SRG-Ombudsstelle gibt Kritikern der Nahost-Berichterstattung recht

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Das Fernsehhochhaus und der Bühnenturm. Foto SRF/Gian Vaitl
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Die Ombudsstelle der SRG gab zwei Beanstandungen gegen die Nahost-Berichterstattung von Susanne Brunner recht. Ihre Aussagen in einem Radiobeitrag seien unzulässige Generalisierungen und verstossen daher gegen das Sachgerechtigkeitsgebot. Dennoch dürften die Auswirkungen des Urteils gering bleiben.

In einem noch unveröffentlichten Schlussbericht gab die Ombudsstelle der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) Ende November zwei Beanstandungen gegen die Nahost-Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Programms recht. Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um zwei prominente Persönlichkeiten: Die Publizistin und Politikwissenschaftlerin Regula Stämpfli sowie den Anwalt Emrah Erken. Von letzterem ist aktuell auch eine Popularbeschwerde gegen das Schweizer Fernsehen bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hängig (s. Artikel), über die am 12. Dezember entschieden wird.

Die beiden Beanstandungen betreffen einen Kommentar der SRG-Nahostkorrespondentin Susanne Brunner. Dieser erschien in den SRF1-Nachrichten vom 18. Oktober 2024 und drehte sich um die palästinensischen Reaktionen auf Tod des Hamas-Führer Yahya Sinwar. Einen Tag zuvor war der Kopf hinter dem Angriff vom 7. Oktober von israelischen Soldaten getötet worden. Die Beschwerdeführer machen geltend, dieser Beitrag habe neben dem Sachgerechtigkeitsgebot auch das Transparenzverbot verletzt, weil die persönliche Meinung von Susanne Brunner nicht als solche gekennzeichnet wurde.

Behauptungen ohne Basis

In dem Radiobetrag hatte Brunner kommentiert, «die Palästinenser haben keinen Grund, Netanjahu zu glauben, weil sich in ihren Augen der Krieg gegen sie richtet, als Ganze.» Zudem hatte sie ihrer Einschätzung Ausdruck gegeben, wonach «die palästinensische Bevölkerung glaube, dass Israel sie ein für alle Mal vertreiben wolle.» «Das», so Brunner, «mache ein baldiges Ende des Krieges unwahrscheinlich.»

Regula Stämpli schreibt in ihrer Beanstandung, dass sich Brunner weder auf Meinungsumfragen noch erkennbare Quellen stütze und Behauptungen frei aufstelle – «nicht zum ersten Mal übrigens». Erken macht ebenfalls geltend, dass die SRG-Journalistin bei diesen Aussagen auf unzulässige Weise generalisiere und nur einen Tag nach dem Tod des Terroristenführers «unmöglich wissen [kann], dass ein solcher Konsens in der Gesamtbevölkerung existiert.»

Die persönliche Meinung als Analyse ausgegeben

Es handle sich bei Brunners Einschätzungen daher «um die persönliche und israelfeindliche Meinung von Susanne Brunner und nicht um die Meinung der palästinensischen Gesamtbevölkerung als Ganzes,» so Erkens Beanstandungsschrift.

Ähnlich argumentiert Regula Stämpfli: « [Es] gehört … aber zur Transparenz, dass es sich beim Beitrag nicht um eine Einschätzung Korrespondentin, sondern eine eigene Meinung ohne Quellen, Tatsachen und Recherchen handelt.»

Beide Beschwerdeführer werfen der SRG-Nahostkorrespondentin nicht nur vor, persönliche Meinungen hinter einer angeblichen Analyse der palästinensischen öffentlichen Meinung zu verstecken, sondern auch falsch zu informieren. Dies sei zum Bespiel der Fall, wenn Brunner behaupte, der israelische Krieg richte sich gegen die palästinensische Gesamtbevölkerung und nicht explizit gegen die Hamas.

Ombudsstelle: Unzulässige Generalisierung

Die Ombudsstelle gab nun den Beschwerdeführern Recht und stellte fest, dass die beanstandeten Sätze in Brunners Beitrag tatsächlich gegen das Gebot der Sachgerechtigkeit verstossen haben. In ihrem Schlussbericht gibt die Ombudsstelle zu bedenken, dass gerade beim Nahostkonflikt bei der Wortwahl und bei nicht belegten bzw. belegbaren Verallgemeinerungen eine besondere Sorgfaltspflicht besteht. Diese sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt worden:

«Indem die Korrespondentin jedoch pauschal von ‘den Palästinensern’ bzw. der «palästinensischen Bevölkerung» spricht, die glaubten, Israel wolle «sie ein für alle Mal vertreiben» lässt sie die im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt auch bei Einschätzungen erforderliche Differenziertheit in der Wortwahl vermissen: Auch wenn einiges dafürspricht, dass die wiedergegebene Haltung von vielen … Palästinensern geteilt wird, erweist sich die Aussage in dieser generalisierenden Art für nicht sachgerecht.»

Wohl keine Konsequenzen für die Berichterstattung

Audiatur-Online hat sowohl die Beschwerdeführer als auch die SRG angefragt, ob das Urteil Konsequenzen für die SRG-Nahost-Berichterstattung hat. Die Beschwerdeführer geben sich in dieser Hinsicht pessimistisch. Beim öffentlichen-rechtlichen Programm heisst es dagegen unverbindlich: «SRF nimmt den Schlussbericht zur Kenntnis und wird sich intern damit auseinandersetzen.» 

Es ist davon auszugehen, dass in nächster Zeit noch viele ähnliche Beschwerden eingehen werden. Dies dürfte nicht zuletzt denjenigen Auftrieb geben, die sich für die Annahme der SRG-Initiative «200 Franken sind genug» einsetzen, die die Mittel der SRG kürzen will.

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Über Daniel Rickenbacher

Daniel Rickenbacher ist promovierter Historiker und arbeitet in der Analyse und Politikberatung. Er studierte Geschichte, Politik und Religion und forschte an der Universität Basel, der Ben Gurion Universität, der Concordia Universität in Montreal und an der Militärakademie an der ETH.

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