Der grösste Feind der Juden ist die Ignoranz

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Pro-palästinensische Kundgebung in der Nähe des Weissen Hauses, Washington DC, 05.10.2024. Foto IMAGO / NurPhoto
Pro-palästinensische Kundgebung in der Nähe des Weissen Hauses, Washington DC, 05.10.2024. Foto IMAGO / NurPhoto
Lesezeit: 5 Minuten

Ich kannte einen Rabbiner, der Essen liebte und immer sagte, dass Schawuot sein Lieblingsfeiertag sei. Warum? Er erklärte: „An Pessach kann man essen, wo man will, aber man darf nicht essen, was man will. An Sukkot darf man essen, was man will, aber nicht, wo man will. Aber an Schawuot kann man essen, was man will und wo man will.“

von Rabbi Yossy Goldman

Shavuot, eines der drei Pilgerfeste neben Pessach und Sukkot, beginnt am Sonntagabend, dem 1. Juni. Das Wort Shavuot bedeutet „Wochen“ und bezieht sich auf das Gebot, die sieben Wochen nach Pessach zu zählen. Dies wird als „Zählen des Omer“ bezeichnet und gipfelt in Shavuot, wörtlich „Wochenfest“. Die Israeliten zählten voller Vorfreude die Tage vom Auszug aus Ägypten bis zu dem Tag, an dem ihnen am Berg Sinai die Tora gegeben wurde. Und das tun wir auch heute noch.

Aber Shavuot hat noch andere Namen. Sogar ziemlich viele. Chag Habikkurim, der „Tag der ersten Früchte“, an dem die Bauern ihre ersten Früchte nach Jerusalem brachten, um Gott für das Land und seine Erträge zu danken. Chag Hakatzir, das „Erntefest“, da der Feiertag in die Erntezeit fällt. Atzeret ist ein weiterer Name, der „Beendigung“ oder „Abschluss“ bedeutet. Dies bezieht sich darauf, dass an Schawuot keine Arbeit verrichtet werden darf, und auch darauf, dass es den Höhepunkt des Pessachfestes darstellt, da der Zweck des Exodus darin bestand, die Tora und unsere jüdische Lebensweise zu empfangen.

In unseren Gebeten bezeichnen wir Schawuot als „Zman Matan Torateinu“, die „Zeit der Übergabe der Tora“. Meiner Meinung nach ist dies heute die treffendste Bezeichnung. Wir bringen kein Omer-Opfer dar, daher ist unser Zählen der Wochen heute eher symbolisch als praktisch. Wir sind nicht mehr alle Bauern, und die Ernte gibt uns nicht mehr das Gefühl von Reichtum und Wohlstand wie in alten Zeiten. Wir bringen auch keine Bikkurim (Erstlingsfrüchte, eine Art Opfergabe) dar. Ja, es gibt in vielen Synagogen schöne Bräuche, bei denen die Kinder Obstkörbe mitbringen, die dann an die Armen verteilt werden, aber das ist keine Mizwa, sondern einfach eine nette Tradition.

Aber die Zeit der Übergabe der Tora ist heute genauso aktuell wie eh und je, und ich wage sogar zu sagen, vielleicht sogar noch aktueller. Ja, die Tora wurde uns vor mehr als 3.300 Jahren auf dem Berg Sinai gegeben, aber die Tora ist ein lebendiges Dokument. Sie ist unsere Lebensweise. Sie ist die Gebrauchsanweisung für das Leben selbst. Sie ist niemals veraltet oder überholt, Gott bewahre.

Ich würde sogar behaupten, dass die Tora heute notwendiger ist als jemals zuvor in der Geschichte. Wir leben in der moralisch verwirrtesten Generation aller Zeiten. Die Grenzen zwischen Gut und Böse waren noch nie so verschwommen wie heute. Nicht nur das Überleben des jüdischen Volkes hängt von der Tora ab, sondern die Menschheit selbst braucht dringend Orientierung und Klarheit wie nie zuvo

Wenn die heutigen Bastionen der Zivilisation, wie die prestigeträchtigsten Universitäten der Welt und fortschrittliche Länder wie Kanada und Frankreich, praktisch nichts unternehmen, um den Judenhass zu stoppen, ist es kein Wunder, dass ein scheinbar „normaler“ Mann in Washington, D.C., ein unschuldiges junges Paar kaltblütig erschiessen und selbst davon überzeugt sein kann, dass er für eine gerechte Sache gekämpft hat. “Free, free Palestine! …Ich habe es für Gaza getan!“

Und wenn eine US-Kongressabgeordnete sich nicht dazu durchringen kann, eine solche Gräueltat zu verurteilen oder der Familie auch nur ihr Beileid auszusprechen, und wenn ein Social-Media-Influencer mit Millionen treuer Follower diesen Wahnsinn bejubelt, dann fürchte ich, dass wir in einer sehr kranken Gesellschaft leben.

