nicht abschrecken zu lassen von der Anschlagsreihe auf iranische Nuklearwissenschaftler oder dem Schaden, den der Stuxnet-Computervirus anrichtete. Die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft haben die Geschwindigkeit, mit der der Iran sich einer Atombombe nähert, zwar gemindert; sie haben es jedoch nicht geschafft, Teheran von seiner Entschlossenheit, eine Nuklearwaffe zu entwickeln, abzubringen.

 

Quelle mit vollständigen Quellenangaben: Réalité-EU, 27.07.2011