Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat eine Beschwerde des Zürcher Rechtsanwaltes Emrah Erken gutgeheissen. Die Berichterstattung zu den antiisraelischen Studentenprotesten hat die extremistischen und antisemitischen Tendenzen sowie die Hintergründe nicht angemessen beleuchtet. Der Entscheid bedeutet einen massiven Reputationsschaden für den öffentlich-rechtlichen Medienkonzern.
Am 12. Dezember fand in Bern die öffentliche Urteilsberatung über die Popularbeschwerde des Zürcher Anwalts Emrah Erken gegen das Schweizer Radio und Fernsehen SRF statt. Neben den neun Mitgliedern der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hatten sich nur ein knappes Dutzend Personen als Besucher zur Beratung eingefunden: wenige Journalisten, ein mehrköpfiges Rechtsteam der SRG und natürlich der Beschwerdeführer selbst. Für den geringen Aufmarsch dürfte kaum der Inhalt der Beschwerde verantwortlich gewesen sein. Dieser war hochbrisant. Vielmehr schien der Ausgang schon im Vorfeld festzustehen. Zwar war es nicht der erste Fall Erkens vor dem UBI. Bereits vor zwei Jahren hatte er hier eine Beschwerde gegen das SRF gewonnen. Dennoch erwartete kaum jemand, dass sich der Zürcher Anwalt als David erneut gegen den Medien-Goliath durchsetzen würde. Umso grösser war die Sensation an diesem kalten Dezembernachmittag.
Emrah Erken hatte in seiner Beschwerde geltend gemacht, SRF habe über die antiisraelischen Proteste an amerikanischen und Schweizer Universitäten tendenziös berichtet. Antisemitismus, Vernichtungswünsche gegen Israel oder Sympathien mit der Hamas und der Hisbollah seien in der Berichterstattung unterschlagen worden. Stattdessen seien die Proteste als pazifistisch orientierte, «propalästinensische» Friedensdemonstrationen falsch dargestellt worden.
Einseitige Berichterstattung
Zunächst stellte ein Kommissionsmitglied – Referent genannt – die Beschwerdeschrift eingehend vor. Schon hier deutete sich an: In der UBI teilte man viele der Kritikpunkte von Erken, auch wenn man immer wieder den angriffigen Ton der Beschwerdeschrift kritisierte. Der Referent resümierte: «Das von SRF gezeichnete Bild kann als verharmlosend bezeichnet werden. … Die Zuschauer erhielten durch die Berichterstattung ein Bild von Studenten, die für Frieden demonstrieren. Dies war aber nicht der Fall. … Wer gegen Krieg ist, solidarisiert sich nicht mit einer Kriegspartei.» Er empfahl daher, den Antrag auf Verletzung des Vielfaltsgebotes gutzuheissen. In der beanstandeten Periode von drei Monaten habe SRF einseitig über die Geschehnisse an Universitäten berichtet.
«Ideologischer Humus» nicht berücksichtigt
In der anschliessenden Diskussion schilderte ein Kommissionsmitglied aus der Westschweiz, wie die Berichterstattung direkt seinen persönlichen Beobachtungen von Gewalt an den Universitäten widersprach. In den Redaktionsstuben des Schweizer Fernsehens seien diese Ereignisse «banalisiert» worden.
Nicht nur die Einseitigkeit der Berichterstattung stiess auf Kritik. Mehrere Kommissionsmitglieder fanden auch, beim Schweizer Fernsehen habe keine wirkliche journalistische Bearbeitung des Themas stattgefunden. Der Vergleich mit den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland und Österreich wurde gezogen. Dort habe man sich im Gegensatz zur Schweiz vertiefter mit dem «ideologischen Humus» der antiisraelischen Proteste, dem Antisemitismus in der Linken und den Geisteswissenschaften, auseinandergesetzt. Nur eine Kommissionsminderheit wollte in der Berichterstattung keine problematischen Aspekte erkennen.
«Pseudo-aufgeklärte» Berichterstattung
In ihrer Schlussbetrachtung wählte die UBI-Präsidentin Mascha Santschi Kallay scharfe Worte: Die Berichterstattung sei «unheimlich», «beschönigend», «pseudo-aufgeklärt» und «hochgefährlich» gewesen. Die Darstellung der Ereignisse durch die SRG habe antisemitische Tendenzen normalisiert. Wenn Antisemitismus kritisiert wurde, so sei diese Kritik sogleich sprachlich relativiert worden. Santschi Kallay zog den Vergleich mit SRF-Berichten über die Corona-Proteste. Hier wies man hartnäckig und wiederholt auf die Teilnahme rechtsextremer Aktivisten hin, während man bei den Studentenprotesten die kritischen Punkte ausblendete.
