25.000 Dokumente der Kairoer Geniza jetzt online

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Autograph draft of Mishneh Torah, the legal code compiled by the rabbinic authority, philosopher and royal physician Moses ben Maimon (Maimonides, 1137/8-1204) MS.Heb.d.32, fols.50b-51a

Die wichtigste jemals entdeckte Sammlung  mittelalterlicher jüdischer Dokumente in Hebräisch und Judeo-Arabisch, wurde von der Bodleian Bibliothek in Oxford digitalisiert und ins Internet hochgeladen. In der Kairoer Ben Ezra Synagoge im Viertel Fostat wurden zwischen dem 9. und 14. Jahrhundert „verbrauchte“ hebräische Manuskripte in einen Lagerraum geworfen, einer so genannten „Geniza“. Gemäss jüdischer Sitte sind hebräische Buchstaben „heilig“ und müssen „begraben“ werden.

Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Forscher jene Geniza, und holten rund 250.000 Dokumente heraus, kleine Fragmente und ganze Bücher, alle handgeschrieben. Dieser einzigartige kulturelle Schatz wurde in alle Winde verstreut. Gemäss einer Pressemitteilung der Bodeleian Bibliothek seien Teile dieser mittelalterlichen Sammlung heute auf mehrere Universitätsbibliotheken in England und in den USA verteilt und befinden sich teilweise in Privatbesitz. Das erschwere die Erforschung des mittelalterlichen Judentums. Die Bibliothek in Oxford hatte bis Anfang des 20. Jahrhunderts systematisch Dokumente der Geniza ermittelt und aufgekauft.

Unter den in der Geniza gefundenen Dokumenten befinden sich neben Originalbriefen des jüdischen Gelehrten Maimonides auch viele Talmudfragmente. Die haben nach Angaben der Bodeliena eine besonders grosse Bedeutung, weil in Europa bis ins 16. Jahrhundert die meisten handschriftlichen Kopien des Talmuds verbrannt worden sind. Unter anderem rief der Reformator Martin Luther in seiner Spätschrift „Von den Jüden und ihren Lügen“ dazu auf, den Talmud zu verbrennen, was später die Nazis zu ihren Bücherverbrennungen motivierte.

Die Bodeliana besitzt etwa 25.000 Fragmente aus der Geniza. Die wurden jetzt in hoher Auflösung digitalisiert, um sie per Internet Forschern anderer Sammlungen von Geniza Dokumenten und dem interessierten Publikum zugänglich zu machen, erklärte laut  Pressemitteilung Dr. Piet van Boxel, Projektleiter der Bibliothek. Auf der Homepage http://genizah.bodleian.ox.ac.uk können die Dokumente gemäss der Katalognummer oder Personennamen der Autoren, darunter 47 Werke des Maimonides gesucht und eingesehen werden. Maimonides ist der Verfasser des „Führers der Verwirrten“, eines der wichtigsten Werken der Philosphiegeschichte. Ebenso fanden sich in der Kairoer Geniza  Schriften des mittelalterlichen Dichters Saadja Gaon.  Neben Gebeten, Kopien liturgischer Schriften, Bibelabschriften und Talmudfragmenten enthält die Sammlung auch Briefe, Eheverträge und Geschäftsabkommen, die einen Einblick in die jüdische Welt im frühen Mittelalter bieten.

© Ulrich W. Sahm