Und leider scheinen derzeit auch viel zu viele jüdische Jugendliche auf der Seite der Terroristen und Tyrannen zu stehen, indem sie sich den Protesten und Demonstrationen anschliessen. Anstatt eine Kippa zu tragen, setzen sie sich eine Keffieh auf, und anstelle von altbewährtem Seichel, also gesundem Menschenverstand, schliessen sie sich den maskierten Missionaren des Wahnsinns an und skandieren Parolen, die sie nicht einmal verstehen.

Wie kann das sein? Wie können jüdische Kinder, deren Grosseltern stolze, sogar praktizierende Juden waren, die Wahrheit nicht erkennen? Die Antwort ist tragisch.

Ignoranz. Genauer gesagt, jüdische Ignoranz.

Sie wissen nichts über die jüdische Geschichte, weder über die alte noch über die moderne. Sie wurden mit sogenannten demokratischen Werten und Prinzipien gefüttert, ohne etwas über ihr eigenes Erbe zu wissen, das seit jeher das Rückgrat der universellen Moral bildet. Sie haben keine Tora gelernt, aber sie haben ferngesehen. Die Bibel ist ihnen fremd, und die Medien sind ihr Gott. Die selbstverachtenden Juden unserer Zeit sind die grössten Verleumder Israels. Und ob es nun ein anonymer jüdischer Student oder der Senator von Vermont, Bernie Sanders, ist – ihre fast vollständige Unkenntnis des Judentums, der jüdischen Werte und Prinzipien schockiert uns nicht mehr. Sie sind sicherlich die gebildetsten ignoranten Menschen der Welt. Kein Jude, der sich ernsthaft mit dem Judentum beschäftigt hat, könnte jemals so handeln wie sie.

Also, meine Freunde, der Staatsfeind Nr. 1 ist heute nicht der Iran, die Hamas oder die Houthis. Der Staatsfeind Nr. 1 ist die Ignoranz der Juden! Deshalb wird der langfristige Kampf um die Rettung Israels, des weltweiten Judentums und ja, der Zivilisation, nicht nur auf den Schlachtfeldern ausgetragen, sondern auch in den Klassenzimmern und jüdischen Haushalten. Eine solide jüdische Erziehung für die nächste Generation von Juden ist von entscheidender Bedeutung. Dann werden unsere Jugendlichen die Antworten schon haben, bevor Fragen aufkommen.

Schawuot ist die „Zeit der Übergabe der Tora“. Heute brauchen wir die Tora mehr denn je. Gott ist da, um sie uns zu geben. Lasst uns dafür sorgen, dass wir da sind, um sie anzunehmen und an unsere Kinder und Enkel weiterzugeben.

Rabbi Yossy Goldman ist emeritierter Rabbiner der Sydenham Shul in Johannesburg und Präsident der South African Rabbinical Association. Er ist der Autor des Buches «From Where I Stand» über die wöchentlichen Tora-Lesungen, erhältlich bei Ktav.com und Amazon. Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate. Übersetzung und Redaktion Audiatur-Online.

3 Kommentare

  1. Das Bild Israels wird seit Jahrzehnten seitens Medien falsch, verzerrt wiedergegeben. Bekanntlich werden tausendfach wiederholte Lügen zur „Wahrheit“. Zum Beispiel ist ohne Ende von „palästinensischem Territorium“ die Rede, etwas, das überhaupt nicht existiert. Dann der „palästinensische Staat“, eine Illusion mit politischem Zündstoff.
    Israels Staat inklusiive Territorium vom Jordan bis Mittelmeer basiert auf der Balfour-Erklärung von 1917, der San Remo Resolution von 1920 und dem Völkerbundmandat von 1922, das die Briten beauftragte, die Nationale Jüdische Heimstätte zwischen dem Jorden und dem Mittelmeer wieder zu errichten. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
    Doch wie damals die Briten, betrügt die heutige Welt die Juden um ihre damals festgelegten, völkerrechtlich gültigen Rechte, u.a. auf das erwähnte Gebiet! Gleichzeitig wird ignoriert, dass die Charta der PLO/Fatah die Vernichtung Israels zum Ziel hat, dass Abbas Jugendliche zum Märtyrertum ermutigt, Mörder von Juden feiert und Gefangenen oder deren Familien grosszügige Renten zukommen lässt. Und wir Schweizer finanzieren nach wie vor die UNRWA, an deren Schulen Kinder lernen, Juden und Israel zu hassen.
    Alles das sind wichtige Punkte, von denen die allermeisten Schweizer keine Ahnung haben, dafür mehr ein offenes Ohr für jegliche Fake News gegen Israel, die uns fast täglich überschwemmen.

  2. Was sollen „sogenannte(?) demokratische Werte und Prinzipien“ sein? Ich dachte Israel ist ein demokratischer Staat. Ich sehe Probleme eher bei Gottesstaaten.

  3. ISRAEL ist „das Auge Gottes“.

    Das Auge ist nutzlos, wenn der Geist blind ist. Darum braucht ISRAEL Hilfe zu dem Zweck, damit auch das Auge sich der Wahrheit bewusst wird :

    Denn: Wenn ISRAEL „das Auge Gottes“ ist, wer ist denn dann der der ganze Körper Gottes ?

    Mehr nach Rückmeldung.

    Herzliche Grüße, Jürgen Friedrich

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