Jüdische Kronzeugen
Ebenfalls zu beurteilen hatte die Kommission, ob die beanstandeten Beiträge das Sachgerechtigkeitsgebot verletzten. Es ging insbesondere um ein Interview mit einer amerikanischen Protestteilnehmerin, die als Kind den Holocaust überlebt hatte. Diese bestritt im Beitrag den antisemitischen Inhalt der Proteste und bezeichnete den Krieg in Gaza als «Völkermord».
Erken warf in seiner Beschwerdeschrift dem Schweizer Fernsehen vor, jüdische Menschen nicht aufgrund ihrer Kompetenz als Interviewpartner auszuwählen, sondern als «jüdische Kronzeugen» bewusst einzusetzen, um ein antiisraelisches Narrativ unter seinem Publikum zu verbreiten.
«Die jüdische Aktivistin ist keine Juristin und kann nicht beurteilen, ob das Vorgehen der israelischen Armee Völkermord ist. Ihre Aussage hat aber, da sie eine Holocaust-Überlebende ist, beim juristisch unkundigen Publikum Gewicht. Die Suggestion ist eindeutig: ‘Seht her! Selbst eine Holocaust-Überlebende sagt, dass das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza Völkermord ist!’»
Tatsächlich bestätigte die SRG in ihrer Beschwerdeantwort Erkens Kritik und gab zu, dass man die Aktivistin gerade deswegen ausgewählt hatte, weil sie eine Minderheitsmeinung unter den Juden vertritt und nicht etwa aufgrund ihrer Kompetenz:
«Marione Ingram vertritt zweifellos keine Mehrheitsmeinung – weder unter israelischen noch unter amerikanischen Juden. Ihre Haltung fällt auf und [daher] erachtete die Redaktion [diese] auch für ein Publikum in der Deutschschweiz als interessant.»
Entscheid schadet dem Ruf der SRG
Eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots ist aber schwer zu beweisen, da ein einzelner SRF-Beitrag nicht objektiv zu sein hat. Von dem her war es keine Überraschung, dass der Antrag auf Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots knapp mit 4:5 Stimmen scheiterte. Die Kommissionsmehrheit folgte jedoch der Kritik an der generellen Berichterstattung und hiess die Verletzung des Vielfaltsgebotes mit 6 zu 3 Stimmen gut. Eine schriftliche Begründung des Entscheids steht noch aus. In der Medienmitteilung heisst es jedoch:
«In ihrer Beurteilung kam die UBI zum Schluss, dass sich das Publikum zu den einzelnen Publikationen eine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots bilden konnte. Dagegen hat die Berichterstattung insgesamt das Vielfaltsgebot verletzt, weil die extremistischen und antisemitischen Tendenzen bei den Protesten sowie die Hintergründe nicht angemessen zum Ausdruck kamen.»
Die SRG muss korrigieren
In der Beratung und im Entscheid bestätigte die UBI nicht nur die zentralen Kritikpunkte der Beschwerdeschrift, sondern ging vielfach darüber hinaus. Die Berichterstattung des Schweizer Radios und Fernsehens SRF war nicht nur einseitig und irreführend, sondern auch unprofessionell. Grundlegende journalistische Qualitätsansprüche wurden nicht erfüllt.
Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. Aber schon jetzt steht fest: Die Glaubwürdigkeit des Medienkonzerns ist stark angeschlagen. Um Abhilfe zu schaffen, sollte die SRG endlich politische Vielfalt in ihren links-dominierten Redaktionsstuben herstellen und inhaltliche Kritik ernst nehmen. Nur leider gibt es dafür bislang keinerlei Anzeichen (s. Artikel). Das ist keine gute Ausgangslage für die SRG, um ihr 1,5 Mia. Budget in Zukunft zu verteidigen.
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„Hier wies man hartnäckig und wiederholt auf die Teilnahme rechtsextremer Aktivisten hin, während man bei den Studentenprotesten die kritischen Punkte ausblendete.“
Das ist leider auch wieder tendenziös.
Man b e z e i c h n e t e Coronamassnahmenkritiker als Rechtsextreme , um sich gegen Kritik zu immunisieren und um nicht die Rechtmässigkeit des Regierungshandelns anzweifeln zu müssen.
Heute sind alle Kritikpunkte bestätigt, aber man weigert sich standhaft, eine Corona-Aufarbeitung, die den Namen verdient, in Gang zu setzen.