Transparenz bei Entwicklungshilfe für Ägypten

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Es ist eine unbequeme Wahrheit: trotz seiner antisemitischen Rhetorik, seiner Verschmelzung des Judentums mit dem Zionismus und seiner Neigung zur diktatorischen Machtergreifung, ist es für Israel notwendig, dass die Regierung von Mohammad Mursi weiterhin Hilfsgelder in Millionenhöhe aus dem Westen erhält.

Dass sich Ägypten in einer Wirtschaftskrise befindet, ist eine Untertreibung. Ägyptische Bankenkredite werden degradiert und es gibt nur wenig Grund optimistisch zu sein, dass dem 4.8 Millionen $ Kredit vom Internationalen Währungsfond IWF zugestimmt wird. Die Jugendarbeitslosigkeit bei 24-29jährigen liegt bei schätzungsweise 25 Prozent, unter jüngeren im arbeitsfähigen Alter sogar noch höher. Der Tourismus, der noch in der jüngsten Vergangenheit 10 Prozent des ägyptischen BIP ausgemacht hat, sank um fast 30 Prozent. Ägypten hat nur noch wenig Geld, um 40 Prozent seiner Lebensmittel zu importieren. Kein Bargeld, keine Jobs, keine Lebensmittel: das ist eine tödliche Kombination, die Instabilität erzeugt und einen Welleneffekt über die ganze Region auslösen kann. Wird Ägypten in solch einer Situation, in der die Regierung einer hungrigen und arbeitslosen Bevölkerung gegenübersteht, die Sicherheitsmassnahmen an seiner Grenze zu Israel und zu Gaza weiterhin Priorität geben oder werden sie ihre Ressourcen – und Interessen – anderweitig einsetzen?

Hinzukommt, dass aus israelischer Sicht die Hilfsgelder, besonders jene aus den USA, an stillschweigende Bedingungen geknüpft sind: den Frieden mit Israel. Sollten die Gelder aus den USA ausbleiben, ist in Israel die reale Angst begründet, dass Ägypten das Camp-David Abkommen von 1979 nicht mehr anerkennen wird. Die Gelder aus dem Westen fungieren also als Herrschaft über Ägyptens islamistische Bewegung. Und Mursi ist sich dessen bewusst. Obwohl er aus seinen eigenen Reihen schwer kritisiert und unter Druck gesetzt wird, die Beziehungen mit Israel abzubrechen, anerkennt Mursi den Frieden weiterhin; er kann es sich einfach nicht leisten, ihn nicht anzuerkennen.

Aber abgesehen von Israels Wünschen und weil wir nun mal nicht in Israel sind, sollten wir hier in der Schweiz fragen – wie es Pierre Heumann letzte Woche in der Weltwoche (5/2013) tat – wohin Bern seine Entwicklungsgelder überweist. Am 20. Januar unterzeichnete die Schweiz ein Kooperationsabkommen mit Ägypten und vergibt ein jährliches Budget von rund 30 Millionen Franken bis 2016 an Ägypten. In jeder Demokratie liegt es in der Verantwortung der Bürger, neben anderen Institutionen, die Handlungen der Regierung zu überprüfen. Zumal die meisten Bürger Steuerzahler sind und somit direkt das Budget der staatlichen Entwicklungsgelder mitfinanzieren.

Der Schweizer Steuerzahler sollte u.a. fragen, ob Bern Bedingungen an die Hilfsgelder knüpft. Welche Kontrollmassnahmen stellen sicher, dass die Gelder tatsächlich für die Ziele eingesetzt werden, wie in der Pressemitteilung des SECO angegeben? Sollte Ägypten diese Gelder nicht „gestützt auf die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und unter Wahrung der Menschenrechte … zum demokratischen Wandel des Landes…“ einsetzen, wird die Schweiz dann ihre Gelder zurückrufen? Warum wird ein fester Betrag für einen festen Zeitraum einem Land zugesagt, das sich bestenfalls am Übergang zur Demokratie befindet, realistischer gesehen jedoch eher am Rande des Islamismus schwankt? Das sind Fragen, die der Schweizer Öffentlichkeit vorbehalten sind.

Was Israel angeht sind Mursis Affen und Schweine letztendlich unwichtig – und offen gesagt auch nichts Neues. Mithilfe verschiedener Monitoring Organisationen und seinem eigenen Nachrichtendienst, weiss Israel sehr wohl, was täglich in der politischen Führung in der arabischen Welt gesprochen wird. Hört es Israel gerne, dass seine Bürger dämonisiert werden? Unwahrscheinlich.

Israel weiss hervorragend gut, welche Kämpfe es sich aussucht.

Bedeutet das, dass wir hier in der Schweiz dieselbe realpolitische Einstellung annehmen sollten? Besonders in der Schweiz, ein neutrales wohlhabendes Land, das den Luxus besitzt, die Nutzniesser ihrer Grosszügigkeit selber auswählen zu können, sollte die Öffentlichkeit die Regierung für ihre Bilanz zur Verantwortung ziehen.

Shana Goldberg © Audiatur-Online